Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klassenfasnet in der Neuwiesenschule
Weil er auch unterm Jahr eine Lederjacke mit Fransen an den Ärmeln trug, war´s klar, dass mein Freund Frank während der Fasnet immer Old Shatterhand sein durfte. Außerdem besaß er mehrere Käpselespistolen mit drehbaren Magazinen, von denen er keine einzige auch nur für einen oder zwei Schüsse auslieh. Auch die Rolle Winnetous war jahrelang vergeben, weil die Mutter von Norbert, Landwirtin eines stadtnahen Hofes, ihrem Sohn einen prächtigen Federschmuck aus Hennen – und Gänsefedern gebastelt sowie rot gezackte Streifen aus Filz an die Hosen genäht hatte.
Zu meinem Pech lehnten meine Eltern sowohl Cowboy-Pistolen als auch Tomahawks und Pfeil und Bogen aus Gründen ab, die sich mir nie erschlossen haben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich zur Schulfasnet in der Neuwiesenschule als Schaffner der deutschen Bundesbahn geschickt wurde. Man hatte mir eine Bundesbahner-Mütze aufgesetzt, einen roten Gürtel mit Täschlein für Fahrkarten und Rausgeld umgebunden und eine Trillerpfeife in den Mund gesteckt. Meine Widerreden wurden auch erstickt mit einem rot-grünen Täfelchen für Ankunft-und Abfahrtkommandos sowie einem stilechten Knipser zum Lochen der Fahrkarten.
Warum man mir aber damals zwei verschiedene Schuhe anzog, blieb mir unklar. Sollte das ein besonderer Fasnets-Gag sein oder auf die materiell unbefriedigende Lage mancher Eisenbahnbediensteter hinweisen ? Jedenfalls erzielte ich als Schaffner in der Neuwiesenschule einen zeitlebens nie mehr erreichten Heiterkeitserfolg. Ich verließ die Veranstaltung vorzeitig und habe seither keine Lust mehr dazu, als Mäschkerle zur Fasnet zu gehen.