Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Viel Prominenz in Baienfurt

Neujahrsem­pfang: So viel Prominenz wie noch nie – Bürgermeis­ter Binder zieht Bilanz – Gedenken an Helmut Braun

- Von Siegfried Kasseckert

Die Gemeinde hatte zu ihrem Neujahrsem­pfang geladen.

BAIENFURT - Wer Baienfurte­r Neujahrsem­pfänge besucht – und es werden von Jahr zu Jahr mehr Gäste –, muss sich mit Geduld wappnen. Gut anderthalb Stunden zog Bürgermeis­ter Günter A. Binder diesmal Bilanz, vergaß wohl keinen, der sich ums öffentlich­e Leben der 7313-Seelen-Gemeinde verdient gemacht hatte, und zeichnete stolz und selbstbewu­sst das Bild einer Kommune, der es wirtschaft­lich ziemlich gut geht und die auch kulturell einiges zu bieten hat. Mal um Mal überrascht, wie gut sich die Rücklagen entwickeln. Durchaus möglich, dass der Jahresabsc­hluss 2017 fast 19 Millionen Euro auf dem „Sparbuch“Baienfurts ausweist. Dem werden freilich in den nächsten Jahren allein für die Schulbaute­n Ausgaben von etwa 16 Millionen Euro (Landeszusc­hüsse noch nicht abgezogen) gegenübers­tehen. Nein, im Geld schwimmt Baienfurt trotz allem nicht.

Weit mehr als 300 Besucher versammelt­en sich am Neujahrsta­g im Katholisch­en Gemeindeha­us. Darunter so viel Prominenz wie wohl noch nie bei einem solchen Anlass. Der Schultes konnte neben anderen den neu gewählten Bundestags­abgeordnet­en Axel Müller (CDU), den grünen Landessozi­alminister Manne Lucha, den Landtagsab­geordneten August Schuler (CDU), den früheren Minister Rudolf Köberle (CDU), der seit 1992 keinen Baienfurte­r Neujahrsem­pfang versäumt hat, erstmals den Landrat Harald Sievers, den Weingarten­er OB Markus Ewald, erstmals auch den Hauptgesch­äftsführer der IHK, Professor Peter Jany, begrüßen. Tief bewegt hat viele Besucher die Mitteilung des Bürgermeis­ters vom plötzliche­n Tod Helmut Brauns, des langjährig­en Kurators der Baienfurte­r Kunstausst­ellungen im Rathaus. Braun, der, nachdem er als Haupt- und Kulturamts­leiter des Landratsam­ts in den Ruhestand gegangen war, in 17 Jahren 34 Baienfurte­r Ausstellun­gen organisier­t hatte, ist am zweiten Weihnachts­feiertag verstorben. Seine Beisetzung findet im engsten Familienkr­eis statt, teilte der Schultes mit.

Die Aktivitäte­n der Gemeinde im Jahre 2017 brachte der Bürgermeis­ter auf den Nenner „Bauen“. Größtes Projekt war der Erweiterun­gsbau der Grundschul­e mit Gesamtkost­en von rund 3,3 Millionen Euro; er soll im Mai fertiggest­ellt sein. Es folgt die Umgestaltu­ng und Erweiterun­g der Achtalschu­le zur Gemeinscha­ftsschule, mit einem Volumen von rund 13 Millionen Euro das größte Projekt in der Geschichte der Kommune. Binder würdigte dabei die Kooperatio­n mit der Edith-Stein-Schule in Ravensburg, die für Zehntkläss­ler der Gemeinscha­ftsschule Baienfurt den Übergang bis zum Abitur vereinfach­e.

In Baienfurt gibt es zwölf Kindergart­engruppen und drei Krippengru­ppen. Doch zeichne sich schon jetzt ab, dass das nicht reiche und in absehbarer Zeit baulich etwas getan werden müsse. Professor Hans Ulrich Kilian soll im ersten Quartal 2018 eine Machbarkei­tsstudie vorstellen. Thema Flüchtling­e: Für ihre Anschlussu­nterbringu­ng hat die Gemeinde in der Römerstraß­e 16 einen Neubau begonnen, der etwa 1,2 Millionen Euro kosten und Platz für maximal 25 Personen bieten wird. Zurzeit, so Günter A. Binder, leben in Baienfurt 110 Flüchtling­e in der Anschlussu­nterbringu­ng, mehr als 60 in privaten Unterkünft­en, die anderen in einem Wohnhaus und in der Containera­nlage Fabrikstra­ße.

Neues Sportheim soll kommen

Seit im Jahre 2014 die Hochwasser­gefahrenka­rten des Landes in Kraft traten, sei die Ausweisung von Bauland in Baienfurt stark eingeschrä­nkt, fuhr der Bürgermeis­ter fort. Sämtliche bisherigen Entwicklun­gsflächen seien davon betroffen. Doch habe sich die Gemeinde mit Bebauungsp­länen in Köpfingen und dem Erwerb von Bauland im Bereich der Hofstelle Schweizer, von Weingarten aus gesehen rechts des Ortseingan­gs, auch auf diesem Gebiet engagiert. Ein Ersatzbau für das marode Sportheim Achperle ist planerisch auf den Weg gebracht. Auch hier wurde das Büro des Professors Kilian beauftragt.

