Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Heide Keller:
Es ist 14 Uhr – wir tragen gerade die letzten Bierkisten für die Silvesterparty rein, da zappeln schon die ersten Jahreswechselbilder übers Smartphone-Display. Aus Sydney, wo vor 1,5 Millionen Zuschauern traditionell das weltweit spektakulärste Großfeuerwerk steigt – überm „Kleiderbügel“, wie die Sydneysider ihre Harbour Bridge liebevoll nennen. Das längste ist es wohl auch – mit zwölf Minuten. Sie stehen für die zwölf Monate des abgelaufenen Jahres. Die sollen rückstandslos weggeböllert werden, um ballastfrei ins neue Jahr starten zu können.
16.00 Uhr
– die Deko für die heimische Party nimmt so langsam Form an, da hat der Japaner sein Haus endlich besenrein – nach Tagen. „Bonenkai“heißt das Kehraus-Fest des Vergessens, das im Reich der aufgehenden Sonne in der Woche vor Silvester gefeiert wird, mit gründlicher Reinigung des Hauses (Osoji) und anschließendem Kiefern- und Blütenschmuck (Kadomatsu) gegen böse Geister. Gleich 108 Sünden haben die Menschen dort nach buddhistischem Glauben, weshalb 108 Glockenschläge an Silvester zu mitternächtlicher Stunde aus den Tempeln ertönen, um diese zu vertreiben. Kann dauern, weshalb die Japaner jetzt genug Zeit haben, auf klebrigen Reisklößen namens „Mochi“herumzukauen. Doch Obacht, manch einer ist schon dran erstickt, weshalb Behörden schon mal empfehlen, die „Mochi“in Suppe oder mit viel Wasser zu verzehren. Erste Hilfe-Maßnahmen für „Mochi“-Opfer kennt jeder Japaner: Fünf kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter…
18.00 Uhr
– während bei uns der Partyservice allmählich mal klingeln könnte, ist in Vietnam der Karpfen längst da. Aber nicht zum Verzehr. Sondern in heiliger Mission. Denn viele Vietnamesen glauben, dass ein Gott in ihrem Hause wohnt – als Teilzeit-Gast sozusagen. Dieser soll zu Silvester in den Himmel reisen, um dort nur Gutes über das Haus und seine Bewohner zu erzählen. Davon hängt angeblich ab, wie es im neuen Jahr mit Glück und Pech bestellt sein wird. Ach ja – in den Himmel reitet Gott auf dem Rücken des Karpfen. Weshalb die Vietnamesen zu Silvester einen kaufen und in einem hausnahen Gewässer schwimmen lassen...
23.00 Uhr
– die Partystimmung zu Hause ist schon prima, nur noch eine Stunde bleibt vom alten Jahr, da begrüßen die Russen in Moskau bereits das neue. Soweit sie denn unsere Silvester-Zeitrechnung mitmachen. Denn wer sich dort nach dem Julianischen Kalender richtet, hat – nun ja – etwas Feiertags-Kuddelmuddel: Silvester und Weihnachten liegen demnach auf einem Tag, nämlich dem 13. Januar. Die Kinder aber bekommen ihre Geschenke schon am 6. Januar…
Aber weil die Russen bekanntlich feierfreudig sind, fangen sie mit einem zehntägigen Marathon schon mal in der Silvesternacht an: Väterchen Frost, quasi der russische Zwillingsbruder des Weihnachtsmanns und seine Begleiterin Snegurotschka sind unterwegs, und die Familien versammeln sich bereits um den Jolka (Tannenbaum) herum. Die Schauspielerin über ihre Zeit als Beatrice auf dem „Traumschiff“.