Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
30 000 Schritte pro Nacht
Dominik Marcher ist nachts für das Messegelände der Oberschwabenschau verantwortlich
RAVENSBURG (sz) - 18 Uhr, es ist Feierabend auf der Oberschwabenschau. Als ob man einen Schalter umgelegt hätte, fangen alle Aussteller an, aufzuräumen, zu verstauen, zu verhüllen. Die meisten wollen nach einem anstrengenden Tag schnell raus. Am Imbiss wird der Würstchengrill gewienert, tütenbeladene Besucher spazieren in Richtung Ausgang. Dominik Marcher kommt ihnen entgegen. Er ist Nachtschichtleiter für die BSG Security GmbH und von 19 bis 7 Uhr verantwortlich fürs Messegelände.
Zunächst macht er einen Rundgang mit dem Tagschichtleiter. An dem Abend lädt die Oberschwabenschau zum Konzert ins ausverkaufte Bierzelt. Überall stehen Grüppchen in Dirndl, Lederhosen und Partystimmung. Einige haben schon etwas getrunken. In der täglichen Sicherheitsbesprechung wurde exakt festgelegt, wie man das Konzertgelände vom restlichen Areal trennt. Zusätzliche Security-Leute sorgen dafür, dass die normale Nachtschicht ihre Aufgaben unbehelligt erledigen kann.
Nur die Security ist unterwegs
Zweiter Sonderfall dieser Nacht: Ein Aussteller veranstaltet ein Fest mit geladenen Gästen. Also wird eine weitere Ecke isoliert und von einem Team gesichert. Nachts auf dem Messeareal ist niemand unterwegs außer der Security. Wer etwas zu erledigen hat, wird begleitet und beaufsichtigt. Aussteller, die nachts eine Warenlieferung bekommen, melden dies an und werden ab dem Tor eskortiert. Auch den Putzteams schließen Security-Leute die Hallen einzeln auf, bleiben dabei und sperren wieder ab. Nachzuverfolgen ist dies über den Funk, mit dem Marcher jede Aktion seiner Leute überwacht. Und nachzulesen im Schließprotokoll, das Dominik Marcher am nächsten Morgen übergibt.
In den Hallen gehen die Lichter aus, die Debatten beginnen. „Guten Abend, wir würden hier gern abschließen.“Marcher steht vor neun Angetrunkenen, die sofort in lautes Wehklagen verfallen. „Mensch, bring uns lieber noch einen!“Er lächelt freundlich und weicht keinen Millimeter. Im normalen Leben ist er Programmierer bei einem Maschinenhersteller und Familienvater. Es ist seine vierte Oberschwabenschau. Physisch angegriffen wurde er noch nie, aber distanzlos sind manche, und er muss sich viel Mist anhören.
Alles unter Kontrolle haben
Etappe für Etappe schließt er ab, rüttelt er an Hallentüren. Es ist wie einen Sack Flöhe hüten. In der einen Halle arbeiten Handwerker an der Heizung, anderswo hat er der Besatzung eines Standes erlaubt, noch ein paar Minuten zu bleiben. Es dauert eineinhalb Stunden, bis er endlich sicher sein kann, alle Türen, Tore und Schlösser unter seiner persönlichen Kontrolle zu haben. Im Zweifel läuft er erneut. Etwa 30 000 Schritte macht er pro Nacht.
Aus dem Bierzelt schallt „ein Prosit der Gemütlichkeit“. Es geht um materielle Werte, es geht um Sicherheit. Das Flutlicht an den Masten bleibt an. Hinter dem Sicherheitskonzept stehen Messeleiter Stephan Drescher und die Eventbande, ein auf Großveranstaltungen spezialisierter Dienstleister aus Konstanz um Andreas Weigold und den Rechtsanwalt Daniel Schlatter. „Das ist keine Theorie, das sind klassische Szenarien, alles schon passiert.“Aus dem Zelt das nächste „Prosit der Gemütlichkeit“.
Marcher entdeckt zwei Leute zwischen Landmaschinen. Es waren Aussteller, die sich in Ruhe die Konkurrenzprodukte anschauen wollten. Andrea, die Torwache, hat ein bisschen Rücken. Er wird auf sie achten. Oft klingelt sein Telefon, während er gerade funkt. „Ihr sitzt ja nur herum“, sagen viele über Nachtwachen. Ob sich Dominik Marcher heute mal hinsetzen wird, steht in den Sternen.