Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Offene Debatte über Merkels Nachfolge
Union redet über die Zukunft der Kanzlerin – Gerüchte um Seehofer-Wechsel nach Berlin
BERLIN - Am Donnerstag haben FDP und Grüne sondiert, heute steht in Berlin die erste große Dreier-Verhandlungsrunde in Sachen JamaikaKoalition an. Doch vor dem für die Regierungsbildung wichtigen Tag hat die Diskussion über die Zukunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Fahrt aufgenommen – in und außerhalb der Union.
„Die Menschen haben ein Rieseninteresse, dass Angela Merkel das Land weitere vier Jahre erfolgreich führt“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Aber: „Sie wollen aber dann auch Perspektiven sehen, wie es danach weitergeht.“Das mäßige Wahlergebnis lege es der Partei nahe, „eine personelle Erneuerung anzugehen“. Auch die Junge Union hatte dies gefordert. CDU-Generalsekretär Peter Tauber wies die Kritik zurück, Merkel wolle sich vor einer kritischen Analyse des Wahlergebnisses drücken: „Wir wollen gerade nicht zur Tagesordnung übergehen.“
Auch Christian Lindner, der Parteichef des möglichen Koalitionspartners FDP, stichelte vor Beginn der heutigen Sondierung. Er erwarte, dass die CDU in den nächsten vier Jahren eine Nachfolgedebatte eröffnen werde, sagte Lindner dem „Stern“. Merkel habe nach der Bundestagswahl einen „deutlich spürbaren Autoritätsverlust erlitten“.
Nicht nur die seit zwölf Jahren regierende Kanzlerin, auch CSU-Chef Horst Seehofer kämpft gegen Autoritätsverluste und die Nachfolgediskussion. Auf seinen Wunsch hin wurde der CSU-Parteitag vom 17. November um rund einen Monat verschoben, um das Ende der Koalitionsgespräche in Berlin abzuwarten. Hinter den Kulissen heißt es, dies geschehe, um Seehofer als erfahrenen Verhandler in Berlin während der Koalitionsverhandlungen nicht zu beschädigen. Auf dem CSU-Parteitag soll die Parteispitze neu gewählt werden und der Spitzenkandidat für die Landtagswahl aufgestellt werden. Hierfür ist Finanzminister Markus Söder im Gespräch. Seehofer könnte dann seiner eigenen Forderung von 2016 nachkommen, derzufolge ein CSU-Chef in Berlin am Kabinettstisch sitzen müsse, heißt es in der Hauptstadt.
SAARBRÜCKEN (dpa) - Die Regierungschefs der Länder machen sich für eine schnellere und konsequentere Abschiebung krimineller Asylbewerber stark.
„Die, die kriminell geworden sind, müssen sofort abgeschoben werden. Das hat mit dem Schutz der Bürger zu tun. Da dürfen wir uns keine Sicherheitslücken erlauben“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Donnerstag zum Start der Ministerpräsidentenkonferenz in Saarbrücken. Bund und Länder müssten dabei enger zusammenarbeiten: „Ich sehe den Bund stärker in der Pflicht, insbesondere, wenn es um Gefährder geht“, sagte sie. Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). „Bei Asylbegehrenden, die Straftaten begangen haben, ist der Bund gefragt“, sagte er. Die CSU fordert angesichts der sinkenden Zahl von Abschiebungen eine Verdreifachung der Abschiebehaftplätze. Die Länder müssten ihre Plätze bis Ende 2017 von derzeit 400 auf 1200 erhöhen, sagte CSU-Innenexperte Stephan Mayer. „Ansonsten werden wir die rund 230 000 Ausreisepflichtigen nie abschieben können.“
Bund und Länder streiten seit Jahren über den Kurs bei Abschiebungen und mögliche AbschiebeHemmnisse. Mitte des Jahres lag die Zahl der Ausreisepflichtigen laut Ausländerzentralregister insgesamt bei 226 457. Ein großer Teil davon – fast 160 000 – hat jedoch eine Duldung in Deutschland, etwa wegen Krankheit oder einer Ausbildung.
Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), erklärte: „Wir müssen beim Thema Abschiebung insgesamt besser vorankommen. „Wenn wir zum gesellschaftlichen Frieden in Deutschland beitragen wollen, dann müssen wir auch konsequent handeln.“Der „beste und humanste Weg“sei, „wenn man gleich von Anfang an Entscheidungen trifft“.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, sein Bundesland wolle bei der Abschiebung „konsequenter“werden. Ziel sei es, die Plätze in Abschiebehaft auszubauen. So etwas wie der „Fall Amri“dürfe sich nie wiederholen, sagte Laschet.
Bei ihrer zweitägigen Konferenz der Ministerpräsidenten stand auch der Umgang von ausreisepflichtigen, aber geduldeten Migranten auf dem Arbeitsmarkt auf der Agenda. „Ich halte es für sinnvoll, dass diese Menschen arbeiten können, auch wenn sie irgendwann mal wieder gehen müssen“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Sie plädierte für eine Lockerung beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn die „Menschen jahrelang hier nichts tun, das dient weder ihnen selbst, noch dient es dem gesellschaftlichen Frieden.“
Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, die Konferenz diene auch dazu, über Parteigrenzen hinweg Erwartungen der Länder an die neue Bundesregierung zu formulieren. Dazu gehöre die Flüchtlingspolitik.