Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fusion, nicht Übernahme
Vorstände der Volksbank Ravensburg-Weingarten ziehen nach Fusion erste Bilanz – Kleineren Filialen auf dem Land droht Schließung
Vorstände der neuen Volksbank sehen sich schon als Weingartener.
WEINGARTEN - Rund fünf Monate nach der Fusion der Volksbank Weingarten mit der Volksbank Ravensburg ziehen die Verantwortlichen eine positive Bilanz. Im Großen und Ganzen habe alles gut geklappt. Während sich die Vorstände Arnold Miller, Rainer Widemann und Bernd Obrist zum Ausscheiden der beiden Weingartener Vorstände Wilfried Deyle und Michael Buck nicht äußern wollen, versichern sie jedoch, dass Weingarten damit nicht schlechter dastehe und von einer Übernahme keine Rede sein könne. Vielmehr sei das Angebot für die Kunden nun noch vielfältiger. Und das brauche es auch. Schließlich müsse man sich den großen Herausforderungen der nahen Zukunft stellen. Das könnte mittelfristig auch die Schließung von kleineren Filialen bedeuten. Weingarten wäre davon aber wohl nicht betroffen.
Anpassung der Öffnungszeiten
„Wir werden doch nicht unser größtes Potenzial im gewerblichen und Privatkundenbereich eliminieren. Weingarten ist für uns ein extrem interessanter Markt“, sagt Vorstandssprecher Arnold Miller. Vielmehr gebe es einige kleinere Filialen in ländlicheren Gebieten, welche stündlich nur von zwei Kunden besucht würden. Das könne man so nicht belassen, auch wenn es aktuell keine Überlegungen oder gar Beschlussfassungen gebe, einen Standort zu schließen. Allerdings: „Jeder Banker, der in einer Regionalbank sitzt, muss heute sagen: Es wird sicher zu Korrekturen bei den Standorten kommen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt Miller.
Ohnehin könne man heutzutage schon 70 bis 80 Prozent der Bankgeschäfte am Automaten machen. Viele Kunden würden die Filialen gar nur noch zum Geldabheben aufsuchen, meint Miller: „Die Frage der Standorte ist nicht mehr so kriegsentscheidend.“Daher werde es wohl irgendwann auch zu veränderten Öffnungszeiten kommen. Diese werde man dem Kundenbedarf entsprechend anpassen. Doch betont der Vorstandssprecher auch, dass die Beratungszeiten künftig noch flexibler gehandhabt werden sollen. Dafür müsse man aber nicht die ganze Filiale öffnen. Vielmehr gelte es individuell auf den Kunden einzugehen. Und das gilt nicht nur für den zeitlichen Faktor. Auch inhaltlich müsse man sich den veränderten Begebenheiten anpassen. „Die Veränderungen kommen mit massiver Macht. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Die Bankenwelt von heute gibt es in fünf oder zehn Jahren nicht mehr“, sagt Miller.
Maßgeblich sei dabei vor allem die Digitalisierung. „Wir wissen genau: Das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Das ist nicht aufhaltbar. Das ganze Digitalisierungsthema überrollt uns so brachial“, sagt Miller. Daher sollen die fusionierten Volksbanken zwar einerseits digitaler werden, anderseits aber die Kundenberatung in Finanzfragen ausgebaut werden. „Kein Mensch blickt bei seiner finanziellen Situation durch“, sagt Miller, der voll auf Spezialisten setzt. Schon jetzt sind die Hälfte der 186 Mitarbeiter in der Beratung tätig. Deren Anzahl soll noch weiter aufgebaut werden. „Wir bieten noch Menschen als Ansprechpartner“, sagt Rainer Widemann.
Fusion, nicht Übernahme
Teil der Strategie sei es, an die Menschen heranzukommen. So auch bei der jüngsten Genossenschaftsversammlung in Weingarten, bei der laut Miller 700 bis 800 Kunden waren. „Am Fusionsprozess gab es in der Summe keine Kritik, erklärt Miller, auch wenn es gewisse Rückfragen gegeben habe. Den Glauben an eine vermeintliche Übernahme der Weingartener Bank durch Ravensburg bekäme man bei manchen Weingartenern eben nur schwer weg, so der Vorstandssprecher. „Die Sorge vom Geschlucktwerden ist völlig irrelevant“, sagt er. „Wir sind heute eine gemeinsame Bank. Niemand denkt in unterschiedlichen Räumen und Märkten.“
Dennoch können Miller, Widemann und Obrist auch in gewissen Teilen nachvollziehen, dass das Ausscheiden von beiden Weingartener Vorständen Deyle und Buck etwas kritisch gesehen werden könne. „Das war nicht geplant. Die ersten Entscheidungen wurden schon vor der Fusion getroffen, und wir saßen bei diesen Entscheidungen nicht mit am Tisch“, sagt Miller und deutet an, dass die Personalien vor allem Thema der Volksbank Weingarten gewesen sein soll. Mehr möchte er nicht zu dem Thema sagen.
Zum Hintergrund: Ursprünglich hätte der neue gemeinsame Vorstand aus Miller und Widemann auf Ravensburger und Buck und Deyle auf Weingartener Seite bestehen sollen. Denn Bernd Obrist wird ohnehin im kommenden Jahr altersbedingt ausscheiden. Doch teilte die Volksbank erst Ende März mit, dass Deyle ausgeschieden sei. Ende Juli, also nach der vollzogenen Fusion, wurde dann bekannt, dass auch Michael Buck nicht in den Vorstand berufen wird und die VR-Bank verlässt. Daher setzt sich der Vorstand nach der Fusion nur noch aus den ehemaligen Ravensburger Vorständen zusammen. Für Miller aber absolut kein Problem: „Ich fühle mich mindestens so als Weingartener Vorstand wie alle, die schon einmal im Amt waren. Ich kenne hier Gott und die Welt. Ich behaupte heute schon, dass ich ein Weingartener Vorstand bin“, sagt er. „Da sitzen nicht irgendwelche Buhmänner von Ravensburg am Tisch, weder in Vorstand noch Aufsichtsrat. Wir werden jetzt mit einer großen Geschlossenheit nach vorne marschieren.“