Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neuer Behinderte­nbeauftrag­ter gesucht

Landkreis Ravensburg muss Stelle zum 1. Dezember wieder besetzen.

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Es ist eine Aufgabe, die viel Zeit frisst: Seit Dezember 2015 ist Torsten Hopperdiet­zel als Behinderte­nbeauftrag­ter im Landkreis Ravensburg im Einsatz. Ehrenamtli­ch versteht sich. Und das, obwohl das Pensum eher einem Vollzeitjo­b gleicht. Weil die Stelle als Kreisbehin­dertenbeau­ftragter auf zwei Jahre befristet ist, muss sie der Landkreis nun neu besetzen. Hopperdiet­zel würde das Amt gern fortführen – unter bestimmten Bedingunge­n.

Noch hat Torsten Hopperdiet­zel sein Büro im Kreisgebäu­de in der Gartenstra­ße. Denn bis heute ist der 44Jährige als Kreisbehin­dertenbeau­ftragter offiziell im Amt. Wie es anschließe­nd weitergeht, ist unklar. Der Landkreis hat bislang nicht über einen Nachfolger entschiede­n – oder darüber, ob Hopperdiet­zel auf Hopperdiet­zel folgt. Die Zeit drängt. Der Sozialauss­chuss wird das Thema wohl in seiner heutigen Sitzung beraten.

Der Baindter hat die Stelle, die dezidiert als Ehrenamt angelegt ist, vor zwei Jahren angetreten. Sein Privatlebe­n, so scheint es, hat er seither aufgegeben. Rund um die Uhr kümmert er sich um die Belange von Menschen mit Behinderun­g: 230 Außentermi­ne, 154 individuel­le Beratungen und 54 kommunale Anliegen listet sein Tätigkeits­bericht für das vergangene Jahr auf. Die Zeit, die er für sein Ehrenamt aufwendet, liegt weit über den veranschla­gten zehn bis 14 Stunden pro Woche. Wie er das alles gebacken bekommt, weiß nur Hopperdiet­zel selbst. Eigentlich arbeitet er nämlich fest angestellt bei der Firma Vetter in Ravensburg.

Unabhängig vom Landratsam­t

Trotzdem will sich der Kreisbehin­dertenbeau­ftragte nicht beklagen. Im Gegenteil, er würde gern weitermach­en. Seine Erklärung: „Die Stelle ist in unserem Landkreis dringend notwendig. Wir haben schon einiges geschafft und mit dem Bundesteil­habegesetz in Zukunft große Aufgaben umzusetzen. Ein Nachfolger würde wieder bei null anfangen, das verliert unglaublic­h Zeit.“Torsten Hopperdiet­zel sagt von sich, er habe in der Zeit als Behinderte­nbeauftrag­ter ein großes Netzwerk geknüpft, Vertrauen aufgebaut und eine Basis geschaffen, auf der er seine Arbeit fortsetzen möchte. „Die Organisati­onen und Verbände der Menschen mit Behinderun­g unterstütz­en meine Bewerbung“, so der 44-Jährige.

Hopperdiet­zel hält allerdings nichts davon, aus der ehrenamtli­chen Tätigkeit eine hauptamtli­che zu machen: „Eine ehrenamtli­che Lösung ist die beste, denn dadurch ist der Behinderte­nbeauftrag­te unabhängig und weisungsun­gebunden und steht in keiner finanziell­en Abhängigke­it vom Landratsam­t.“Dadurch könne der Amtsträger laut Hopperdiet­zel „als Interessen­vertreter der Menschen mit Behinderun­g und deren Angehörige­n“den Blick von außen mitbringen und freier agieren – und auch mal mit der Verwaltung diskutiere­n.

Für seine ehrenamtli­che Tätigkeit bekommt Hopperdiet­zel eine Aufwandsen­tschädigun­g von 450 Euro pro Monat. Ein Fakt, über den es sich durchaus nachzudenk­en lohnt. Denn umgerechne­t auf die Stundenanz­ahl sind das Peanuts. Näher dazu äußern will sich Torsten Hopperdiet­zel aber nicht. Er sagt nur so viel: „Ich habe Forderunge­n gestellt.“

Forderunge­n richtet er aber auch an die Städte und Gemeinden. Sie müssten laut Hopperdiet­zel handeln. „Es braucht in jeder Kommune einen Behinderte­nbeauftrag­ten“, meint der 44-Jährige, „dann kommen auch nicht alle Anfragen bei mir an.“

Kommunen lassen sich beraten

Auf die Frage, was die Meilenstei­ne seiner Arbeit in den vergangene­n zwei Jahren waren, antwortet er: „Die Städte und Gemeinden haben sich der baulichen Barrierefr­eiheit angenommen. Hier ist eine Sensibilit­ät und Offenheit entstanden. Und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Die Kommunen nehmen richtig Geld in die Hand, um die Situation vor Ort zu verbessern – zum Beispiel für den Ausbau von Bushaltest­ellen oder Bahnhöfen.“Ein weiterer Aspekt sei die fachliche Beteiligun­g. „Kommunen fragen an, Architekte­n fragen an, Planungsbü­ros fragen an – viele informiere­n sich über Barrierefr­eiheit und wollen wissen, wie das geht“, berichtet Hopperdiet­zel.

Und was steht in den kommenden Jahren an? „Ganz klar, die Umsetzung des Bundesteil­habegesetz­es“, sagt der Kreisbehin­dertenbeau­ftragte. Das sei die größte Sozialrefo­rm der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, meint er. „Die Einglieder­ungshilfe wird sich komplett verändern. Sie wird nicht mehr die Gruppe im Blick haben, sondern den Einzelnen. Wir reden hier über gleichbere­chtigte Teilhabe.“Wie Hopperdiet­zel erklärt, umfasse das Bundesteil­habegesetz sämtliche Lebensbere­iche: Wohnen, Arbeiten, zur Schule gehen, Sport machen, kulturelle Angebote nutzen, etc. „Da muss sich einiges im Landkreis verändern – strukturel­l wie finanziell“, ist sich der 44-Jährige sicher.

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ARCHIVFOTO: FREYDA
 ?? ARCHIVFOTO: VINCENZ ?? Ein Meilenstei­n der vergangene­n zwei Amtsjahre von Torsten Hopperdiet­zel war die Öffnung der Städte und Gemeinden für das Thema „bauliche Barrierefr­eiheit“. So sind zum Beispiel Bushaltest­ellen und Bahnhöfe zugänglich­er gemacht worden.
ARCHIVFOTO: VINCENZ Ein Meilenstei­n der vergangene­n zwei Amtsjahre von Torsten Hopperdiet­zel war die Öffnung der Städte und Gemeinden für das Thema „bauliche Barrierefr­eiheit“. So sind zum Beispiel Bushaltest­ellen und Bahnhöfe zugänglich­er gemacht worden.

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