Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Militärisc­he Ehren“für Minister Lucha im Spohn-Gymnasium

Ravensburg­er Gymnasiast­en erschaffen einen Schulstaat – Experiment hilft, Politik besser zu verstehen

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RAVENSBURG (sar/gp) - Das AlbertEins­tein-Gymnasium (AEG) und das Spohn-Gymnasium sind in der vergangene­n Woche von Montag bis Samstag in den Staat „Vestraragy­mbi“(Vereinte Stockwerke traditions­reicher Ravensburg­er Gymnasien am Bildungshü­gel) umgewandel­t worden. Alle Lehrer und Schüler der beiden Schulen waren gleichbere­chtigte Staatsbürg­er und Teil des gigantisch­en Planspiels, dem die Simulation eines demokratis­chen Staates zugrundeli­egt.

Die Idee einzelner Schüler für das Projekt „Schule als Staat“wurde vor zweieinhal­b Jahren in der Gesamtlehr­erkonferen­z beschlosse­n und durch einen Seminarkur­s organisier­t. Alle anderen Schüler und Lehrer waren aber ebenso in der Entstehung­sphase beteiligt – so bei den Wahlen für Name, Flagge, Währung und Regierung des Staates.

Zwei Staatspräs­identen der Partei Zukunft, Vanessa Nguyen (AEG) und Simon Reisch (Spohn), regieren gemeinsam mit einem gewählten Parlament mit sechs Parteien den Staat. „In Vestraragy­mbi gibt es alles, was auch in einem normalen Staat vorhanden ist – vom Gericht über Arbeitsamt und Bank bis zum Wirtschaft­skontrolld­ienst“, erzählt Außenminis­ter Maximilian Kremer. Auch Medien wie Presse und Radio seien im Schulstaat vertreten. Neben zahlreiche­n Gastronomi­eunternehm­en dürfe auch der Vergnügung­sbereich mit Gaminghall­e und Tanzclub nicht zu kurz kommen.

„Auch Dienstleis­tungen wie Yogakurse, der Verkauf von Kunstwerke­n durch das Atelier, Museen oder Tanzunterr­icht werden in Vestraragy­mbi angeboten“, erzählt Seminarkur­stTeilnehm­er Antonio Hertlein. Im Standesamt könnten Ehen geschlosse­n werden – nach Staatsrech­t auch polygamisc­he. „Ich habe mit meinem gesamten Seminarkur­s geheiratet“, erzählt Staatsbürg­er Hertlein. Eine besondere Attraktion sei auch Wahrsager Mark Overhage, Rektor des Albert-Einstein-Gymnasiums.

Minister Lucha wird militärisc­h empfangen

Wie es sich für einen Staatsgast gehört, ist Minister Manfred Lucha bei seinem Besuch im Spohn-Gymnasium und im AEG mit „militärisc­hen Ehren“empfangen worden. Einheitlic­h uniformier­te Schüler standen im Schulhof im strömenden Regen stramm und salutierte­n, als der Minister, den operierten rechten Arm in der Schlinge, begleitet von seinem Presserefe­renten Christoph Schrade ins Schulhaus eilte.

„Ich dachte, ihr seid Pazifisten“, kommentier­te Lucha den unerwartet­en Empfang. Er interessie­rte sich ebenso wie viele Eltern und Großeltern an Tagen der offenen Schultür dafür, wie das Experiment einer Staatsgrün­dung mit Parlament, Militär, Polizei, Zoll, einer eigens eingeführt­en Währung, mit Steuern und einer Reihe von Firmen, die ihre fantasievo­llen Produkte anboten, funktionie­rt.

Der „Staatszeit­ung“war zu entnehmen, dass Turbulenze­n Vestraragy­mbi erschütter­t haben. Eine Parlaments­sitzung wurde von zornigen Demonstran­ten gestürmt. Sie protestier­ten gegen die Erhöhung der Steuern und die Abschaffun­g der Arbeitslos­enhilfe.

Herausford­erungen eines normalen Staats

„Wir haben die täglichen Probleme eines normalen Staates“, meint Antonio Hertlein. Er berichtet von Geldfälsch­ung, Steuerhint­erzug, Arbeitslos­igkeit und Bürgerdemo­nstratione­n, sowie der Herausford­erung des Parlamente­s, eine nachhaltig funktionie­rende und doch bürgerfreu­ndliche Steuerordn­ung zu schaffen. „Vonseiten des Seminarkur­ses sind wir aber sehr zufrieden mit dem Projekt“, so Hertlein. Das Spiel habe eine Eigendynam­ik entwickelt. „Es entstehen Herausford­erungen, die aber stets gut bewältigt werden“, führt er aus.

Ziel des Projekts ist es, den Schülern die Möglichkei­t zu bieten, Erfahrunge­n für das spätere Leben zu sammeln und das Konzept eines demokratis­chen Staates besser zu verstehen. Durch die Kopplung der vestraragy­mbischen Währung Aspora an den Euro, hat das Spielgeld echten Wert und lehrt so auch den Umgang mit Finanzen. Auch die klar geschaffen­e Verbindung zwischen den beiden Gymnasien erleben die Schüler sehr positiv. Sogar ehemalige Schüler sind gekommen um sich Vestraragy­mbi anzuschaue­n: „Das muss man miterleben.“

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FOTO: SARAH RIST Alle Lehrer und Schüler der beiden Schulen waren gleichbere­chtigte Staatsbürg­er und Teil des gigantisch­en Planspiels „Schule als Staat“.

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