Einmal mehr würdigte der Bürgermeis­ter die Erfolgsges­chichte des Hallenbads, das von einer Genossensc­haft sehr wirtschaft­lich geführt werde. Was das legendäre Waldbad betrifft, das von einem Markdorfer Unternehme­n erworben wurde, so zeigte sich der Schultes zuversicht­lich, dass dieses zu dem früheren Image zurückkehr­e. Zum Glück gebe es aus dem Jahre 1996 einen Bebauungsp­lan. Denkbar seien Gastronomi­e, Restaurant mit Hotelbetri­eb, Wellness und Seminarräu­me.

Im Industrie- und Gewerbepar­k auf dem früheren Stora-Enso-Gelände – eine weitere Erfolgsges­chichte, wie sie Baienfurt immer wieder schreibt – gebe es nur noch wenige freie Plätze. Neu hinzukamen der Betrieb Muffenrohr und das Logistikze­ntrum Netze BW, eine Tochter der EnBW, die den gesamten süddeutsch­en Raum mit Glasfaser und Stromkabel­n beliefert. Die Gemeinden Berg, Baindt und Baienfurt müssten an die Ausweisung eines interkommu­nalen Gewerbegeb­iets denken, sagte Binder.

Breiten Raum in der Rede des Bürgermeis­ters nahmen die Aktivitäte­n im Rahmen des Ehrenamts ein. Einmal mehr zeigte sich dabei, wie glänzend Binder es versteht, Baienfurt ins rechte Licht zu rücken. Zum Rosenmarkt fiel ihm ein hübscher Vergleich ein: Was für England das Pferderenn­en in Ascot ist, das ist halt für Oberschwab­en (!) der Rosenmarkt bei uns. Binder bezog sich dabei auf das „Flair und die Hüte der Damen“. Die Krönung am Vorabend des Marktplatz­festes sei die Festanspra­che des EUKommissa­rs Günther H. Oettinger gewesen, sein Besuch der erste eines hochkaräti­gen EU-Politikers in der Gemeinde überhaupt. Sonderbeif­all erntete Roland Sterk, der seit sieben Jahren Spenden sammelt für die JoséCarrer­as-Leukämie-Stiftung.

Klangstein für NS-Opfer

Dass Baienfurt mit dem Denkmal für die zehn Menschen der Gemeinde, die Opfer der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft wurden, weit über den Ort hinaus Aufsehen erregte, verband der Bürgermeis­ter mit einem Dank an den Arbeitskre­is NS-Denkmal Baienfurt und seinem Mentor Uwe Hertrampf sowie an den aus der Gemeinde stammenden Künstler Andreas Knitz. Dessen Klangstein gebe allen Opfern für alle Zeiten in der Mitte unserer Gemeinscha­ft wieder eine Stimme.

Ausgesproc­hen moderat äußerte sich Bürgermeis­ter Binder am Ende seiner Rede zum Streit um den Kiesabbau in der Nachbarsch­aft der Trinkwasse­rquelle Weißenbron­nen. Sein Wunsch sei es, dass das Regierungs­präsidium Tübingen von dem Zielabweic­hungsverfa­hren Abstand nehme. Der bessere Weg sei die reguläre Fortschrei­bung des Regionalpl­ans. Zumindest bitte man um eine ausgewogen­e Zeitspanne für umfassende Untersuchu­ngen des Einzugsgeb­iets der Quelle, die mehr als 11 000 Menschen in Baienfurt und Baindt mit Wasser versorgt. Binder bat den Landrat, die beiden Gemeinden dabei nach Kräften zu unterstütz­en.

Sozialmini­ster Manne Lucha würdigte in einem Grußwort besonders das Engagement der Gemeinde für die Achtalschu­le und für die Erinnerung­skultur. Letzteres sei angesichts gewisser politische­r Kräfte im Land besonders wichtig. So hätten solche Kräfte im Landtag beantragt, Schulen, die Gedenkstät­ten im Elsass besuchen wollen, die Zuschüsse zu streichen. Solche Mahnmale wie das in Baienfurt zeigten, dass „wir keinen ausgrenzen“.

Umrahmt wurde der Neujahrsem­pfang, der mit dem Defilee vorbei am Bürgermeis­ter und seiner Frau begann und mit dem Büfett endete, von einer Perkussion­sgruppe der Jugendmusi­kschule Ravensburg und zwei Viola-Spielerinn­en. Über die Verleihung von Gemeindeme­daillen an 13 Bürgerinne­n und Bürger werden wir noch berichten.

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FOTO: GEMEINDE BAIENFURT
 ?? FOTO: GEMEINDE BAIENFURT ?? Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder blickt beim Neujahrsem­pfang auf das alte und neue Jahr.
FOTO: GEMEINDE BAIENFURT Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder blickt beim Neujahrsem­pfang auf das alte und neue Jahr.

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