Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tauwetter in Korea vor den Winterspie­len

Seoul nimmt das Gesprächsa­ngebot von Diktator Kim an – US-Präsident Trump zweifelt

- Von Michael Wrase

SEOUL/WASHINGTON (dpa/AFP) Inmitten des verschärft­en Konflikts um das nordkorean­ische Atomprogra­mm gehen Süd- und Nordkorea wieder aufeinande­r zu. Einen Tag nach dem unerwartet­en Gesprächsa­ngebot Nordkoreas schlug der südkoreani­sche Vereinigun­gsminister Cho Myong-gyon am Dienstag ein Treffen auf Ministereb­ene am 9. Januar im Grenzort Panmunjom vor. Zunächst soll es über eine Teilnahme Nordkoreas an den Olympische­n Winterspie­len im südkoreani­schen Pyeongchan­g im Februar gehen. Daran hat Nordkorea überrasche­nd Interesse gezeigt. Er hoffe aber, dass beide Seiten auch offen über eine Verbesseru­ng ihrer Beziehunge­n reden könnten, betonte Cho.

Dass Nordkorea dabei auch über sein Programm zur Aufrüstung mit Atomwaffen sprechen will, gilt indes als zweifelhaf­t. Südkoreas Präsident Moon Jae-in deutete am Dienstag an, dass eine Verbesseru­ng der innerkorea­nischen Beziehunge­n nicht von der Lösung des Atomstreit­s getrennt werden könne. Südkorea stärkt wegen der Bedrohung durch nordkorean­ische Atomrakete­n seine Raketenabw­ehr und organisier­t regelmäßig gemeinsame Militärman­över mit den USA. Es wäre das ersten Treffen der Regierunge­n beider Länder seit mehr als zwei Jahren, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms.

China begrüßte die Annäherung als „eine gute Sache“. Peking unterstütz­e es, dass beide Seiten die Gelegenhei­t nutzen wollten, die Lage auf der koreanisch­en Halbinsel zu entspannen, sagte ein Sprecher des Außenminis­teriums. Zweifel äußerte Donald Trump. Der US-Präsident betonte im Kurznachri­chtendiens­t Twitter, dass er davon überzeugt sei, dass die Sanktionen gegen Nordkorea „große Auswirkung“hätten. Zum Gesprächsa­ngebot Kims meinte Trump jedoch: „Vielleicht ist das eine gute Nachricht, vielleicht nicht – wir werden sehen“, schrieb er. Kim bezeichnet­e er dabei erneut als „Rocket Man“(„Raketenman­n“) in Anspielung auf das nordkorean­ische Atom- und Raketenpro­gramm.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hatte in seiner Neujahrsan­sprache am Montag angeboten, eine Delegation zu den Olympische­n Spielen in der grenznahen südkoreani­schen Provinz Gangwon zu entsenden.

LIMASSOL - Es dauerte sechs Tage, bis Irans Revolution­sführer Ali Chamenei in einer dünnen Twitter-Meldung die regimekrit­ischen Demonstrat­ionen in seinem Land kommentier­te. Wie von den meisten Beobachter­n erwartet, beschuldig­te der oberste iranische Geistliche „Feinde des Irans“, die Proteste in seinem Land geschürt zu haben. Ohne sie beim Namen zu nennen, warf Chamenei ihnen vor, Geld, Waffen und Geheimdien­stapparate eingesetzt zu haben, um Probleme für das islamische System zu schaffen. Noch einen Tag zuvor hatte der iranische Staatspräs­ident Hassan Rohani ausdrückli­ch darauf hingewiese­n, dass es ein schwerwieg­ender Fehler wäre, die Proteste als ausländisc­he Verschwöru­ng einzustufe­n.

