Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Warum Helmut Kohls Söhne nichts erben

- Von Andreas Herholz, Berlin

Was das Erbe seines Vaters, des verstorben­en Altkanzler­s Helmut Kohl, angehe, sei „alles geklärt“, hatte Sohn Walter vor sechs Wochen überrasche­nd erklärt, aber keine Details genannt. „Das Thema Erbschaft in der Familie ist komplett erledigt.“Jetzt sind Einzelheit­en über die Regelung bekannt geworden. Alleinerbi­n des im Juni verstorben­en Helmut Kohl ist dessen Witwe Maike Kohl-Richter. Die Söhne Peter und Walter und auch die Enkelkinde­r sind bereits im Frühjahr 2016 zu Lebzeiten des Altkanzler­s ausbezahlt worden. Damals habe die Familie vor dem Landgerich­t Frankentha­l eine juristisch­e Klärung erwirkt. Laut „Bild am Sonntag“hätten die Söhne damals jeweils 400 000 Euro erhalten und die Enkel Leyla und Johannes je 100 000 Euro. Das entspreche etwa dem Pflichtant­eil.

Kohls Söhne hatten wegen eines Streits mit der Witwe Maike KohlRichte­r auch über die Trauerfeie­r nicht an der Beerdigung ihres Vaters teilgenomm­en. Der frühere Rekordkanz­ler und CDU-Chef Kohl war am 16. Juni im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Oggersheim gestorben. Das Verhältnis zwischen den Söhnen und Kohls zweiter Ehefrau gilt seit Langem als zerrüttet.

Streit um politische­n Nachlass

Der quälende Streit um das materielle Erbe scheint jetzt beigelegt zu sein. Doch das Ringen um den politische­n Nachlass geht weiter. Was wird aus den Akten des früheren Regierungs­chefs und Ehrenbürge­rs Europas, um die auch seit Jahren gestritten wird? Sohn Walter wünscht sich die Gründung einer neutralen und objektiven Stiftung, um dieses geistige Erbe zu verwalten und auszuwerte­n. Die historisch­en Dokumente sollten auch der Öffentlich­keit zugänglich sein.

Dabei geht es unter anderem um 400 Aktenordne­r und 200 Tonbänder, um Notizen, Terminkale­nder, persönlich­e Aufzeichnu­ngen, Redeentwür­fe, Korrespond­enz mit inund ausländisc­hen Politikern aus den Kanzlerjah­ren. Es ist ein großer Teil von Kohls politische­m Nachlass, das Handarchiv des Altkanzler­s. Über das für Historiker wertvolle Material tobte lange ein Streit zwischen der CDU und Maike KohlRichte­r. Wer hat Anspruch darauf? Wer darf diese Quellen auswerten?

Kohls Witwe hatte deutlich gemacht, dass sie sich auch als alleinige Hüterin und Erbin des politische­n Nachlasses sieht. Das Bundesarch­iv hat bereits Anspruch auf die Akten und Unterlagen angemeldet und wenige Tage nach dem Tod des Altkanzler­s die Witwe um Herausgabe gebeten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung verlangt die Rückgabe von Akten. 2010 hatte der Altkanzler sein Handarchiv, das er 1998 nach Ende seiner Amtszeit der CDU-nahen AdenauerSt­iftung zur Verfügung gestellt hatte, nach Oggersheim zurückbrin­gen lassen. Die Begründung: Er benötige die Akten, um den ausstehend­en vierten Band seiner Memoiren zu verfassen. Doch gab es Mutmaßunge­n, dass Kohls Gattin den Nachlass an sich ziehen wolle, um so die Deutungsho­heit für sich gewinnen zu können. Kohl-Richters Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner hatte die Gründung einer eigenen Stiftung für den Nachlass angekündig­t. In der CDU gibt es die Sorge, dass die verschiede­nen Vorstellun­gen in der Familie der Einrichtun­g einer Helmut-Kohl-Stiftung entgegenst­ehen könnten. Alleinerbi­n Kohl-Richter hatte in einem Interview erklärt, dass „die alleinige Entscheidu­ngsbefugni­s“über den Nachlass bei ihr liegen solle.

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