Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Hans im Glück“hat nur Gutes im Sinn
Das Theater Lindenhof gastiert mit Bertolt Brechts Lehrstück im Konzerthaus
RAVENSBURG - „Hans im Glück“ist einer, den die einen belächeln und ihn gar als Trottel abstempeln. Die anderen beneiden ihn insgeheim um seinen Mut, sich allen Ballast vom Leibe zu schaffen, bis er nur noch sich selber hat. Das Melchinger Theater Lindenhof brachte am Mittwoch Bertolt Brechts 1919 verfasstes Stück auf die Bühne des Konzerthauses. Das waren 90 Minuten intensive Spieldauer mit fesselnden Szenen.
Da sitzt er, der Hans. Auf einer schräg zum Publikum hin geneigten Plattform, die alles ist. Haus, Karussell, Bahngleise. Kombiniert mit einer dahinter platzierten Projektionswand, die Bühnenbildnerin Maria Martinez Peña und Oliver Feigl mit Videobildern bespielen. Diese verknüpfen sie äußerst geschickt mit dem Geschehen davor. Wenn Hans „Frau gegen Haus“tauscht, „Haus gegen Wagen“, dann steht er wie ein Staunender vor dieser Wand, auf der die begehrten Objekte sich abzeichnen und in Bewegung setzen. Bis hin zum Wohnwagen, vor den er sich spannt, weil er den Zugwagen einem „Freund“gegeben hat.
Ein Hans ohne Furcht und Tadel
Cornelius Nieden ist dieser einfältige, gutgläubige und dumme Hans, dessen Vorstellung von Glück so überhaupt nicht in damalige und heutige westliche Gesellschaftssysteme passen will. Der junge Brecht hat das Stück verteufelt und es in die Versenkung geschickt. Dieser weltfremde Hans passte nicht in sein aufrührerisches Weltbild, das er umkrempeln wollte. Aus heutiger Sicht, nachdem das Stück wieder aus der Schublade hervorgeholt wurde, könnte man in Brecht einen hellsichtigen Menschenkenner und starken Poeten erkennen. Gibt es in dem Stück, das auf dem Märchen der Gebrüder Grimm basiert, doch genügend Hinweise auf glücklose Konsumwelten. Cornelius Nieden ist dieser blauäugige Hans, der stets nur Gutes will und in unserer Erwartung alle seine Chancen verpasst. Aus eigener Dummheit, glauben wir zu wissen. Seine Frau Hanne (Linda Schlepps) gibt er einem Fremden mit, dem schlauen Verführer Herrn Feili (Boris Rosenberger), denn er liebt sie sehr und will, dass es ihr gut geht. Warum sieht er denn nicht, dass dieser Feili ein rechtes Schlitzohr und ein Betrüger ist?
Auf leisen eindringlichen Sohlen
Die Inszenierung von Christof Küster kommt auf leisen, aber eindringlichen Sohlen daher und stellt Fragen an ihre Zuschauer, wie es um das eigene Glück steht. Mittels knappen „Ansagen“vor dem Mikrofon kündigt das Ensemble die jeweilige Szene an, in der Hans sein nächstes Gut verliert. Sein Haus an zwei düstere Spelunken (Berthold Biesinger und Bernhard Hurm), die ihn nach Strich und Faden ausnehmen. Momente des stillen Grauens entstehen, wenn Hans seine Magd (Kathrin Kestler) gleich mit an die Herren Kaufleute verschachert. Er zieht allein von dannen. Was bleibt ist die Hoffnung, denn Hanne liebt er von Herzen. Hans ist einer, der glaubt, dass der Himmel, die Sterne, die Berge und die Stiere, die er lange gehütet hat, allein satt und glücklich machen. Er dreht das Karussell und fliegt noch einmal ins Paradies hinauf, bevor es in die Hölle geht.
Nur dass Hans diesen Niedergang so nicht erlebt, wenn er Hanne wiedertrifft, die aber vor lauter Hunger in den Fluss steigt. Er wird vom „Volk“beschuldigt wird, eine Gans gestohlen zu haben. Biesinger, Hurm und Rosenberger geben das beherzte Trio aus skrupellosen Gaunern. Zu ihnen gesellt sich Kathrin Kestler als vom Leben desillusioniertes Karussellweib. Niemandem geht es um den Menschen oder gar um dessen Glück. Und man fragt sich insgeheim, auf wessen Seite man steht. „Ich hab’ für immer noch das nackte Leben – da bin ich sehr froh“, liegt Hans rücklings mit gebrochenen Beinen auf den Bahngleisen. Geldbeutel und Uhr sind ihm heruntergefallen. Er angelt danach, doch schon rollt von hinten her der Zug an. Cornelius Niedens Hans trotzt allen und allem mit „Es ist alles so schön!“Brechts Lehrstück, besser noch Parabel, endet als mit einem von Küster inszenierten Schattenspiel. Der kleine Hans vor dem großen Bösewicht, der ihn um eine milde Gabe bittet. Ganze zehn Pfennige kramt er aus seiner Tasche – glücksstrahlend. Wer möchte da nicht in seiner Haut stecken?