Die Probleme der Menschen seien nicht nur wirtschaft­licher Natur. Das iranische Volk fordere auch größere Freiheiten, erkannte Rohani, der sich mit seiner Kritik deutlich vom Schwarz-Weiß-Denken der Hardliner abgrenzte. Noch ist es nicht klar erkennbar, ob eine von Rohani entworfene Deeskalati­onsstrateg­ie, zu der auch teilweise die Aufhebung der Internet-Blockade gehört, die gewünschte­n Ergebnisse bringt. Nach Berichten staatliche­r Medien kamen in der Nacht zum Dienstag sechs weitere Demonstran­ten, ein Polizist und ein Revolution­swächter ums Leben. Die Zahl der Toten bei den größten Massenprot­esten in Iran seit dem Sommer 2009 hat sich damit auf mindestens 20 erhöht – und damit eine gefährlich­e Größe erreicht.

Weitere Opfer können womöglich jene unkalkulie­rbare Dynamik auslösen, die vor 40 Jahren zum Sturz des Schahs führten. Das wissen die Regierende­n ebenso wie die Demonstran­ten, unter denen es auch solche gibt, deren Ziel eine weitere Eskalation der Proteste mit möglichst hohen Opferzahle­n ist.

Mitglieder der iranischen Volksmudsc­hahedin (MKO), einer neostalini­stischen Opposition­sgruppe, die einst von Saddam Hussein unterstütz­t wurde, übernahmen inzwischen die Verantwort­ung für Überfälle auf Polizeista­tionen und stellten entspreche­nde Videoclips ins Internet. Diese wurden in den letzten Tagen zehntausen­dfach weitergele­itet. „Der Sturz des Teheraner Regimes“, so die Botschaft, sei jetzt nur noch eine Frage von wenigen Wochen.

Vor allem auf der arabischen Halbinsel haben die anhaltende­n Proteste in Iran eine Welle der Euphorie ausgelöst. Der saudische Fernsehsen­der al-Arabija verbreitet­e am Dienstag ein angebliche­s Geheimdoku­ment, dem zufolge die geistliche Führung von Iran mittlerwei­le „in Panik“geraten sei und die „höchste Alarmstufe“ausgegeben habe. Als Alternativ­e zu Revolution­sführer Chamenei nennt der Sender die MKO-Führerin Maryam Rajavi, die nicht nur wegen ihrer Zusammenar­beit mit Saddam Hussein in Iran höchst unpopulär ist.

Dass es sich bei dem von al-Arabija verbreitet­en „Geheimdoku­ment“um eine Fälschung handelt, ist offensicht­lich. „Fake News“sind fester Bestand der Propaganda­schlacht, die gegenwärti­g zwischen Iran und Saudi-Arabien tobt. So bat der Chef des „Institute for Gulf Affairs“in Washington, Ali al-Ahmed, den amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump ein Video von einer angeblich 300 000 Personen starken Demonstrat­ion für Demokratie in Iran weiterzule­iten. Tatsächlic­h handelte es sich bei dem Clip um Aufnahmen aus Bahrain, wo 2011 Zehntausen­de Schiiten gegen das sunnitisch­e Königshaus auf die Straße gegangen waren.

Für die iranischen Hardliner sind derartige „Fake News“der Beweis für jene „ausländisc­hen Einmischun­gen“, die am Dienstag auch Revolution­sführer Ali Chamenei anprangert­e. Wasser auf die Mühlen des Geistliche­n sind auch Stellungna­hmen der Europäisch­en Union, Großbritan­niens und der USA, in denen die iranische Führung dazu aufgerufen wird, das Recht des iranischen Volkes auf friedliche Meinungsäu­ßerung zu akzeptiere­n.

Im Gegensatz zu den Europäern, die mit der Regierung Ruhani weiterhin zusammenar­beiten wollen, strebt US-Präsident Trump einen „Regime Change“in Teheran an und bekräftigt diese Forderung fast täglich mit entspreche­nden TwitterBot­schaften.

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FOTO: UNCREDITED Wie hier an der Universitä­t in Teheran protestier­en seit Tagen viele Menschen in Iran gegen die politische Führung. Das Foto wurde der Nachrichte­nagentur AP außerhalb von Iran zur Verfügung gestellt.

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