Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Explodierende Farben
Werke von Diether Kunerth und Helmut Kand sind im Ottobeurer Museum zu sehen
OTTOBEUREN - Ein opulentes, Auge und Gemüt wärmendes Farbenspektakel zaubert die neue Ausstellung „Bali“im Ottobeurer Museum für zeitgenössische Kunst in den kalten, weißen Allgäuer Winter. Zwei Künstler, die das tropische Archipel im Indischen Ozean malerisch und bildhauerisch auf ganz unterschiedliche Weise spiegeln, bespielen das Haus: Helmut Kand aus Wien, der als „Poetischer Surrealist“weltweit Beachtung findet und in Djakarta als „Foreign born Indonesian Artist“ausgezeichnet wurde; und Hausherr Diether Kunerth, der das Bali-Thema seit einem Besuch 1994 auf der Insel immer wieder aufgenommen hat.
Kand hat Bali über 20-mal besucht, zuletzt diesen Sommer, um seine „Bali-Batterie wieder aufzuladen“, wie er es nennt. Denn im Gegensatz zu Kunerth hatte er seinen Bali-Zyklus bereits abgeschlossen, vieles davon war verkauft und musste für die Ausstellung wieder geliehen werden – manches wurde sogar neu gemalt.
Kleine Boshaftigkeiten
Sowohl Kunerth als auch Kand betonen, Bali mit seiner exotischen Götterund Dämonenwelt, mit seinen paradiesischen Landschaften und feiernden Menschen habe sie künstlerisch verändert. Kunerth, der sich als Maler zuvor in einer Weiß-Phase bewegt hatte, fand wieder zurück zur Polychromie früherer Perioden. Kand verdichtete seine von jeher intensive Farbigkeit noch, öffnete sich zugleich neuen Themen. Auf Empörungen und Hässlichkeiten wie in seinen Werken davor verzichtete er fast völlig.
Kleine Boshaftigkeiten, Schelmereien und viel Frivoles hat der große Farbmagier dennoch versteckt in seinem surrealen, sinnlichen Bali-Bildkosmos, in dem die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt verschwimmen. Das Geheimnisvolle, Vielschichtige zieht das Auge und den Geist hinein in diese Bild gewordenen Sehnsüchte und Lüste, die so poetische Titel tragen wie „Geborgenheit im Labyrinth der Träume“oder „Die Eifersucht erhebt sich und versinkt mit der Sonne“.
Kands Malerei erwächst aus der Tiefe, die Farben explodieren wie der Vulkan Agung, der auf Bali seit Tagen furchteinflößende Rauchwolken in die Luft stößt. Manche Bilder sind verwirrende Spiegelungen. In anderen setzt er ein Bild ins Bild: malt eine Landschaft annähernd realistisch, ehe er ihr eine seiner Visionen einpflanzt. Nicht weniger farbintensiv sind Kands Skulpturen, die in vertrauensvoller indonesisch-europäischer Zusammenarbeit entstehen.
Holzkünstler Ketut Radio Supardiawan setzt auf Bali ausgewählte Motive aus Kands Bildern mit kreativer Leidenschaft in die dritte Dimension um und schickt die von Hand aus Albasiaholz geschnitzten Werke nach Wien, wo Kand sie bemalt. Welche Details er gern weglässt, ist etwa am Beispiel „Dich küssen alle wenn du schläfst“zu sehen.
Unter dem Aspekt Tanz hat Kunerth seine Werke aus seinem riesigen Fundus ausgewählt. So wogt und schwebt es aufs Anmutigste in seinen Bildern, selbst in den raumhohen Großformaten. Kunerth lässt die graziösen Bewegungen der tropischen Pflanzen Balis weiterschwingen in den Tänzen der Menschen. Seine oft bildfüllenden Mädchen, Knaben und Paare biegen sich wie Gummimenschen, dick aufgetragene Konturen – oft direkt aus der Tube – verstärken die expressive Rhythmik noch. Nur die fruchtbaren Landschaften ruhen in sich.
Wie gewohnt zeigt er die ganze Palette an figurativen Arbeiten, Bildern und Plastiken. Er spürt der auf der Insel überall präsenten Spiritualität mit Farbe und Pinsel nach, gießt Götter und Dämonen in Bronze oder übersetzt seine Erkenntnis über den Zusammenhang von Idee und Materie in komplexe Plastiken. Wie mit einem unsichtbaren Band verbunden scheinen diese beiden sehenswerten Präsentationen, jede ergründet auf eigene Weise eine faszinierende Kultur, beide sind von ungeheurer gestalterischer Kraft durchdrungen.