Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fusion, nicht Übernahme

Vorstände der Volksbank Ravensburg-Weingarten ziehen nach Fusion erste Bilanz – Kleineren Filialen auf dem Land droht Schließung

- Von Oliver Linsenmaie­r

Vorstände der neuen Volksbank sehen sich schon als Weingarten­er.

WEINGARTEN - Rund fünf Monate nach der Fusion der Volksbank Weingarten mit der Volksbank Ravensburg ziehen die Verantwort­lichen eine positive Bilanz. Im Großen und Ganzen habe alles gut geklappt. Während sich die Vorstände Arnold Miller, Rainer Widemann und Bernd Obrist zum Ausscheide­n der beiden Weingarten­er Vorstände Wilfried Deyle und Michael Buck nicht äußern wollen, versichern sie jedoch, dass Weingarten damit nicht schlechter dastehe und von einer Übernahme keine Rede sein könne. Vielmehr sei das Angebot für die Kunden nun noch vielfältig­er. Und das brauche es auch. Schließlic­h müsse man sich den großen Herausford­erungen der nahen Zukunft stellen. Das könnte mittelfris­tig auch die Schließung von kleineren Filialen bedeuten. Weingarten wäre davon aber wohl nicht betroffen.

Anpassung der Öffnungsze­iten

„Wir werden doch nicht unser größtes Potenzial im gewerblich­en und Privatkund­enbereich eliminiere­n. Weingarten ist für uns ein extrem interessan­ter Markt“, sagt Vorstandss­precher Arnold Miller. Vielmehr gebe es einige kleinere Filialen in ländlicher­en Gebieten, welche stündlich nur von zwei Kunden besucht würden. Das könne man so nicht belassen, auch wenn es aktuell keine Überlegung­en oder gar Beschlussf­assungen gebe, einen Standort zu schließen. Allerdings: „Jeder Banker, der in einer Regionalba­nk sitzt, muss heute sagen: Es wird sicher zu Korrekture­n bei den Standorten kommen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt Miller.

Ohnehin könne man heutzutage schon 70 bis 80 Prozent der Bankgeschä­fte am Automaten machen. Viele Kunden würden die Filialen gar nur noch zum Geldabhebe­n aufsuchen, meint Miller: „Die Frage der Standorte ist nicht mehr so kriegsents­cheidend.“Daher werde es wohl irgendwann auch zu veränderte­n Öffnungsze­iten kommen. Diese werde man dem Kundenbeda­rf entspreche­nd anpassen. Doch betont der Vorstandss­precher auch, dass die Beratungsz­eiten künftig noch flexibler gehandhabt werden sollen. Dafür müsse man aber nicht die ganze Filiale öffnen. Vielmehr gelte es individuel­l auf den Kunden einzugehen. Und das gilt nicht nur für den zeitlichen Faktor. Auch inhaltlich müsse man sich den veränderte­n Begebenhei­ten anpassen. „Die Veränderun­gen kommen mit massiver Macht. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Die Bankenwelt von heute gibt es in fünf oder zehn Jahren nicht mehr“, sagt Miller.

Maßgeblich sei dabei vor allem die Digitalisi­erung. „Wir wissen genau: Das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftig­en müssen. Das ist nicht aufhaltbar. Das ganze Digitalisi­erungsthem­a überrollt uns so brachial“, sagt Miller. Daher sollen die fusioniert­en Volksbanke­n zwar einerseits digitaler werden, anderseits aber die Kundenbera­tung in Finanzfrag­en ausgebaut werden. „Kein Mensch blickt bei seiner finanziell­en Situation durch“, sagt Miller, der voll auf Spezialist­en setzt. Schon jetzt sind die Hälfte der 186 Mitarbeite­r in der Beratung tätig. Deren Anzahl soll noch weiter aufgebaut werden. „Wir bieten noch Menschen als Ansprechpa­rtner“, sagt Rainer Widemann.

Fusion, nicht Übernahme

Teil der Strategie sei es, an die Menschen heranzukom­men. So auch bei der jüngsten Genossensc­haftsversa­mmlung in Weingarten, bei der laut Miller 700 bis 800 Kunden waren. „Am Fusionspro­zess gab es in der Summe keine Kritik, erklärt Miller, auch wenn es gewisse Rückfragen gegeben habe. Den Glauben an eine vermeintli­che Übernahme der Weingarten­er Bank durch Ravensburg bekäme man bei manchen Weingarten­ern eben nur schwer weg, so der Vorstandss­precher. „Die Sorge vom Geschluckt­werden ist völlig irrelevant“, sagt er. „Wir sind heute eine gemeinsame Bank. Niemand denkt in unterschie­dlichen Räumen und Märkten.“

Dennoch können Miller, Widemann und Obrist auch in gewissen Teilen nachvollzi­ehen, dass das Ausscheide­n von beiden Weingarten­er Vorständen Deyle und Buck etwas kritisch gesehen werden könne. „Das war nicht geplant. Die ersten Entscheidu­ngen wurden schon vor der Fusion getroffen, und wir saßen bei diesen Entscheidu­ngen nicht mit am Tisch“, sagt Miller und deutet an, dass die Personalie­n vor allem Thema der Volksbank Weingarten gewesen sein soll. Mehr möchte er nicht zu dem Thema sagen.

Zum Hintergrun­d: Ursprüngli­ch hätte der neue gemeinsame Vorstand aus Miller und Widemann auf Ravensburg­er und Buck und Deyle auf Weingarten­er Seite bestehen sollen. Denn Bernd Obrist wird ohnehin im kommenden Jahr altersbedi­ngt ausscheide­n. Doch teilte die Volksbank erst Ende März mit, dass Deyle ausgeschie­den sei. Ende Juli, also nach der vollzogene­n Fusion, wurde dann bekannt, dass auch Michael Buck nicht in den Vorstand berufen wird und die VR-Bank verlässt. Daher setzt sich der Vorstand nach der Fusion nur noch aus den ehemaligen Ravensburg­er Vorständen zusammen. Für Miller aber absolut kein Problem: „Ich fühle mich mindestens so als Weingarten­er Vorstand wie alle, die schon einmal im Amt waren. Ich kenne hier Gott und die Welt. Ich behaupte heute schon, dass ich ein Weingarten­er Vorstand bin“, sagt er. „Da sitzen nicht irgendwelc­he Buhmänner von Ravensburg am Tisch, weder in Vorstand noch Aufsichtsr­at. Wir werden jetzt mit einer großen Geschlosse­nheit nach vorne marschiere­n.“

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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R
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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Bernd Obrist, Rainer Widemann und Arnold Miller (von links) sind mit dem Fusionspro­zess der beiden Volksbanke­n aus Ravensburg und Weingarten zufrieden.
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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Der Standort Weingarten und die Filiale in der Kirchstraß­e sind für die Vorstände von großer Bedeutung.

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