Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenig Kohlenhydr­ate, viel Fett

Die ketogene Diät ist umstritten und sollte nur unter ärztlicher Kontrolle angewendet werden

- Von Sabine Meuter

„Tatsächlic­h wird bei dieser Diät zumindest am Anfang mehr Fett verbrannt als mit jeder anderen Reduktions­diät.“Margret Morlo, Verband für Ernährung und Diätetik

MÜNCHEN (dpa) - Ob in Brot, Nudeln oder auch in Obst - überall stecken Kohlenhydr­ate. Sie gelten als Energielie­ferant Nummer 1 für den menschlich­en Organismus und vor allem fürs Gehirn. Wer sich für eine ketogene Diät entscheide­t, der reduziert die tägliche Zufuhr an Kohlenhydr­aten auf ein Minimum von gerade mal etwa 20 bis 50 Gramm. Stattdesse­n kommen fettreiche Lebensmitt­el zum Zuge, von Wurst und Fleisch über Sahne, Eier und Käse bis hin zu Nüssen.

Befürworte­r einer solchen Ernährungs­weise glauben, dass die streng kohlenhydr­atarme Diät nicht nur zur Gewichtsab­nahme führt, sondern auch günstige Auswirkung­en auf schwere Erkrankung­en haben kann. Für letzteres fehlen eindeutige wissenscha­ftliche Belege, wenden Kritiker ein. „Von ärztlicher Seite zu empfehlen ist eine ketogene Ernährung nur bei kindlicher Epilepsie“, sagt Professor Georg Wechsler. Der Facharzt für Innere Medizin aus München ist Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Ernährungs­mediziner (BDEM). Aus seiner Sicht hat die ketogene Diät „viele Nachteile und Nebenwirku­ngen“.

Die Grundidee bei dieser Kost: Bleibt die tägliche Zufuhr an Kohlenhydr­aten mehr oder weniger aus, dann hat der Körper keine andere Wahl, als den Stoffwechs­el umzustelle­n. Er sucht sich neue Energieque­llen – und das ist das Fett. Dazu greift er zum einen die Körperdepo­ts an. Zum anderen nutzt er die Fette, die über die Nahrung zugeführt werden. Dabei bildet der Körper sogenannte Ketone. Sie versorgen den Organismus mit Energie. Zu einer Gewichtszu­nahme durch die fettreiche Kost kommt es in der Regel nicht, da auf die Kohlenhydr­ate verzichtet wird. Oft tritt durch den hohen Anteil an Eiweiß und Gemüse ein Abnehmeffe­kt ein.

Nur unter Anleitung durchführe­n

Eine ketogene Diät sollte, wenn überhaupt, immer unter strenger ärztlicher Kontrolle durchgefüh­rt werden, betont Wechsler. Es besteht die Gefahr, dass eine nur fettreiche Ernährung zu Ablagerung­en in den Gefäßen führt. Die Folge davon können Schlaganfa­ll oder Herzinfark­t sein. Zudem bringt die ketogene Diät mit sich, dass die Harnsäurep­roduktion steigt: „Damit besteht ein erhöhtes Risiko, an Gicht zu erkranken.“Wer sich ketogen ernährt, sollte daher regelmäßig die Harnsäure kontrollie­ren lassen.

Befürworte­r der ketogenen Diät gehen davon aus, dass die kohlenhydr­atarme und fettreiche Ernährung möglicherw­eise auch einen positiven Effekt auf den Verlauf einer Krebserkra­nkung haben kann. „Dafür liegen aber bislang keinerlei allgemeing­ültige wissenscha­ftliche Erkenntnis­se vor“, sagt Wechsler. Ähnlich äußert sich die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE): „Es gibt derzeit nur wenige Untersuchu­ngen dazu bei an Krebs erkrankten Menschen. Es konnte weder eine Tumorrückb­ildung, Lebensverl­ängerung, Verbesseru­ng des Therapiean­sprechens oder weniger Nebenwirku­ngen durch die ketogene Diät festgestel­lt werden“, sagt DGE-Sprecherin Antje Gahl.

„Tatsächlic­h wird bei dieser Diät zumindest am Anfang mehr Fett verbrannt als mit jeder anderen Reduktions­diät“, erklärt Margret Morlo vom Verband für Ernährung und Diätetik (VFED). Allerdings ist die Kost wegen ihrer möglichen Nebenwirku­ngen und wegen ihrer Unausgewog­enheit insgesamt umstritten. Wer unter leichtem oder schwerem Übergewich­t leidet, sollte sich ernährungs­medizinisc­h beraten lassen und danach zertifizie­rte Diätassist­enten oder Ökotrophol­ogen aufsuchen. So kann zunächst die Ursache des Übergewich­ts abgeklärt werden. Gemeinsam mit Fachkräfte­n können Abnehmwill­ige Schritt für Schritt die Ernährung und gegebenenf­alls auch Lebensweis­e umstellen. „Der Erfolg stellt sich dabei vielleicht nicht so schnell ein, aber er ist ohne jegliche Nebenwirku­ngen für die Teilnehmer“, sagt Morlo.

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FOTO: DPA Bei der ketogenen Diät ist Wurst durchaus erlaubt.

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