Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Musik, bei der Herzen schmelzen
In Wolfegg hat an Silvester die mittlerweile 30. „Wintermusik“begonnen
WOLFEGG - Pünktlich zu Beginn der Wolfegger Wintermusik bescherte der Föhn angenehme Temperaturen, ein Bilderbuchpanorama und einen fast schon vollen Mond am strahlenden Abendhimmel. Und dazu wie immer Kammermusik auf höchstem Niveau. Da kann die Solistengemeinschaft der 30. Wintermusik zu Recht stolz darauf sein. Inge-Susann Römhild betonte denn auch in ihrer kurzen Ansprache, dass durch den Zugewinn neuer Sponsoren und dank eines treuen Publikums das kleine Festival von Silvester bis Dreikönig gute Chancen auf „weitere 30 Jahre“habe.
Sprach's und nahm gleich darauf am Klavier Platz, denn vom Klaviertrio bis zum Streichsextett reichte das Spektrum. Zuerst Joseph Haydns „Klaviertrio C-Dur“mit dem Violinisten Winfried Rademacher und der Cellistin Susanne Eychmüller.
Die ganze Genialität des Musikers Haydn ist vor allem in solcher Kammermusik zu finden: unendlich viele musikalische Einfälle, überraschende Details, besondere Harmonien, die Behandlung der Instrumentenstimmen – so klingt einmal das Cello fast harfenähnlich – oder die Komposition, mal fugenartig, mal verspieltes Rokoko. Das Trio arbeitete in den drei Sätzen die Steigerung vom gebändigten Überschwang des Allegro über ein farbenreiches Andante bis hin zum leichthändigen Presto eine faszinierende Stimmungspalette vor dem Publikum aus.
Mit Barbara Doll und der Ersten Bratsche erweiterte sich das Trio dann zum Quartett und bei Antonín Dvoráks „Klavierquartett Es-Dur“op. 87 in vier Sätzen übernahm Konrad Elser den Klavierpart. Knapp hundert Jahre später als Haydns Werk ist dieses emotionsgeladene Stück entstanden, und was die vier Musiker hier an Volumen und musikalischer Klanggewalt erstehen ließen, das war mehr als beeindruckend: im ersten Allegro „con fuoco“quasi sinfonische Wucht, im „Lento“eine sich schrittweise verinnerlichende Emotion, im zweiten Allegro, mit einer Art Wiener Lied zu Beginn, und im Finale-Allegro energiegeladene Rhythmik.
Danach fand die kontinuierliche Steigerung der musikalischen Ausdrucksmittel mit Tschaikowskys Streichsextett d-moll op. 70 mit dem Titel „Souvenir de Florence“, fast zeitgleich zu Dvoráks Werk entstanden, einen krönenden Abschluss. Zu den Streichern gesellten sich die Violinistin Isabel Trautwein, der Bratschist Mischa Pfeiffer und der Cellist Troels Svane, der in den vergangenen Jahren noch nicht dabei gewesen ist. Tschaikowskys Werk, ein bekanntes, aber nicht häufig gespieltes Stück, erwies sich für dieses Ambiente, die Akustik und das Ensemble geradezu als hervorragend geeignet. Ein wunderbarer Gesamtton und jede einzelne Stimme zählte – und welches Zusammenspiel zwischen Bratsche und Cello, Geige und Cello oder bei der „Ballettmusik“im Schlussallegro!
Wem beim Adagio cantabile nicht das Herz schmolz, der hatte es wohl zuhause vergessen. „Oh, toll“raunt es weiter hinten von ein paar unverkrampften Enthusiasten. Auch das ist so schön an diesem familiären Kammermusikrahmen, wie das Publikum sich in ein musikalisches Erlebnis hineinziehen lässt und dankbar ist für einen wunderbaren Moment wohltuender Innerlichkeit vor dem alljährlichen Mitternachtsgetöse ...