Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Verpflichtender Unterricht ist pädagogisch verheerend“
Die Forderung nach einem „verpflichtenden Religionsunterricht“für alle muslimischen Schülerinnen und Schüler, die Professor Hibaoui erhebt, ist integrationspolitisch töricht, pädagogisch verheerend und offenbart ein sehr bedenkliches Verständnis vom deutschen Verfassungsrecht: Moderne, liberale Gesellschaften zeichnen sich durch eine Trennung von Kirche und Staat aus, nur in einem „Gottesstaat“kann es einen verpflichtenden Religionsunterricht geben, in Deutschland bestimmen daher mit gutem Grund die Erziehungsberechtigten über die Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht (GG. Art. 7.2). Eine Regelung, die dies aufheben wollte, wäre ein Schritt zurück in die Voraufklärung. Als Schutz vor religiösem Fundamentalismus taugt ein islamischer Religionsunterricht, wie Professor Hibaoui meint, gewiss nicht: Ein Blick in die entsprechenden Lehrpläne für den islamischen Religionsunterricht zeigt, dass diese sich in keiner Weise mit dem Fundamentalismus auseinandersetzen, vielmehr einzig dem Zweck dienen, die religiöse Identität der muslimischen Kinder und Jugendlichen zu stärken. Pädagogisch sinnvoll ist eine Diaspora-Mentalität, die auf diese Weise gestärkt und gefördert wird, gewiss nicht.
Und der Integration dient ein separierender Religionsunterricht ohnehin nicht: Er bestärkt die Kinder und Jugendlichen nur in ihrem Eindruck des Anders-Seins. Pädagogisch sinnvoll und integrationspolitisch klug ist daher einzig eine verpflichtende Teilnahme aller muslimischen Schülerinnen und Schüler am bekenntnisfreien und weltanschaulich neutralen Ethikunterricht. Nur hier lernen alle gemeinsam, was sie verbindet und was sie trennt. Wer Integration will, will Ethikunterricht für alle. Klaus Goergen, Waldburg