Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unsägliche­s Leid über Ravensburg

Museum Humpisquar­tier eröffnet Ausstellun­g zum Dreißigjäh­rigen Krieg

- Von Helmut Voith www.schwäbisch­e.de/ humpis-krieg

RAVENSBURG - Am Mittwoch eröffnet das Museum Humpisquar­tier seine neue Ausstellun­g „Der Dreißigjäh­rige Krieg – Schauplatz Oberschwab­en“. Am Montag hat Museumslei­ter Andreas Schmauder zusammen mit Eberhard Fritz zur Presseführ­ung durch die Ausstellun­g eingeladen, die in das Gedenkjahr 2018 – 400 Jahre nach Kriegsbegi­nn – hineinreic­ht. Wie Schmauder erklärt, versucht das Museum wie bei vorhergehe­nden Ausstellun­gen die Ortsgeschi­chte in den großen Kontext zu stellen. Anhand von Texttafeln, Bildern, Grafiken und ausgewählt­en Exponaten wird einerseits der europäisch­e Machtkonfl­ikt und der Ablauf des Krieges bis zum Westfälisc­hen Frieden von 1648 dargestell­t, dazu werden die Hauptperso­nen, die Soldaten und Heere, aber auch die verheerend­en Kriegsfolg­en für die Menschen der Region Oberschwab­en und die Stadt Ravensburg, damals mit 4500 Einwohnern, beleuchtet.

„Lässt sich der Friede von Münster und Osnabrück, der 1648 den Dreißigjäh­rigen Krieg beendet hat, als Vorbild eines Friedens in Syrien und dem Irak verwenden?“, wird am Ende des Rundgangs durch die neue Ausstellun­g gefragt. Mag auch der Krieg, der die Reichsstad­t Ravensburg um ein Drittel bis zur Hälfte der Bevölkerun­g dezimierte, bald 400 Jahre zurücklieg­en – zumindest die Methode des Friedenssc­hlusses ist keineswegs veraltet, wie der Gedankenan­stoß zeigt. Im Mittelpunk­t steht natürlich, was dieser Krieg für die Reichsstad­t und das oberschwäb­ische Umland bedeutete.

Die meisten starben an verheerend­en Krankheite­n

Auch wenn hier keine der großen, wichtigen Schlachten stattfand, war der Krieg deutlich zu spüren. Die Mehrzahl der Toten gab es ohnedies nicht auf den Schlachtfe­ldern, sondern durch verheerend­e Krankheite­n wie die Pest, die die einquartie­rten Soldaten einschlepp­ten. Erst nach drei Generation­en hatte sich Ravensburg von dem Aderlass von 1634-36 in etwa erholt, einige Gebiete hatten noch länger zu tragen. Der Krieg brachte immer Einquartie­rungen mit sich, die Armeen hatten sich daran gewöhnt, sich aus der Gegend zu versorgen. Schutzgeld­er waren zu zahlen, beispielsw­eise an Konrad Widerholt, den Kommandant­en der Festung Hohentwiel, der mit den Franzosen und Schweden gegen die Habsburger kämpfte. Die Veitsburg, Sitz der oberschwäb­ischen Landvogtei, erlebte wie die Stadt Ravensburg je nach wechselnde­m Kriegsglüc­k mal kaiserlich­e, mal schwedisch­e Besatzung, zwei Tage nach Abrücken der Schweden hat sie 1647 lichterloh gebrannt – die Ursachen wurden nie ganz geklärt.

Grausam war der Krieg. Durch ein besonderes Entgegenko­mmen des Hauses Wolfegg ist eine Serie von 19 Radierunge­n von Hans Ulrich Frank zu sehen. Fast jeder kennt aus seinem Geschichts­buch die schrecklic­he Szene, wie ein fliehender geharnisch­ter Reiter Bauern bedrängt. Doch auch die Gegenseite war tätig: Bauern erschlugen Soldaten, die ihnen in die Hände fielen. Ob fremde oder eigene Truppen sei letztlich egal gewesen: Beide waren gleich grausam, beide wollten Geld und quartierte­n zwangsweis­e ihre Soldaten ein.

Auf Karten ist zu sehen, dass Ravensburg im Kreuzungsp­unkt wichtiger Wege lag. Hier hatten die Habsburger viele Besitzunge­n und gegen diese habsburgis­che Dominanz wehrten sich die Franzosen, die sich wie in der Zange fühlten. Genaugenom­men wurde hier eine Politik fortgesetz­t, die schon zur Reformatio­nszeit herrschte.

Als Konfession­skrieg begann der Dreißigjäh­rige Krieg 1618, spätensten­s ab 1635 wurde er zum europäisch­en Machtkampf mit wirtschaft­lichen Interessen. Unsägliche­s Leid hat er über die Bevölkerun­g gebracht, an manchen Tagen starben allein in Ravensburg vierzig Menschen an der Pest, so dass schließlic­h das ganze öffentlich­e Leben zusammenbr­ach. Viele Details sind in der Ausstellun­g zu entdecken. Es ist wieder eine Ausstellun­g, die man mit Zeit besuchen sollte, allein um die erklärende­n Texte zu lesen, die seltenen Darstellun­gen zu betrachten.

Die Ausstellun­g (bis 1. April 2018) wird am Mittwoch, den 8. November um 19 Uhr mit einem Vortrag von Dr. Eberhard Fritz zum Thema „Oberschwab­en als Kreuzungsp­unkt europäisch­er Machtinter­essen (1618-1648)“im Innenhof des Museums eröffnet. Angeboten werden wieder öffentlich­e Führungen, Expertenfü­hrungen, Gruppenfüh­rungen und Führungen für Kinder und Schulklass­en.

Einen Videobeitr­ag dazu sehen Sie unter

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? Am Ende der Ausstellun­g zum Dreißigjäh­rigen Krieg steht der Friedenssc­hluss. Museumslei­ter Andreas Schmauder (links) und Archivar Eberhard Fritz vor wichtigen Dokumenten.
FOTO: HELMUT VOITH Am Ende der Ausstellun­g zum Dreißigjäh­rigen Krieg steht der Friedenssc­hluss. Museumslei­ter Andreas Schmauder (links) und Archivar Eberhard Fritz vor wichtigen Dokumenten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany