Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neuer Termin soll Stärken zurückbringen
Trotz Abgängen erwartet die Messe „Eurobike“in Friedrichshafen im Juli ein volles Haus
FRIEDRICHSHAFEN - Mit dem auf Juli vorverlegten Termin und dem Verzicht auf den Publikumstag ist die Messe Friedrichshafen für die Eurobike 2018 ein gewisses Risiko eingegangen. Denn es war klar, dass nicht alle Aussteller diesen Schritt mitgehen würden. Vielleicht ist dieser Schritt aber der einzig mögliche, um der Eurobike ihre Bedeutung als Neuheiten-Show und internationale Leitmesse zu erhalten.
Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Klar ist aber schon jetzt, dass es wieder ein volles Haus geben wird. Ausstellerabgänge aus dem sportiven Bereich werden vor allem mit Zugängen aus dem Segment der Elektromobilität kompensiert. Insgesamt erwartet die Messe rund 1350 Aussteller. 2017 waren es 1400, 2016 ebenfalls 1350.
Mehr Aussteller, mehr Fläche, mehr Weltpremieren: Lange befand sich die Eurobike in steilem Steigflug, Jahr für Jahr vermeldete die Messe neue Rekorde. Dass Aussteller kamen und gingen, gehörte schon immer dazu, an der Bedeutung als Leitmesse der Branche war aber nicht zu rütteln. Zu bröckeln begann diese Bedeutung erst, als vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Hersteller Trek der erste Branchenriese beschloss, auf die Eurobike zu verzichten. Weitere Schwergewichte wie Specialized, Cube, Giant und Cannondale folgten.
Neue Medien, neue Möglichkeiten
Beweggründe dafür gibt es unterschiedliche: Ein Faktor ist sicherlich, dass sich die Bedeutung von Messen durch die Digitalisierung generell wandelt. Neue Medien eröffnen neue Möglichkeiten – für Vermarktung wie Vertrieb. Hausmessen haben für Hersteller wiederum den Vorteil, dass sie sich weder in der Ausstellungsfläche noch in der Dauer beschränken müssen – und auch den Zeitpunkt ihrer Präsentationen frei wählen können. Eines kann aber nach wie vor nur die klassische Branchenmesse: dem Handel konzentriert an einem Ort einen umfassenden Überblick über die gesamte Branche geben.
Die Frage, ob der traditionelle Eurobike-Zeitpunkt Ende August/Anfang September noch der richtige ist, haben sich die Häfler Messemacher schon vor mehreren Jahren erstmals gestellt. Dass seitdem mehrere Hersteller abgesprungen sind und ihre Hausmessen zeitlich früher platziert haben, hat sie letztlich nur darin bestärkt, sie mit „Nein“zu beantworten – und die Eurobike auf Anfang Juli zu verlegen. Der alte Termin war Ausdruck dessen, dass die Eurobike zwei Funktionen parallel erfüllte: Neuheiten-Show zum einen, Ordermesse zum anderen. Das hat funktioniert, als der Markt noch überschaubar war. Das ist er heute nicht mehr.
Wenn man sich allein anschaut, wie sich die Gattung Mountainbike entwickelt und in immer individuellere, auf verschiedene Einsatzzwecke spezialisierte Unterkategorien aufgeteilt hat, kann man schon den Überblick verlieren. Der Elektrifizierungstrend hat das Ganze noch potenziert, weil es praktisch jede Fahrradgattung und jede Unterkategorie jetzt auch in motorisierten Versionen gibt. Die schier unerschöpfliche Vielfalt des Angebots zu sichten, zu sortieren, daraus abzuleiten, was im nächsten Jahr gut laufen wird, und dementsprechend zu bestellen, das erfordert mehr Zeit als drei Messetage.
Weil die Eurobike vor diesem Hintergrund als Ordermesse bereits an Bedeutung verloren hat, will die Messe den Fokus mit dem früheren Zeitpunkt nun wieder verstärkt auf den Status als Trend-, Neuheitenund Orientierungsmesse richten. Eine Ordermesse kann die Eurobike ein Stück weit trotzdem bleiben, weil sich auch die Orderlogik der Branche wandelt – weg von frühzeitigen exakten Modellbestellungen, hin zu Volumenverträgen. Die lassen sich auch früher im Jahr schließen, weil darin eben noch keine exakten Modelle fixiert werden.
„Wir geben den Herstellern und Importeuren die ursprüngliche Funktion der Eurobike zurück: Nämlich die Erstveröffentlichung der neuen Kollektion und den damit verbundenen Austausch mit den Handelspartnern zur Saisonplanung“, sagt Messechef Klaus Wellmann. Stefan Reisinger, Bereichsleiter Outdoor und Eurobike, ergänzt: „Das ist ein großer Schritt, aber wir sind der Überzeugung, dass es der richtige ist.“
Sportiver Anteil schrumpft
Für die Eurobike 2018 hat die Messeleitung den frühestmöglichen Termin gewählt. Anfang Juli sei die laufende Saison aus Sicht der Händler gerade weit genug fortgeschritten, um zu sehen, wohin die Reise geht – weshalb sie auch erst dann den Fokus aufs Folgejahr richten könnten, sagt Wellmann. Eine Folge dieses frühen Zeitpunkts ist, dass es keinen Publikums-tag geben wird – weil die Bestände der Händler zu diesem Zeitpunkt noch zu groß sind, um dem Endverbraucher schon die Neuheiten fürs Folgejahr schmackhaft zu machen.
Je dynamischer sich eine Branche entwickelt, desto heterogener ist sie auch. Und so überrascht es nicht, dass mancher Hersteller das alles ganz anders sieht. So haben die Firmen Stevens, Gudereit und Storck in den vergangenen Wochen verlauten lassen, dass sie aufgrund der Änderungen nicht an der Eurobike 2018 teilnehmen werden. Einige weitere werden wohl noch folgen. Und dennoch wird Wellmann und Reisinger nicht bange, weil es eben mehr als genug Hersteller gibt, die ihren Weg mitgehen wollen. Nach derzeitiger Buchungslage erwartet die Messe rund 1350 Aussteller aus aller Welt.
Was auffällt: Bei jenen Firmen, die nicht mehr kommen wollen, handelt es sich – wie schon in den Vorjahren – überwiegend um solche aus dem sportiven Bereich. Starke Zuwächse verzeichnet die Messe dagegen in den Bereichen Elektromobilität im Allgemeinen und Antriebstechnik im Speziellen. Letztendlich spiegelt das auch den Wandel des Marktes wider. Der Anteil der motorisierten Fahrräder wächst von Jahr zu Jahr – und es scheint fast so, als befinde sich das klassische Fahrrad bereits auf dem Weg zum Auslaufmodell beziehungsweise Nischenprodukt für Sportler.