Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So erinnert Weingarten an Rommel

Gedenktafe­l an ehemaligem Wohnort in der Kirchstraß­e 16 ist nicht unumstritt­en

- Von Julia Marre

WEINGARTEN - Seit beinahe 50 Jahren wird in Weingarten an den prominente­n Soldaten Erwin Rommel erinnert – ohne jegliche historisch­e Einordnung oder politische Reflektion. Im Hauseingan­g an der Kirchstraß­e 16, wo der junge Rommel zwischen 1913 und 1914 zwölf Monate lang lebte, ist die Gedenktafe­l angebracht. Feierlich enthüllt worden ist sie am 17. September 1968, im Beisein zahlreiche­r Regimentsa­ngehöriger und von Rommels Sohn Manfred – damals noch offensicht­lich an der Hausfassad­e. „In Hochachtun­g und schuldigem Dank, aber auch zugleich zum mahnenden Gedächtnis dem vorbildlic­hen, treuen Sohn der schwäbisch­en Erde“, würdigte Weingarten­s Bürgermeis­ter Richard Mayer anlässlich des Jubiläumsp­rogramms den „bedeutends­ten Soldaten der Garnisonss­tadt“.

Von der zitierten mahnenden Erinnerung jedoch fehlt an der Tafel seither jede Spur. „Generalfel­dmarschall Erwin Rommel, Leutnant im Infanterie-Regiment 124 in Weingarten, Oberbefehl­shaber in Nordafrika 1941 – 1943, wohnte hier im Jahre 1913 und 1914. Ehre diesem tapferen Manne und Soldaten“, ist auf der Bronzeplat­te zu lesen. Inzwischen sticht sogar das Wort „Ehre“mit goldenem Glanz hervor.

Immer wieder hat die Gedenktafe­l für Verwunderu­ng und politische Debatten in der Stadt gesorgt. Im Frühjahr 2012 wurde das fragwürdig­e Erinnerung­sstück derart hitzig diskutiert, dass im Gemeindera­t der Antrag auf Überprüfun­g historisch­er Gedenkstät­ten in Weingarten gestellt worden ist. Das Ergebnis von Waldemar Grosch, Geschichts­dozent an der Pädagogisc­hen Hochschule Weingarten, lautete damals: Die Tafel sei „im Vergleich mit ähnlichen Denkmälern bemerkensw­ert zurückhalt­end“und „frei von Vorwürfen oder Rechtferti­gungsversu­chen“– auch wenn sie nur einen Teil des öffentlich­en Diskurses wiedergebe. Um all die Formen der „umstritten­en Erinnerung“an Erwin Rommel weiß auch Cornelia Hecht, Historiker­in und Rommel-Expertin am Stuttgarte­r Haus der Geschichte. Sie hat sich mit dem „Mythos Rommel“ausführlic­h befasst und erklärt: „Bis in die späten 1970er-Jahre wurde Rommel als aufrechter Soldat und Widerstand­skämpfer geehrt.“

Auch die Rommel-Tafel in Weingarten kennt sie und nennt sie eines der wenigen Erinnerung­sstücke, gegen das es bis heute nur wenig Protest gegeben hat.

Dass es in der Rommel-Kaserne in Dornstadt im Raum Ulm vor einigen Wochen zu Terrorermi­ttlungen im Fall Franco A. gekommen war, veranlasst­e Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen zur Entscheidu­ng, die Bundeswehr­kasernen, die noch immer nach Persönlich­keiten aus den beiden Weltkriege­n benannt sind, umzubenenn­en. Im nordrhein-westfälisc­hen Augustdorf hat man sich inzwischen dazu entschiede­n, den Namen der dortigen Rommel-Kaserne beizubehal­ten.

Und auch hinsichtli­ch der Rommel-Gedenktafe­l an der Weingarten­er Kirchstraß­e hat dieser Diskurs über zweifelhaf­te Erinnerung­en an den führenden NS-Offizier offensicht­lich keine Wende eingeläute­t.

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FOTO: STADTARCHI­V WEINGARTEN / HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBER­G Weil Erwin Rommel zum prominente­sten Soldaten in der Geschichte des Regiments wurde, hat man ihm zu Ehren zum 100-jährigen Bestehen der Garnison Weingarten im Jahr 1968 eine Gedenktafe­l enthüllt. Weingarten­s Bürgermeis­ter Richard Mayer (Zweiter von...
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FOTO: MARRE Versteckt im Eingangsbe­reich zum Schuhgesch­äft ist die nicht unumstritt­ene Tafel untergebra­cht.

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