Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schweizer Rabattschlacht
Von St. Gallen bis Genf – eidgenössische Skigebiete werben mit kräftigen Nachlässen
Jedes Jahr ist der Aufschrei groß, und auch in diesem Herbst hieß es wieder: Skifahren wird teurer. Aber ausgerechnet in der hochpreisigen Schweiz purzeln die Preise derart, dass sich sogar Österreichs Skigebiete Sorgen machen. Saisontickets, die fünf Monate Skispaß garantieren, gibt es bereits für umgerechnet 200 Euro. Tageskarten kosten plötzlich weniger als zehn Euro. Bei schlechten Wetterbedingungen sind bis zu 50 Prozent Rabatt drin. Freilich sind die Angebote an Bedingungen geknüpft, aber einen derartigen (Preis-)Kampf um die Gunst der Skifahrer hat es bis dato nicht gegeben – erst recht nicht in der Schweiz.
Sechs Milliarden Euro investiert
Keine Frage, Skifahren ist nicht billig. Auch in diesem Winter haben viele Skigebiete in Bayern und Österreich ihre Preise angehoben. Im Durchschnitt kostet die Tageskarte zwei bis vier Prozent mehr als in der Saison 2016/17. Die jährlichen Preissteigerungen lassen sich nicht nur mit der Inflation begründen. Schließlich investieren die Skigebiete in Schneekanonen, um durchgehend weiße Pisten zu garantieren. Sie tauschen Schlepplifte gegen Gondelbahnen und spendieren dem Wintersportler eine Sitzheizung im Sessellift. Zum Beispiel haben nach Angaben der Wirtschaftskammer Österreich die dortigen Seilbahnbetreiber in den vergangenen zehn Jahren sechs Milliarden Euro für Modernisierung und Komfortverbesserungen ausgegeben, „um den steigenden Qualitätsansprüchen der Wintersportgäste gerecht zu werden“. Es scheint sich auszuzahlen, schließlich ist alljährlich von „Top-Ergebnissen“die Rede. Selbst im zurückliegenden Skiwinter, der als zu warm und schneearm gilt, verzeichneten die rot-weißroten Skigebiete demnach ein erneutes Umsatzplus, was nicht zuletzt dem teuren Franken im Nachbarland Schweiz zu verdanken war.
Aber jetzt kriegen selbst die Österreicher kalte Füße, wenn sie auf die Schweizer Konkurrenz blicken, die viele Jahre keine war, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis einfach nicht mithalten konnte. Die Österreich Werbung, touristische Dachorganisation in der Alpenrepublik, warnt vor Tiefpreis-Angeboten von Genf bis St. Gallen. Zwar sind Saisontickets jenseits der 1000-FrankenMarke in der Schweiz immer noch gang und gäbe, aber in diesem Winter gibt es einige außergewöhnliche Preisbrecher und -modelle, die Bewegung in die Branche bringen: allen voran Saas-Fee, einer der Big Player in der westlichen Schweiz. Wer bis Mitte Dezember ein Saisonticket buchte, zahlte lediglich 233 Franken. Das sind rund 200 Euro für fünf Monate Skifahren. Ab dem vierten Tag sind Skifahrer damit gratis auf den mehr als 100 Pistenkilometern unterwegs, wenn man die Kosten fürs Tagesticket in Relation setzt. Bereits im vergangenen Winter hatte Saas-Fee mit einem Dumping-Preis für Unruhe gesorgt, als das Saisonticket für 222 Franken über den Tisch ging. Wie im Winter 2016/17 ist die Sache auch heuer an eine CrowdfundingAktion gebunden, bei der erst eine Mindestzahl an Bestellungen eingehen muss, ehe das Ticket ausgegeben wird. Das Interesse war riesig, erneut nutzten Zehntausende Skifahrer die Aktion, die Saas-Fee den Titel Discount-Skigebiet eingebracht hat. Aber die Zahlen scheinen den Machern recht zu geben: Die Bergbahnen, aber auch die touristischen Betriebe zeigen sich sehr zufrieden.
