Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schwaben-Hymne erinnert an den Bahnhof Durlesbach
Mundartlied verspottet die einstmals hinterwäldlerischen Oberschwaben
DURLESBACH - „Trulla, trulla, trullala / trulla, trulla, trullala / Schtuegert, Ulm und Biberach / Meckebeure, Durlesbach.“Wohl kaum ein anderes Volkslied in schwäbischer Mundart dürfte über Deutschland hinaus einen solchen Bekanntheitsgrad erlangt haben wie das von der „Schwäb’schen Eisebahne“.
Vor allem aber hat die SchwabenHymne dem Bahnhof in Durlesbach zu Popularität verholfen. Im Sommer ist der idyllische Ort mehrmals in der Woche Ziel von Reisebussen. Auch Fotoshootings und Filmaufnahmen am Eisenbahnerdenkmal sind keine Seltenheit. Die Herkunft des Eisenbahnliedes ist leider nicht zweifelsfrei zu belegen. Einmal wird als Quelle ein Tübinger Kommersbuch von 1853 angegeben, das es aber gar nicht geben soll. Der Zeitpunkt hingegen könnte richtig benannt sein, weil es erst anno 1850 eine durchgängige Eisenbahnstrecke von Heilbronn über Stuttgart bis an den Bodensee gab.
In anderen Liedsammlungen taucht das Volkslied ab 1894 auf. Die Melodie entstammt einem Basler Soldatenlied aus der Zeit um 1850. „Es handelt sich ganz offensichtlich um ein Spottlied, das die einfachen Leute aus der Provinz auf die Schippe nimmt“, ist Petra Bitsch, die seit 15 Jahren mit ihrer Familie im Bahnhof Durlesbach wohnt, überzeugt.
Die Bauern im ländlichen Oberschwaben hatten vor Eröffnung der württembergischen Eisenbahnstrecke nämlich kaum etwas gehört vom technischen Fortschritt und waren überfordert von modernen Fahrzeugen; sie kannten nur 1 PS starke Ochsenkarren. Wie heißt es so schön in einer der acht Strophen? „Eine Geiß hat er sich kaufet / und daß die ihm nit entlaufet / bindet sie de gute Ma / hinte an de Wage na.“Das End’ vom Lied liest sich dann im übernächsten Vers fast schon makaber: „Auf de nächste Statione / wo er will sei Böckle hole / findet er nur Kopf und Soil / an dem hintre Wagetoil.“Ursächlich dafür war aus seiner Sicht der Lokführer. „So, du kannst de Schade zahle / warum bisch so schnell gefahre / du alloi bisch schuld dora, / daß i d’Goiß verlore ha!"
Ob sich eine solche Story tatsächlich jemals zugetragen hat, bleibt offen. Dem deutschen Volksliedarchiv in Freiburg/Breisgau liegen nämlich an die 100 verschiedene Fassungen und Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung mit bis zu 27 Strophen vor. Sicher aber ist, dass dieses Lied den Haltepunkt Durlesbach, der 1984 von der Bahn aufgegeben wurde, weit über die Grenzen Oberschwabens hinaus bekannt gemacht hat.
„Davon bin ich überzeugt. Durlesbach und das Eisenbahnlied gehören einfach zusammen, zumal der kleine Ort im Refrain ja benannt wird“, weiß Joachim Bendel, Vorsitzender des Fördervereins „DurlesbachBähnle“. Dessen Mitglieder haben die auf einem Abstellgleis präsentierte alte Dampflok samt Personenwaggons
aufwendig restauriert, für eine Überdachung gesorgt und planen in nächster Zeit weitere Aktionen auf dem Bahnhofsgelände.
Dass die im Refrain besungenen Bahnhöfe „Schtuegert, Ulm und Biberach, Meckebeure, Durlesbach“zugunsten des Reims in der falschen geografischen Reihenfolge benannt
sind, sorgt bei Touristen für Verwirrung. „Das haben wir hier häufiger, dass Fremde sagen, sie hätten Durlesbach zunächst hinter Meckenbeuren irgendwo am Bodensee gesucht“, berichtet Bitsch. Aber hinsichtlich von Größe und Bedeutung der genannten Bahnhöfe entlang der Südbahn stimmt die Reihenfolge dann doch. Dem Eisenbahnlied ist es nach Einschätzung von Bendel und Bitsch zu verdanken, dass sich so viele Menschen für den legendären Durlesbacher Bahnhof interessieren. Er wurde damals als Haltepunkt für Waldsee errichtet, weil die Allgäubahn von Ost nach West erst 1867 dazukam. Damit die Bahnkunden das Einödtal bei Reute erreichen konnten, wurde der bis heute so benannte „Durchhau“im Steinacher Ried gemacht.
Gebäude unter Denkmalschutz
Zur Kundschaft zählten unter anderem die Franziskanerinnen aus Reute, die einst bis zu 200 Außenstationen unterhielten und froh waren über eine Zuganbindung in Klosternähe. Das kleine Bahnhofsgebäude wurde deshalb auch schnell zu klein und 1911 durch ein größeres ersetzt, das seit diesem Jahr unter Denkmalschutz steht.
Unter Leitung von Barny Bitterwolf wurde das Lied 2011 zum 100jährigen Bestehen des Haltepunktes von einem Riesenchor mit mehr als 2000 Sängern gesungen.