Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Integrationszentrum für Weingarten
Verbund verschiedener Institutionen soll Integration auf neue Ebene heben.
WEINGARTEN - Als erste Stadt im Landkreis Ravensburg wird die Stadt Weingarten ein Integrationszentrum ins Leben rufen. Ein übergreifender Verbund unter Federführung von Stadt, der Caritas Bodensee-Oberschwaben und der Diözese Rottenburg-Stuttgart möchte damit die Integrationsarbeit in Weingarten bündeln und auf eine neue Stufe heben. Dabei soll das Zentrum, das im städtischen Gebäude in der Liebfrauenstraße 25 entsteht, nicht nur eine zentrale Begegnungs- und Anlaufstelle für Flüchtlinge, sondern auch Anknüpfungspunkt für die mehr als 5000 Menschen mit Migrationshintergrund in Weingarten und die ehrenamtlichen Helfer sein. „Für uns war klar: So wie die Flüchtlingshilfe aufgebaut ist, kann es nicht weitergehen“, sagte Ewald Kohler, Regionalleiter der Caritas Bodensee-Oberschwaben bei einem Pressegespräch am Montag. „Es ist ein sehr zersplittertes Hilfesystem mit Einzelkämpfern.“
Daher reifte in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen die Idee, die Kräfte zu bündeln, um effektiver zu arbeiten. Auf Initiative der Caritas taten sich Stadt, Diözese, aber auch die Katholische Kirchengemeinde, das Kloster Reute und die Franziskanerinnen Reute zusammen und brachten die Idee des Integrationszentrums auf den Weg. Dieses muss im Detail, wie beispielsweise Öffnungszeiten oder Programm, noch ausgearbeitet werden.
Doch das grobe Gerüst steht. So werden von städtischer Seite Christine Bürger-Steinhauser (Integrationsbeauftragte) und Klaus-Peter Storme (Flüchtlingsbeauftragter) mit eingebunden. Sabine Weisl wird als Nachfolgerin von Jasmin Bisanz als Abteilungsleiterin für Kommunikation, Bürgerschaftliches Engagement und Integration dem Ganzen von städtischer Seite übergeordnet vorstehen.
Den Gegenpart vonseiten der Caritas wird Stefan Fischer übernehmen. Seine Mitarbeiter werden vor Ort Migrationsberatungen anbieten und die Freiwilligen koordinieren. Auch Schwester Ines und Schwester Elisa von den Franziskanerinnen aus Reute werden sich umfänglich einbringen.
Mit der Entscheidung für ein Integrationszentrum reagieren die Verantwortlichen auch auf die sich stetig verändernde Flüchtlingssituation. Denn normalerweise wechseln Asylbewerber nach 18 bis 24 Monaten von der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung. Und genau in dieser Phase befinden sich viele Asylbewerber beziehungsweise sind schon darüber hinaus. Aktuell leben von den 540 Flüchtlingen in Weingarten nur noch 137 in der Erstunterbringung. Damit verlagert sich das Ganze von größeren, zentralen Gemeinschaftsunterkünften in dezentrale, private Wohnungen. Auch der Zuständigkeitsbereich der Behörden geht vom Landratsamt an die Stadt über.
Erschwerter Zugang
Für die Flüchtlinge ist der Wechsel einerseits eine große Erleichterung, es kommen aber auch zusätzliche Herausforderungen neu hinzu. Außerdem wird die Arbeit der Sozialarbeiter der Caritas, die bislang vom Landkreis beauftragt ist, erschwert. „Da wird der bisherige Zugang verändert. Da geht der Kontakt verloren“, erklärte Kohler. „Die Gefahr ist groß, dass Flüchtlinge in der Anonymität versinken.“
Um dem entgegenzuwirken soll mit dem neuen Integrationszentrum ab Januar eine Anlaufstelle geschaffen werden, an die sich Flüchtlinge mit allen wichtigen Fragen, von Behördengängen über Abschiebebescheide bis hin zu ganz alltäglichen Dingen, wenden können. „Es ist nach wie vor so, dass viele Flüchtlinge nicht so weit sind, das eigene Leben zu organisieren“, sagte Kohler und spricht von bis zu 70 Prozent der 540 Flüchtlinge in Weingarten, die noch Unterstützung bräuchten. Allen Verantwortlichen ist es wichtig zu betonen, dass das Zentrum auch eine Anlaufstelle für Menschen mit Migrationshintergrund und Ehrenamtliche sein soll. „Wir dürfen andere Migranten nicht vergessen. Auch diese Menschen haben Bedarf an Unterstützung“, sagte Kohler.
Doch sollen sowohl die Flüchtlinge, wie auch die Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden. Im Optimalfall sollen sie die eigenen Erfahrungen weitergeben und sich damit in den ganzen Integrationsprozess in etwas veränderter Rolle noch stärker mit einbringen. „Jetzt kommt der nächste Schritt: Wie gelingt es die Leute zu Weingärtnern zu machen?“, sagte Oberbürgermeister Markus Ewald.
Starkes Engagement der Diözese
Neben der Caritas und der Stadt kommt bei dem gesamten Projekt vor allem der Diözese eine wichtige Rolle zu – nicht zuletzt wegen der finanziellen Unterstützung. 157 000 Euro stellt Bischof Gebhart Fürst für die Projektlaufzeit von drei Jahren zur Verfügung. „Es ist die wichtige Aufgabe der Kirchen, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet, sondern stärker zusammenrückt“, sagte Thomas Broch, bischöflicher Beauftragter für die Flüchtlingsarbeit in Weingarten. „Es geht um Menschen, nicht um Migrationshintergründe.“
Doch sind damit noch nicht alle Kosten gedeckt. Durch Fördermittel von Bund und Land gibt es 127 000 Euro für migrationsspezifische Beratungsangebote. Die Caritas wird jährlich 10 000 Euro bringen, die Katholische Gesamtkirchengemeinde wird 2000 Euro pro Jahr zuschießen. Auch die Evangelische Gesamtkirchengemeinde hat signalisiert, sich finanziell zu engagieren.
Die Stadt Weingarten selbst investiert einmalig 35 000 Euro für den Umbau der Räumlichkeiten in der Liebfrauenstraße, bringt 30 000 Euro für den Ausfall von Miete und Nebenkosten ein und beauftragt die Caritas mit circa 1,5 Stellen bei Kosten von rund 96 000 Euro pro Jahr. Allerdings: Durch den Pakt für Integration vom Land Baden-Württemberg sind die Kosten komplett gegenfinanziert. Wohl nicht zuletzt deswegen stimmte der Gemeinderat dem Integrationszentrum in seiner Sitzung am Montagabend bei vier Gegenstimmen der CDU mehrheitlich zu.