Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Literarische Einblicke der spannenden Art
Håkan Nesser und Dietmar Bär zu Gast bei Ravensbuch
RAVENSBURG - Der Schwörsaal war voll besetzt zur Lesung von Ravensbuch mit dem schwedischen Autor Håkan Nesser und dem Schauspieler Dietmar Bär. Ebenso wichtig ist in diesem von Dietmar Bär titulierten „Dreamteam“allerdings die Moderatorin Margarete von Schwarzkopf, die so geistesgegenwärtig zwischen der Vehikelsprache Englisch und Deutsch hin- und herswitcht, dass es eine anregende Freude ist. Denn Schwedisch haben die beiden Deutschen bisher, trotz der seit zwölf Jahren dauernden Zusammenarbeit mit Håkan Nesser, noch nicht gelernt, gestehen sie freimütig.
Also geht es zunächst einmal um Sprachen im schwäbischen Ravensburg. Nesser, der den ja nicht kleinen Bär um Kopflänge überragt, ist jemand, der in einem ziemlich unbewegten Gesicht schon in den Augenwinkeln so viel freundliche (Selbst-) Ironie tragen kann, dass der Zuhörer sofort in seinen Bann gerät.
Wärme in der schönen Stimme und ein weich gerolltes R
Und außerdem spricht er – nach eigenen Worten – den „ugliest Swedish dialect" und deshalb lieber akzentfrei Englisch. Wenn er dann aber vorliest, auf Schwedisch, dann ist da eine solche Wärme in der schönen Stimme und ein weich gerolltes R, dass man gerne weiter zuhören würde, auch wenn man kein Wort versteht. Aber dafür ist ja Dietmar Bär da, der im Übrigen, ohne dass davon hier viel die Rede ist, nicht nur als Theaterschauspieler, sondern auch als Sprecher von inzwischen mehr als 50 Hörbüchern tätig ist. Mit Nesser verbindet ihn seit dem Göttinger Literaturherbst 2006 eine freundschaftliche Beziehung, welche die Moderatorin Margarete von Schwarzkopf einschließt, die an diesem Abend immer wieder für die humorvoll-informative Befragung von Nesser und Bär zuständig war.
Aber es ging ja um Nessers neuestes Buch mit dem Titel „Der Fall Kallmann“, der in Schwedisch übrigens „Kallmanns Augen“heißt, was viel mehr über den Inhalt aussagt als der deutsche Titel. Nesser hat in 30 Jahren 30 Romane geschrieben, ein großer Teil sind Krimis und Krimifolgen mit Kommissar Van Veeteren oder Inspektor Barbarotti, der im nächsten Jahr vermutlich noch einen weiteren Band erhält.
Und es ist einiges in der Pipeline, so werden 2018 auch drei Filme herauskommen, einer unter dem Titel „Tod eines Autors“mit Ben Kingsley und Benno Führmann in den Hauptrollen. Zurück zum neuen Buch: Es ist ein Roman mit Elementen eines Krimis und mit vielen Reflexionen über Träume, Natur und Tod.
Die Hauptfigur Leon Berger, ein deutscher Lehrer, verlässt in den 90er-Jahren Stockholm nach dem Verlust von Frau und Tochter, die bei einem Fährunglück ums Leben gekommen sind, um in dem kleinen Ort K. (wie der Heimatort Kumla des Autors) ein neues Leben zu beginnen. Er ist eine der sieben Figuren des Romans, die alle aus der Ich-Perspektive erzählen – ein bei Nesser völlig neues Verfahren. Kallmann jedoch ist der tote Lehrer, dessen Stelle Berger einnimmt, der beim Aufräumen des Kollegenschreibtischs auf ein Verbrechen stößt.
Die hintergründig lakonische Sprache von Nesser, welche die Zuhörer im Schwörsaal oft erheiterte, wusste Dietmar Bär in zwei männliche und drei weibliche „Stimmfarben“kongenial zu übersetzen. Und so auch ganz nebenbei einiges zu seinen literarischen Vorlieben und zu seinem Berufsverständnis wie „Man muss eine Haltung haben bei allem, was man sagt“zu bemerken. Nesser empfahl dem Publikum, wieder mit einem leisen Lächeln, das Buch als „nicht so kompliziert“zu betrachten – ein freundlicher Rat, denn literarische Qualität und Spannung sind in jedem Fall garantiert.