Wetterabhängige Ticketpreise
Nicht alle Schweizer Skigebiete wollen auf den Zug aufspringen, aber es finden sich zahlreiche Nachahmer, die zum Teil recht originelle Ideen haben. Ebenfalls per CrowdfundingAktion bot das kleine Saint-Croix Les Rasses in der Nähe des Genfersees Saisonkarten im Vorverkauf für 99 statt 360 Franken an. Blatten-Belalp im Wallis streute auf diese Weise tausende Familien-Saisonkarten für 999 Franken (rund 850 Euro) unters ANZEIGEN Volk – lange bevor auch nur ein einziger Lift lief. Dort scheinen ohnehin kreative Köpfe zu sitzen, schließlich haben die Bergbahnen auch wetterabhängige Preise bei den Tageskarten eingeführt. Motto: Je schlechter die Vorhersage, desto günstiger das Ticket. Dem Vernehmen nach sind bis zu 50 Prozent Rabatt drin. Auch das Skigebiet Pizol bei Bad Ragaz in Graubünden hat dieses Prinzip übernommen.
Dynamische Ticketpreise, die sich an der aktuellen Nachfrage und anderen Randbedingungen orientieren, sind in der Schweiz groß im Kommen: Je früher der Skifahrer in Arosa-Lenzerheide ein Ticket online kauft, desto günstiger ist es. Aber: Ist die Nachfrage für den betreffenden Tag schon hoch, sinkt der Rabatt. Andermatt-Sedrun offeriert bis zu 20 Prozent Frühbucherrabatt auf die 37 Franken teure Tageskarte. Je nach Nachfrage und Wettersituation sinkt oder steigt der Nachlass. An ausgewählten Tagen im Januar soll die Tageskarte für Andermatt-Sedrun gerade mal zehn Franken kosten, was nicht einmal neun Euro sind. So hat es auch Savognin angekündigt. Das ebenfalls in Graubünden liegende Skigebiet Splügen führte im Dezember mal schnell drei Gratis-Skitage durch, um neue Gäste in die Region zu locken. Einen interessanten Ansatz gibt es auch in Laax, wo eine App zum Einsatz kommt, die Verhalten und Vorlieben des Skifahrers registriert und ihm individuelle Angebote und Preise zum Beispiel für ein Neuschneeticket samt Freeride-Ausrüstung unterbreitet.
Die Punktekarte kommt wieder
Aber nicht alle Modelle sind modernen Ursprungs. So taucht etwa in Zermatt die gute alte Punktekarte wieder auf, bei der pro Liftfahrt abgeknipst wird. Vorteil: Der Wintersportler muss nicht mehr durchs Skigebiet hetzen, um seine Tageskarte voll auszufahren. Ähnlich soll es in Lenzerheide funktionieren, wo man das Pay-per-use-Verfahren in diesem Skiwinter etablieren will, bei dem die Abrechnung pro Liftfahrt erfolgt. Auch die Stundenkarte ist zurück, wenngleich mit einem neuen Ansatz: Wer sein Ticket in Flumserberg (Kanton St. Gallen) zurückgibt, solange die Bahnen noch laufen, erhält Geld zurück. Der Trend geht auch hin zu Angeboten, die sich an spezielle Zielgruppen richten. Die Region „4 Vallées“mit Verbier, NendazVeysonnaz und Thyon gewährt jungen Skifahrern unter 25 Jahren 1000 Franken Nachlass auf ihre Jahreskarte, die dann nur noch 400 Franken kostet. In Atzmännig bei St. Gallen gibt’s für Familien zwar keinen Rabatt, aber dafür ein Mittagessen für alle auf die Familienkarte (125 Franken) obendrauf. Aletsch, Belalp und Lauchneralp im Wallis machen eine Art Basar, bei dem der skifahrende Gast selbst den Preis für sein Ticket festlegt. Die Bergbahnen entscheiden, ob der Deal dann zustande kommt und orientiert sich jedes Mal an einem neuen Schwellenwert, der in Zusammenhang mit Saisonzeit, Wochentag, Wetter und Nachfrage festgelegt wird.