Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verklärter Blick zurück
„Wim Wenders: Sofort Bilder“: Frühe Polaroidfotos des Regisseurs
Wim Wenders kennt man vor allem als Regisseur von Filmen wie „Paris, Texas“oder „Buena Vista Social Club“. Weniger geläufig dürfte den meisten das fotografische Werk des gebürtigen Düsseldorfers sein. Im Bildband „Wim Wenders: Sofort Bilder“sind Polaroids aus den 1960er-, 1970erund 1980er-Jahren zusammengetragen – und die Geschichten dazu.
Zu sehen sind Bilder von Wenders’ erster Reise nach New York, bei der der damals junge Filmemacher über die gigantischen Wolkenkratzer ebenso staunt wie über die Suppendosen im Supermarkt, die Andy Warhol für seine Pop-Art in Szene setzte. Der Leser erfährt viel Biografisches, auch über Freunde von Wenders wie den Schriftsteller Peter Handke. Sieben Fotos stammen nicht von Wenders selbst: Starfotografin Annie Leibovitz steuerte Fotos einer gemeinsamen Reise von San Francisco nach Los Angeles 1973 bei.
Die Polaroid-Sammlung ist ein nostalgisches Plädoyer für den Moment. Für Wenders sind Polaroids das „letzte Aufbäumen einer Zeit“, wie er in einem weit ausholenden Eingangswort schreibt. „Wir hatten damals nichts als Zutrauen in die Dinge“, erzählt er. Heute sei die Idee von Einmaligkeit den Bach herunter. „In ihrer felsenfesten und grundsoliden Präsenz als Einzelobjekte stellen diese Bilder ein Gegenmittel zum heutigen Bildermachen dar, auf Smartphones oder anderen elektronischen Geräten, auch zum Teilen via Internet, Instagram, WhatsApp, Facebook.“
Nostalgische Aufmachung
Soziale Medien sieht Wenders kritisch. Er spricht von Entfremdung und Abhängigkeit. Auch mit dem Selfie-Wahn und der permanenten Bilderflut im Netz geht er hart ins Gericht. Seine berechtigte Frage: „Können wir überhaupt noch in Ruhe etwas gucken, ohne davon gleich ein Bild oder ein Video zu machen?“ ANZEIGEN
Nostalgisch wirkt auch die grafische Aufmachung: Die im Plauderton verfassten Anekdoten dazu sehen aus, wie mit der Schreibmaschine getippt. Der Look der Fotos ist fantastisch ungewohnt, manche Bilder wirken unscharf, die Farben sind nicht so intensiv, wie man sie heute gewohnt ist. Doch genau darin liegt der Reiz, weil sie uns auch etwas über die Zeit, in der sie gemacht wurden, erzählen. Ein hemmungslos rückwärtsgewandtes Buch – aber in Zeiten wie diesen kann ein wenig Eskapismus nicht schaden.
Wim Wenders: Sofort Bilder.
403 Polaroids und die Geschichten dazu. Schirmer/Mosel Verlag. 320 Seiten. 49,80 Euro.
Noch bis 11. Februar 2018 läuft eine Ausstellung in der Photographer’s Gallery London. Sie ist danach im Ausstellungshaus C/O Berlin zu sehen.