Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im staubdichten Bereich geht es Asbest an den Kragen
Oktober●2018 soll die Ravensburger Marienplatz-Tiefgarage frei von Schadstoffen sein – Aufwendige Arbeiten
RAVENSBURG - Platz ohne Ende, ein wie ein unterirdischer Stollen anmutendes, gähnend leeres Parkdeck. Hier und da verstreuen Strahler notdürftiges Licht, in der Luft hängt der Dauerbrummton eines Unterdruckhaltegeräts. Seit 13. November sind die beiden Fachfirmen Lichtner Fachdemontagen aus Ravensburg und Genab aus Herne damit beschäftigt, die Marienplatz-Tiefgarage im Herzen der Stadt von Asbest zu befreien. Wenn alles nach Plan läuft, sind sie damit bis Oktober 2018 durch.
Noch ist es nicht so weit. Momentan ist der erste von 14 Abschnitten dran, nämlich die Nordspindel. Dort wurde ein sogenannter Schwarzbereich installiert. Das heißt: In einem Raum hinter dicken Plastik-„Wänden“, in die man nur durch eine spezielle Schleuse gelangt, machen sich die Arbeiter im staubdichten Bereich dran, nach und nach die insgesamt rund 25000 asbestverseuchten Zement-Abstandshalter mittels Bohrhammer herauszuhämmern. Weil dabei jede Menge krebserregender Asbestfasern freigesetzt werden, kann man nicht einfach so drauflos hauen – auch wenn die Fasern von einem Unterdruckhaltegerät mit Absolutfilter wie in einem Riesenstaubsauger sofort aufgenommen werden.
Gefährliche Fasern
Ehe sie auch nur einen Handgriff tun dürfen, müssen die Arbeiter in einen blauen Schutzanzug und gelbe Gummistiefel schlüpfen, Handschuhe und eine gebläseunterstützte Maske überziehen, die aussieht wie ein Astronautenhelm. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sie kein Fitzelchen Asbest einatmen. Wie GenabGeschäftsführer Henning von Hallen erläutert, sind diese unsichtbaren, winzigen Fasern deshalb so gefährlich, weil die Flimmerhärchen der Bronchien sie nicht abtransportieren können. Was zur Folge habe, dass sie sich im Gewebe festsetzen und im schlimmsten Fall Zwerchfellkrebs verursachen. Weil es körperlich ziemlich anstrengend ist, mit so einer Maske in einem Unterdruck-Bereich zu arbeiten, müssen die Betroffenen alle zwei Stunden eine 30-MinutenPause einlegen. Und sich beim Verlassen des Schwarzbereichs jeweils sorgfältig abduschen.
Auf diese Weise dauert es, bis der Asbest aus der Tiefgarage komplett raus ist. Zumal die verschiedenen Sanierungsbereiche hinterher auch noch penibel geputzt werden müssen. Ein Risiko wollte man aber nicht eingehen, wie der zuständige Projektleiter der Ravensburger Stadtwerke, André Bohlmann, erläutert. Zwar war es zunächst ein Schock, als Ende Juli das Asbest-Problem beim Entfernen des Deckenanstrichs zutage trat. Dennoch will man nun keine halben Sachen machen: Ausnahmslos alle Abstandshalter in sämtlichen Decken und Wänden der Tiefgarage kommen raus. Schließlich „wissen wir nicht, was in den nächsten 20, 30 ANZEIGE Jahren“dort noch alles umgebaut oder nachgerüstet wird – etwa, damit dort auch selbstfahrende Autos parken können. Daher wollen die Stadtwerke ausschließen, dass womöglich irgendwer gerade da ein Loch bohrt, wo ein Abstandshalter sitzt – und dadurch giftiges Asbest freigesetzt wird. Sobald die ersten beiden Parkdecks sauber sind und eine externe Firma gemessen hat, ob die Raumluft in Ordnung ist, kann es dort voraussichtlich ab April 2018 – parallel zu weiteren Asbestarbeiten – mit der eigentlichen Sanierung der Tiefgarage weitergehen. Zunächst wird dann per Hochdruckwasserstrahler der Beton entfernt und teilweise werden die Decken herausgesägt, so Bohlmann. Nach einem Brand war 2014 herausgekommen, dass die Tiefgarage marode ist, weil einsickerndes Streusalz einen Großteil der Bausubstanz zerstört hat.
Ursprünglich sollten zumindest zwei Parkdecks Mitte 2019 wieder befahrbar sein – dieser Termin wird sich nun wegen der 1,5 Millionen Euro teuren Asbestbeseitigung (die auf die Gesamtsanierungskosten von 13 Millionen Euro noch drauf kommen) mindestens um ein halbes Jahr verzögern. „Wenn wir das schaffen wollen, müssen wir uns kräftig beeilen, und es darf nichts mehr dazwischenkommen“, sagt Bohlmann. Und hofft, dass die Marienplatz-Tiefgarage 2020 vollständig saniert und wieder befahrbar ist.
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