Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum Helmut Kohls Söhne nichts erben
Was das Erbe seines Vaters, des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl, angehe, sei „alles geklärt“, hatte Sohn Walter vor sechs Wochen überraschend erklärt, aber keine Details genannt. „Das Thema Erbschaft in der Familie ist komplett erledigt.“Jetzt sind Einzelheiten über die Regelung bekannt geworden. Alleinerbin des im Juni verstorbenen Helmut Kohl ist dessen Witwe Maike Kohl-Richter. Die Söhne Peter und Walter und auch die Enkelkinder sind bereits im Frühjahr 2016 zu Lebzeiten des Altkanzlers ausbezahlt worden. Damals habe die Familie vor dem Landgericht Frankenthal eine juristische Klärung erwirkt. Laut „Bild am Sonntag“hätten die Söhne damals jeweils 400 000 Euro erhalten und die Enkel Leyla und Johannes je 100 000 Euro. Das entspreche etwa dem Pflichtanteil.
Kohls Söhne hatten wegen eines Streits mit der Witwe Maike KohlRichter auch über die Trauerfeier nicht an der Beerdigung ihres Vaters teilgenommen. Der frühere Rekordkanzler und CDU-Chef Kohl war am 16. Juni im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Oggersheim gestorben. Das Verhältnis zwischen den Söhnen und Kohls zweiter Ehefrau gilt seit Langem als zerrüttet.
Streit um politischen Nachlass
Der quälende Streit um das materielle Erbe scheint jetzt beigelegt zu sein. Doch das Ringen um den politischen Nachlass geht weiter. Was wird aus den Akten des früheren Regierungschefs und Ehrenbürgers Europas, um die auch seit Jahren gestritten wird? Sohn Walter wünscht sich die Gründung einer neutralen und objektiven Stiftung, um dieses geistige Erbe zu verwalten und auszuwerten. Die historischen Dokumente sollten auch der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Dabei geht es unter anderem um 400 Aktenordner und 200 Tonbänder, um Notizen, Terminkalender, persönliche Aufzeichnungen, Redeentwürfe, Korrespondenz mit inund ausländischen Politikern aus den Kanzlerjahren. Es ist ein großer Teil von Kohls politischem Nachlass, das Handarchiv des Altkanzlers. Über das für Historiker wertvolle Material tobte lange ein Streit zwischen der CDU und Maike KohlRichter. Wer hat Anspruch darauf? Wer darf diese Quellen auswerten?
Kohls Witwe hatte deutlich gemacht, dass sie sich auch als alleinige Hüterin und Erbin des politischen Nachlasses sieht. Das Bundesarchiv hat bereits Anspruch auf die Akten und Unterlagen angemeldet und wenige Tage nach dem Tod des Altkanzlers die Witwe um Herausgabe gebeten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung verlangt die Rückgabe von Akten. 2010 hatte der Altkanzler sein Handarchiv, das er 1998 nach Ende seiner Amtszeit der CDU-nahen AdenauerStiftung zur Verfügung gestellt hatte, nach Oggersheim zurückbringen lassen. Die Begründung: Er benötige die Akten, um den ausstehenden vierten Band seiner Memoiren zu verfassen. Doch gab es Mutmaßungen, dass Kohls Gattin den Nachlass an sich ziehen wolle, um so die Deutungshoheit für sich gewinnen zu können. Kohl-Richters Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner hatte die Gründung einer eigenen Stiftung für den Nachlass angekündigt. In der CDU gibt es die Sorge, dass die verschiedenen Vorstellungen in der Familie der Einrichtung einer Helmut-Kohl-Stiftung entgegenstehen könnten. Alleinerbin Kohl-Richter hatte in einem Interview erklärt, dass „die alleinige Entscheidungsbefugnis“über den Nachlass bei ihr liegen solle.