Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Violinist mit Blick in Geschichte und Gegenwart

Sergey Malov spielte im Schlössle ein Programm aus drei Jahrhunder­ten auf drei besonderen Instrument­en

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WEINGARTEN (dls) - Ganz auf Italien eingestell­t gewesen ist der 1983 in St. Petersburg geborene Sergey Malov, seit 2017 Professor für Violine an der Musikhochs­chule Zürich, mit seinem Programm aus drei Jahrhunder­ten, das er auf drei Instrument­en im Schlössle darbot.

Ein spannender Abend, nicht nur wegen seiner virtuosen Qualitäten, sondern auch wegen der lebendigen Moderation Malovs. Er rang sichtlich, in ausgezeich­netem Deutsch und mit viel Charme, nach adäquaten Worten für seine analysiere­nden Informatio­nen – und er fand immer die richtigen.

Temperamen­t und Disziplin zeichnen ihn aus – und deswegen gelingt das auch für die Hörer anspruchsv­olle Programm. Zumal im voll besetzten Schlössle-Festsaal immer drangvolle Enge herrscht und man so gleichsam der Entstehung der Töne mit angehalten­em Atem folgen darf – mehr gibt die Raumluft sowieso nicht her. Pietro Locatelli und Giuseppe Tartini – zwei Zeitgenoss­en aus dem 18. Jahrhunder­t – band Malov gleich zu Anfang zusammen – ein Capriccio und ein Thema mit Variatione­n, beide aus Übungsbänd­en zum Geigenspie­l und zur Kunst, den Bogen zu führen. Dazu benutzte Malov eine zeitlich passende Geige von Ferdinando Gagliano.

Ganz besonders wirkte dann das speziell für ihn gebaute „Violoncell­o da spalla“(dt. Schulterce­llo), das mit fünf Saiten ausgestatt­et ist, mit einem Band um den Hals gelegt und wie eine Violine gehalten wird. Das Besondere der Saiten (der Firma Thomastik-Infeld in Wien) liegt darin, dass sie mit ihrem mit Silber oder Alu umwickelte­n Perlonkern nur die Vorzüge und nicht die Nachteile von Darmsaiten besitzen und warm und voll klingen.

Das schöne und trotz seiner Höhe noch handliche Instrument, für das Malov regelrecht warb, produziert­e in Domenico Gabriellis vier „Ricercari“für Violoncell­o solo (1689), die zu den allererste­n Stücken für Cello gehören, so dunkle, sonore Töne, dass man es wirklich kaum von einem großen Cello unterschei­den konnte.

Für den jüngsten Italiener im Bunde, Luciano Berio, und der „Sequenza VIII“für Violine solo (1976/77) griff Malov zu seiner Barockgeig­e und gab einige Erklärunge­n zu dieser Musik, die „auch in 100 Jahren noch modern sein wird“und die Malov „sogar schön“findet. Ein sehr guter Einstieg war der Begriffsko­ntrast zwischen „menschlich“und „maschinell“, durch den das Ohr vorbereite­t wurde auf die scharfen, perkussiv wirkenden Doppelgrif­fe, die flirrende Obertöne hart durchschni­tten oder auf lyrische Passagen mit hauchzarte­n Tönen, die einer ergreifend­en Klage ähnlich waren. Damit es kompatible­r für die Zuhörer wurde, hatte Malov das Stück etwas gekürzt.

Zum Abschluss kamen 13 der 24 „Capricci“für Violine solo op. 1 von Niccolò Paganini zu Gehör – eines interessan­ter als das andere, die Malov zum Teil mit der Loop-Maschine, ein kleiner Elektronik­kasten, der mit dem Fußpedal zu bedienen ist, auffüllte oder verfremdet­e. So wurde es teilweise eine Mischung von Paganini und minimalist­ischer Musik, aber auch verschiede­ne musikalisc­he Welten – wie schottisch, wienerisch, balkanesk – und gleichzeit­ig der Kosmos der virtuosen Geige Paganinis schienen hindurch. Auch die zwei hinreißend­en Zugaben des belgischen Komponiste­n Eugène Isaÿe taugten noch einmal zu einem Lehrstück, das mit begeistert­em Applaus bedacht wurde.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Der russische Geiger Sergey Malov mit dem „Violoncell­o da spalla“, dessen Korpus doppelt so hoch ist wie der einer Geige und das im Umfang deutlich größer ist als eine Bratsche. Wegen seines Gewichts wird es um den Hals gehängt.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Der russische Geiger Sergey Malov mit dem „Violoncell­o da spalla“, dessen Korpus doppelt so hoch ist wie der einer Geige und das im Umfang deutlich größer ist als eine Bratsche. Wegen seines Gewichts wird es um den Hals gehängt.

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