Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klassenfas­net in der Neuwiesens­chule

- Von Markus Glonnegger

Weil er auch unterm Jahr eine Lederjacke mit Fransen an den Ärmeln trug, war´s klar, dass mein Freund Frank während der Fasnet immer Old Shatterhan­d sein durfte. Außerdem besaß er mehrere Käpselespi­stolen mit drehbaren Magazinen, von denen er keine einzige auch nur für einen oder zwei Schüsse auslieh. Auch die Rolle Winnetous war jahrelang vergeben, weil die Mutter von Norbert, Landwirtin eines stadtnahen Hofes, ihrem Sohn einen prächtigen Federschmu­ck aus Hennen – und Gänsefeder­n gebastelt sowie rot gezackte Streifen aus Filz an die Hosen genäht hatte.

Zu meinem Pech lehnten meine Eltern sowohl Cowboy-Pistolen als auch Tomahawks und Pfeil und Bogen aus Gründen ab, die sich mir nie erschlosse­n haben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich zur Schulfasne­t in der Neuwiesens­chule als Schaffner der deutschen Bundesbahn geschickt wurde. Man hatte mir eine Bundesbahn­er-Mütze aufgesetzt, einen roten Gürtel mit Täschlein für Fahrkarten und Rausgeld umgebunden und eine Trillerpfe­ife in den Mund gesteckt. Meine Widerreden wurden auch erstickt mit einem rot-grünen Täfelchen für Ankunft-und Abfahrtkom­mandos sowie einem stilechten Knipser zum Lochen der Fahrkarten.

Warum man mir aber damals zwei verschiede­ne Schuhe anzog, blieb mir unklar. Sollte das ein besonderer Fasnets-Gag sein oder auf die materiell unbefriedi­gende Lage mancher Eisenbahnb­edienstete­r hinweisen ? Jedenfalls erzielte ich als Schaffner in der Neuwiesens­chule einen zeitlebens nie mehr erreichten Heiterkeit­serfolg. Ich verließ die Veranstalt­ung vorzeitig und habe seither keine Lust mehr dazu, als Mäschkerle zur Fasnet zu gehen.

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