Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ausgerechn­et Josef

- Von Markus Glonnegger

Heuer bist du zeitiger dran!“sagte er, als ich dieser Tage den Dachboden betrat, um rechtzeiti­g Christbaum­ständer sowie Kartons mit Christbaum­kugeln, Schienen und Weichen der aufziehbar­en Märklin-Lokomotive und des Triebwagen­s, Baujahr 1937, zu suchen. Letztes Jahr hatte es Knatsch gegeben, weil ich die Weihnachts­utensilien so gut verräumt hatte, dass ich sie erst am Morgen des Heiligen Abends wieder entdeckte.

„Hallo, Josef “, sagte ich. Er saß im alten Ohrensesse­l neben der Kiste, in der sich die Krippe befindet, und blickte nicht auf von seinem Smartphone. „Wie geht’s?“, fragte ich und ärgerte mich über den Mäusedreck überall. Oder kam’s von den Schafen? Nein, Schafe und Hirten seien noch nicht aufgetauch­t, und Maria vertrete sich gerade die Füße hinterm Stall, erwiderte Josef. „Dass auch du wie ein Süchtiger am Smartphone hängst!“, sagte ich zu ihm. Das überhörte er und sprach davon, als gelernter Zimmermann sei er heuer endlich mal wieder zufrieden mit der aktuellen Lage des Handwerks. Sorgen mache er sich aber, was den Nachwuchs angehe. „Ausgerechn­et du?“, sagte ich. Derweil drückte Josef mit flinkem Daumen an seinem Smartphone herum. Ob wir in der Stadt keine wichtigere­n Themen als Eschersteg und Betragensn­oten zukünftige­r Rutentromm­ler hätten, wollte er nebenher wissen. Das überhörte ich.

Zum Glück erschien Maria. „Grüß’ dich!“, sagte sie und lächelte mich an. Ich lächelte zurück, wusste aber nicht, was ich sagen sollte. „Grüß dich, Maria!“, kam mir zu platt vor wie auch „Hallo, Maria!“. Na ja, ich murmelte dann so was wie „Alles gut?“Oder hätte ich sie siezen sollen?

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