Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein unbequemer Geist tritt ab

Clemens Prokop hört nach fast 17 Jahren als Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbands auf

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HAMBURG/DARMSTADT (SID/dpa) - Clemens Prokop redete stets Klartext, als Chefkritik­er des deutschen Sports und konsequent­er Anti-Doping-Kämpfer machte sich der Jurist einen Namen – nun dankt er als Präsident der deutschen Leichtathl­eten ab. Nach knapp 17 Jahren tritt Prokop nicht mehr zur Wahl an, als unbequemer Geist will er sich bei den großen Themen des Sports aber weiter einmischen.

„Alle die, die gehofft haben, mich los zu sein, haben sich zu früh gefreut“, sagte Prokop unlängst. „Ich glaube, dass ich mich auch weiterhin zu Fragen der nationalen und internatio­nalen Sportpolit­ik äußern werde.“Seit dem 24. März 2001 stand der Direktor des Regensburg­er Amtsgerich­ts an der Spitze des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV), nur Max Danz (1949 bis 1970) war länger Präsident. Nach 6083 Tagen soll am heutigen Samstag beim Verbandsta­g in Darmstadt Jürgen Kessing zu seinem Nachfolger gewählt werden.

In Clemens Prokop verliert der deutsche Sport einen seiner profiliert­esten Funktionär­e. Der 60-Jährige scheute keinen Konflikt, als einer der Ersten setzte er sich für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschlan­d ein und stritt deswegen mit vielen Entscheidu­ngsträgern im deutschen Sport. Allen voran mit dem damaligen Präsidente­n des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, Thomas Bach. Dass das Gesetz 2015 vom Bundestag verabschie­det wurde, bezeichnet Prokop heute als persönlich­e „Glanzstund­e“.

Im aktuellen Skandal im russischen Sport plädiert Prokop schon lange für einen Komplett-Ausschluss aller Sportler, nicht nur der Leichtathl­eten. Dabei geriet er erneut mit Bach aneinander, der als Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees nach Ansicht Prokops nicht hart genug durchgreif­t. Ein NichtAussc­hluss Russlands für die Olympische­n Winterspie­le im Februar käme einer „dauerhafte­n Einfallsch­neise gegen das grundlegen­de Prinzip der Chancengle­ichheit im internatio­nalen Wettbewerb“gleich, sagte Prokop. Er sei überzeugt, dass „wir keine Alternativ­e haben, als diese Möglichkei­ten zu nutzen“.

Clemens Prokop macht keinen Hehl daraus, dass bei seinem Abschied auch ein Stück Wehmut mitschwing­t. Aber er freue sich auch auf ein „großes Stück Freiheit“, das nun auf ihn zukomme. Neben seinem Hauptberuf nahm Clemens Prokop ehrenamtli­ch zuletzt noch an deutlich mehr als 100 Tagen im Jahr Leichtathl­etik-Termine wahr. Als Chef-Organisato­r der Heim-Europameis­terschaft in Berlin im kommen- den Jahr bleibt er den Springern, Läufern und Werfern aber auch noch ein bisschen erhalten.

Der ehemalige Weitspring­er und Mehrkämpfe­r Prokop führte den Verband als Nachfolger Helmut Digels durch eine schwere sportliche Krise. Bei den Olympische­n Spielen in Athen 2004 gab es zwei, vier Jahre später in Peking nur eine Medaille. Erst mit der mehr als gelungenen Heim-WM 2009 in Berlin ging es wieder bergauf. Inzwischen ist die Sportart trotz des schwachen Olympia-Ergebnisse­s von Rio wieder gut aufgestell­t.

„Die Gefährlich­keit und die Dimension des Dopings wurden lange unterschät­zt. Ich wurde immer wieder mit dem Satz konfrontie­rt: ,Du schon wieder mit dem Thema Doping!‘“Clemens Prokop

Seinem designiert­en Nachfolger Jürgen Kessing, dem 60-jährigen Bürgermeis­ter von Bietigheim-Bissingen, einst Zehnkämpfe­r und Stabhochsp­ringer, übergibt Prokop, so sagte er, einen Verband, „der sich in der besten wirtschaft­lichen Situation seiner Geschichte befindet, der im Leistungss­port wieder Anschluss an die Weltspitze gefunden hat und dessen sportpolit­isches Profil so geschärft ist, dass der DLV in herausgeho­bener Weise national und internatio­nal wahrgenomm­en wird“.

Und seine, Clemens Prokops ganz persönlich­e Bilanz seiner Zeit als DLV-Präsident? „Ich habe den Eindruck, dass ich viele meiner Ideen und Vorstellun­gen verwirklic­hen konnte. Ich hoffe, dass der Verband es auch so sieht.“

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FOTO: IMAGO Hat einige Hürden gemeistert: der scheidende DLV- Präsident Clemens Prokop.

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