Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen Tokio und Hollywood
Simon Phillips & Band beim Trans4 Jazzfestival
RAVENSBURG - „Wow!“ist die spürbare Reaktion im proppenvollen Saal, denn dort stehen wie eine akustische Trutzburg knapp 30 TomToms, Becken, HiHats, Snares, Bassdrums und Fußmaschinen auf der Bühne. Ein wenig wie ein SuperWhopper „mit allem“, oder wie die beweglichen Materialskulpturen von Jean Tinguely. Das Klangareal, Schlagzeug wäre untertrieben, für Simon Phillips. Entsprechend gigantisch denn auch das Ausmaß der Welttour mit seiner Band. Im Juni in Tokio, Krakau und Tallinn, in Oslo, Kopenhagen, London, und Hollywood dann im Dezember. Dazwischen lag auch die Zehntscheuer und das Trans4 Jazzfestival.
Drei Musiker begleiten den „Masterdrummer“, aber vor allem ist es seine Show, ein akustisches Riesenfeuerwerk, in atemberaubender Präzision und Schnelligkeit gezündet. Phillips baut kleine, dichte rhythmische Kraftzentren auf, setzt sie mit rasenden Beats nebeneinander, treibt sie über rasender Beinarbeit nebeneinander her, bricht die Beats an den Fußbecken für Bruchteile von Sekunden, verteilt Nadelstiche auf Becken und HiHats – und entlädt alles in einer furiosen Explosion.
Dies sind meist in sich geschlossene Beatkompositionen, die eine oft atemberaubende Spannung haben. Aber eine immanente Spannung. Zu selten entsteht eine kompositorische Dramaturgie mit „seinen“drei Bandmitgliedern, anders formuliert: zu selten wird deren Können in ganzheitliche Spannungsbögen einbezogen.
Greg Howe setzt farbenreiche Riffs auf seiner Gitarre gegen die satten Beats, zieht melodische Linien in endlose Höhen, Otmaro Ruiz ist ein ebenso feingliedriger Melodiker am Keyboard, es gibt Momente, wenn sich die beiden wie ein Tanzpaar in ihren melodiösen Eskapaden begegnen und man endlich auch die wundervolle Kraft von Ernest Tibbs am Bass entdecken kann.
Elegisch, lyrisch, von freakiger Leichtigkeit
Eines dieser Stücke, in denen die drei ihre so ganz eigene Palette ausspielen konnten – elegisch, lyrisch, von freakiger Leichtigkeit, funky kantig und rockig – wenn Simon Phillips sich eine lange Passage raushält, und dann, ausnahmsweise, verspielt und spielerisch sich einklinkt.
Das lässt er leider zu selten geschehen. Zu oft dominiert er den Schluss der Stücke mit auf die Dauer doch sehr ähnlicher Massivität. Zu selten ist Phillips musikalischer Partner, lässt sich ungern auf ein Spiel mit Gleichen ein; behandelt seine drei exzellenten Bandmitglieder primär als Begleiter.
Als könnte jemand auch nur für einen Moment vergessen, dass er der größte aller Drummer auf dem Planeten ist, reißt er fast jedes Stück an sich. Ja, seine Technik, seine Musikalität ist ein Ereignis. Das beweist er in einem gigantischen Solo zum Ende des Konzerts. Doch über die Dauer eines Abends nutzt sich dies ab, und gelegentlich wäre weniger mehr gewesen.
Um zu „überleben“, retten sich Gitarre, Bass und Key in instrumentale Kraftakte, ohne die Subtilität, über die sie verfügten, es funkt und sprüht und knistert nichts mehr. Es bleibt zu oft akustische Massivität. Volle Dröhnung.