Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der „Hundeknochen“ist heute ein gefragter Oldtimer
Vor 50 Jahren stellte Ford den ersten Escort vor – Das Rennen gegen den später gestarteten VW Golf konnte er nicht gewinnen
KÖLN (dpa) - Der bislang erfolgreichste Ford in Europa feiert einen runden Geburtstag: Vor 50 Jahren erweiterte der Kölner Hersteller seine Modellpalette um den Escort und eroberte damit noch vor VW die Kompaktklasse. Denn während die Niedersachsen noch auf den Käfer mit Heckmotor und Hinterachsantrieb setzten, war der Escort schon nach neuem Vorbild mit dem Motor im Bug gebaut und entsprechend effizienter bei der Raumausbeute, selbst wenn auch weiterhin die Hinterräder angetrieben wurden. „Der Wagen wurde von innen nach außen entwickelt“, schrieb der Hersteller zur Pressepremiere im Dezember 1967: „Er bietet innen viel Platz und braucht außen wenig, kurz: Er ist kompakt und wendig, bequem und handlich.“
Spitzname für die Ewigkeit
Am Ende war es aber ein anderes Merkmal, mit dem sich die erste Generation in das kollektive PS-Gedächtnis einbrannte: Liebevoll mit einer Andeutung von Fließheck gezeichnet und selbst in der Basisversion mit ein paar schmucken Chromleisten ausgestattet, hatte der Escort MK 1 einen eigenwilligen Zierrahmen um die Scheinwerfer. Der erinnerte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“an einen „Hundeknochen“– und gab dem als Zwei- oder Viertürer sowie als zweitüriger Kombi lieferbaren Escort damit einen Spitznamen für die Ewigkeit.
Entwickelt wurde der Escort in Großbritannien, wo er eigentlich nur das Erfolgsmodell Anglia ablösen sollte. Doch dank des neu entdeckten Gemeinsinns der großen Ford-Familie und unter dem Druck der Konkurrenz von Opel sowie der aufstrebenden Importeure aus Italien und Frankreich nahmen sich auch die Kölner des Engländers an und entwickelten ihn zum ersten pan-europäischen Ford-Modell weiter.
„Viel Auto fürs Geld“
Dabei setzten sie – neben dem üppigen Platzangebot – vor allem auf einen niedrigen Preis. Denn bei einem Grundpreis von 5394,60 D-Mark bot der Escort „viel Auto fürs Geld“, wie es bei der offiziellen Premiere auf der Motorshow im Frühjahr 1968 in Brüssel hieß. Zum „echten Familienwagen“reichte das, doch als „sportlicher Flitzer für junge Leute“, wie ihn die Presseabteilung damals angekündigt hatte, konnte er sich anfangs nicht etablieren. Dafür waren die fünf Benziner mit 1,1 bis 1,3 Litern Hubraum und 40 bis 64 PS dann doch nicht stark genug. Und von attraktiven Fahrleistungen war der „Hundeknochen“mit maximal 150 km/h und Werten von bis zu 26,1 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h weit entfernt.
Der Escort hatte anfangs allerdings nicht nur mit überzogenen Versprechungen zu kämpfen, sondern zumindest in Deutschland auch mit einem schweren Start bei der Produktion. Denn während er in England schnell auf die Straße kam, stockte die Produktion des damals kleinsten Ford-Modells im neuen Werk in Saarlouis so heftig, dass angeblich rund 60 000 Vorbestellungen wieder storniert wurden.
Nachdem die Probleme im Werk im Saarland gelöst worden waren, zogen auch die Entwickler nach und erfüllten das Versprechen vom „sportlichen Flitzer für junge Leute“mit einem Rallye-Einsatz und vor allem mit dem Spitzenmodell RS 2000: Denn lange bevor man in Wolfsburg den GTI erfand, hatten sie den Escort auf 100 PS getunt und den mit seiner typischen Streifenlackierung besonders auffälligen Muskelprotz über 5000-mal verkauft. „Für damalige Verhältnisse eine schier unvorstellbare Stückzahl“, sagt Achim Gerstenmayer von der Ford-Sammlung. Die Sportmodelle oder gar die RallyeUmbauten sind heute stark gesucht.
Schlichtes Interieur
Doch für eine Zeitreise in die späten 1960er-Jahre taugt auch ein Standardmodell wie der 1300er aus der historischen Ford-Flotte in Köln. Erstens, weil man dem Geist von gestern auch mit 54 PS nachspüren kann, bei mäßiger Gangart viel mehr Muße hat für den Blick in das leere Cockpit und das schlichte Interieur einer Zeit, in der schon ein Radio Luxus war, und so außerdem nie in Versuchung kommt, das Blattfederfahrwerk an seine Grenzen zu bringen. Und zweitens, weil kaum eines der leistungsstärkeren Escort-Modelle die Sturm-und-Drang-Zeit ihrer ungestümen Fahrer überlebt hat.
Das macht gerade Autos wie den Testwagen zu gesuchten Oldtimern, sagt Gerstenmayer. Erst recht, wenn sie wie sein Schmuckstück mit Automatik ausgestattet sind. Weniger, weil sie besonders angenehm zu fahren sind. Sondern eher, weil diese Autos von Anfang an eher betulich benutzt wurden und sich prima dafür eignen, nachträglich in einen Rallye-Escort umgebaut zu werden. Und weil sie natürlich billiger sind, sagt Gerstenmayer: Während ein RS längst für 15 000 bis 20 000 Euro gehandelt werde, könne man einen normalen „Hundeknochen“in sehr gutem Zustand für etwa 6000 Euro bekommen, taxiert er den Markt. „Allerdings muss man erst einmal einen finden.“Denn nicht nur aus dem Straßenbild, sondern auch vom Sammler- und Liebhabermarkt sei der Escort mittlerweile fast verschwunden.
Dabei gilt er als dankbarer Oldtimer. Die Zeitschrift „Auto, Motor und Sport“jedenfalls rühmt ihn als „simpel, robust und langlebig“. Auch die gute Ersatzteilversorgung hilft. Sie fußt auf der extrem langen Laufzeit des Erstlings. Denn der MK II, der in Saarlouis ab 1974 nach gut zwei Millionen Exemplaren des MK 1 vom Band lief, war eigentlich nur ein großes Facelift, das unter dem Blech weitgehend die alte Technik nutzte.
Erst als 1980 die unter dem Codenamen „Erika“entwickelte dritte Generation startete, war das wirklich ein komplett neues Auto mit Frontantrieb und Einzelradaufhängung auch im Heck, genau wie zehn Jahre später der Escort MK IV. Zwar behauptete sich der Escort tapfer in der boomenden Kompaktklasse und avancierte mit vier Generationen und mehr als zehn Millionen Verkäufen zum bis heute erfolgreichsten Ford-Modell in Europa. Doch das Rennen gegen den später gestarteten VW Golf konnte er nicht gewinnen. Weder bei den Stückzahlen, noch bei der Laufzeit.
Wobei Ford zumindest die letzte Disziplin freiwillig verloren gab. Denn als Ford 1998 den Nachfolger für den Escort MK IV enthüllte, hieß der Kölner Kompakte nach 41 Jahren plötzlich nicht mehr Escort, sondern Focus.