Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kerosin versickert im Wald
Ausgelaufener Flugzeugtreibstoff in Waldburg versickert – Alternative wäre Abholzung von 15 000 Quadratmetern Wald
Nach Flugzeugabsturz in Waldburg wird das Umweltamt nicht aktiv.
WALDBURG - Das Kerosin, das bei dem Flugzeugabsturz vergangenen Donnerstag in Sieberatsreute nahe Waldburg ausgelaufen ist, wird nicht entfernt. Der Grund: Das betroffene Waldgebiet ist zu groß und der Kraftstoff überall verteilt. Als Maßnahme käme nur eine Abholzung der gesamten Fläche infrage. Doch darauf will das Landratsamt Ravensburg verzichten. Denn im Vergleich zu einer Abholzung ist der Umweltschaden durch das Kerosin geringer.
Nach Berechnungen des Flughafens Friedrichshafen haben sich noch maximal 300 Liter Kraftstoff in der verunglückten Cessna befunden. Verwendet wurde demnach Jet-A1, ein Kraftstoff vergleichbar mit Diesel. Der Flammpunkt des Treibstoffs liegt bei über 38 Grad Celsius, die Selbstentzündungstemperatur bei über 230 Grad Celsius.
Nach dem Absturz hatte es an der Unfallstelle kleinere Brände gegeben, die von den Feuerwehren aus Waldburg und Weingarten schnell gelöscht werden konnten. Der Schnee und die kalten Temperaturen verhinderten dabei Schlimmeres: Denn wegen des Wetters breiteten sich die Flammen nicht aus. Anders hätte das im Sommer aussehen können: Dann wäre das Kerosin nicht nur höchst entzündlich gewesen, sondern hätte wegen seiner flächenmäßigen Verteilung auch eine Waldbrandgefahr bedeutet.
Das Ravensburger Landratsamt nimmt an, dass die kerosinbelastete Fläche rund 15 000 Quadratmeter – zwei Fußballfelder – groß ist: 300 Meter lang und 50 Meter breit. „Es ist davon auszugehen, dass der Kraftstoff großflächig verteilt wurde und die Belastung pro Quadratmeter somit minimal ist“, sagt Pressesprecher Franz Hirth. Umgerechnet bedeutet dies, dass jeder Quadratmeter mit 0,02 Litern belastet ist – das entspricht in etwa einem halben Schnapsglas. Auch seien laut Hirth ein paar Liter des Treibstoffs beim Absturz verbrannt.
Wald ist in Privatbesitz
Das Waldgebiet ist in Privatbesitz – wie es heißt, gehöre der eine Teil einem Großwaldbesitzer und der andere einem Kleinwaldbesitzer. Der Boden im Schadensgebiet müsste abgetragen werden, um das Kerosin zu entfernen. Jedoch: Dafür müsste man die Fläche von 15 000 Quadratmetern abholzen, weil der Treibstoff weitläufig und nicht punktuell verschüttet ist.
Was also tun? „Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit“, meint der Sprecher des Landratsamtes. „Den Boden abzutragen macht generell nur Sinn, wenn es sich um eine Fläche oder Teilfläche handelt, auf der eine größere Menge ausgelaufen ist – wie zum Beispiel nach einem Unfall mit einem Tanklastzug“, erklärt Franz Hirth. Aber das sei hier nicht der Fall. „Weitere Maßnahmen sind deshalb aus heutiger Sicht nicht erforderlich“, schlussfolgert das Landratsamt.
Vor Ort riecht es immer noch nach Kerosin. Das liegt laut Franz Hirth daran, dass die Verdunstung wegen der niedrigen Temperaturen relativ langsam verläuft.
Günter Tillinger, Umweltberater beim BUND Ravensburg-Weingarten, hat Vertrauen, dass die Entscheidung des Landratsamtes die richtige ist. „Natürlich ist das ausgelaufene Kerosin eine starke Belastung für das Ökosystem“, sagt Tillinger, „aber es geht auch viel kaputt, wenn alles abgetragen wird.“Deshalb müsse in dieser Sache abgewogen werden.
Bedenklich sei laut Tillinger, wenn toxische Stoffe ins Grundwasser gelingen. „Das muss unbedingt vermieden werden“, warnt der Umweltberater. Allerdings könne der Boden oft einiges aushalten. Tillinger: „Der Boden funktioniert wie ein Filter: Er kann Stoffe binden und abbauen.“Das Kerosin stelle also nicht zwangsläufig eine Gefahr dar.