Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stadt nimmt Vereine an die kurze Leine
Nach finanziellen Unstimmigkeiten bei der VHS verlangt Verwaltung Einsichtsrecht in Jahresabschlüsse
RAVENSBURG - 2,9 Millionen Euro zahlt die Stadt Ravensburg jährlich an Zuschüssen für Vereine und Organisationen. Diese sogenannten Freiwilligkeitsleistungen werden aus Steuergeldern finanziert. Daher verlangt die Stadtverwaltung ab sofort Einsicht in die Jahresabschlüsse aller Einrichtungen, die mehr als 100 000 Euro im Jahr bekommen. Hintergrund waren Unregelmäßigkeiten in der Buchführung der Volkshochschule Ravensburg, die als Verein organisiert ist.
Wie mehrfach berichtet, handelte es sich dabei jedoch nicht um Veruntreuungen oder Unterschlagungen, sondern um Fehlbuchungen zwischen 5000 und 10000 Euro, die laut dem VHS-Vorsitzenden Berthold Traub im Rahmen des Umzugsstresses der Verwaltung ins neue Gebäude an der Gartenstraße entstanden waren. Das Rechnungsprüfungsamt und die Stadtkämmerei bemängelten aber, dass die Kontrollfunktion für die Finanzen der Volkshochschule generell schlecht geregelt sei: Es gibt demnach nicht einmal den in der Vereinssatzung vorgesehenen Kassierer.
Die Stadt verlangt deshalb von der VHS, sich „inhaltlich weiterzuentwickeln und organisatorisch neu aufzustellen“. Im ersten Quartal 2018 soll es eine Klausurtagung zum Thema geben, außerdem beschloss der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig besagtes Einsichtsrecht in die Finanzen aller Vereine und Organisationen, die mehr als 100 000 Euro jährlichen Zuschuss bekommen.
Das sind gar nicht so viele. Von 500 Vereinen begehren nur 260 laufende Zuschüsse von der Stadt, und davon liegen wiederum nur fünf über der 100 000-Euro-Grenze. Den größten Batzen bekommt die Musikschule: 2016 waren es 470 000 Euro, gefolgt von der VHS (317 000 Euro), der Rutenfestkommission (227 000 Euro), dem Theater Ravensburg (170 000 Euro) und dem Verein Zehntscheuer (165 000 Euro). Oberbürgermeister Daniel Rapp sieht in dem neuen Einsichtsrecht neben der Kontrollfunktion auch einen Service für die betreffenden Vereine. „Die Stadt ist Dienstleister, ein Wirtschaftsprüfer wäre für die Vereine viel zu teuer.“Ehrenamtliche Kassenprüfer würden bei Jahresumsätzen von 1,2 Millionen Euro, wie sie zum Beispiel VHS und Rutenfestkommission machen, schnell an ihre Grenzen kommen, ergänzte Bürgermeister Simon Blümcke. Aus den Geschäftsberichten ließen sich bislang offenbar nicht immer alle Informationen entnehmen, um die finanzielle Situation der Vereine verlässlich beurteilen zu können. Auch die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel ließ sich manchmal nicht überprüfen. Eine Ausnahme bildet die Musikschule Ravensburg, die schon vom Landkreis geprüft wird. Bei den anderen Vereinen will die Stadt ab sofort genauer hinschauen.
Zuschuss genehmigt
Im Anschluss an die Entscheidung genehmigte der Gemeinderat den Jahreszuschuss der VHS für das laufende Kalenderjahr in Höhe von 195 000 Euro. Dabei gab es nur eine Gegenstimme: Roland Dieterich (FDP) ist der Ansicht, dass die beiden Volkshochschulen Ravensburg und Weingarten fusionieren sollten und in die Hand des Gemeindeverbandes Mittleres Schussental gehören. Wilfried Krauss von den Bürgern für Ravensburg, in dessen Fraktion mit Berthold Traub und Ulrich Höflacher zugleich die beiden Vorsitzenden des VHS-Trägervereins sitzen, übte Kritik an der Stadtverwaltung für ihren Umgang mit der Bildungseinrichtung für Erwachsene. „In den vergangenen Monaten hätte man den Eindruck bekommen können: In dem Laden stimmt was nicht. Dabei hat sich alles als Sturm im Wasserglas herausgestellt“, warf er der Stadtstpitze eine Dramatisierung der Zustände vor.
Das ließ Ottilie Reck-Strehle von den Grünen wiederum nicht auf der Verwaltung sitzen: „Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, da nachzuhaken. Sie wären bei einer anderen Angelegenheit der Erste, der fragen würde: Warum habt ihr da nicht nachgehakt?“, warf sie den Bürgern für Ravensburg Parteilichkeit in Sachen VHS vor. August Schuler (CDU) versuchte zu beschwichtigen. Er glaubt, das Hauptproblem liege im Geschäftsführerwechsel. Bekanntlich war der langjährige Geschäftsführer Alfred Sattig 2016 in Ruhestand gegangen, und seine Nachfolgerin hatte es kein Jahr auf dem Posten ausgehalten. Schuler: „Nach 35 Jahren war das schon ein relativ harscher Wechsel.“