Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Traum von der Zeitreise
Der Traum von der Zeitreise wird seine Faszination nie verlieren.
Die Milka nimmt sich dieses Themas in ihrer Kampagne aus der Narrensicht an. Man kann sich schon lebhaft vorstellen, wie die
Gags im Konzerthaus sprudeln, wenn es in Ravensburg ein paar Hundert Jahre zurückgeht und die Themen und Protagonisten doch in einer direkten Evolutionslinie im Hier und Heute enden.
Doch auch abseits der Fasnet hätte die Zeitreise ihren Reiz: Ihren 40. Geburtstag feiert derzeit die Duale Hochschule in Ravensburg. 3600 Studenten vermeldet die DHBW im Jubiläumsjahr. Da ist es für viele Jüngere eine interessante Vorstellung, dass 1978 die damalige Außenstelle der Berufsakademie Stuttgart in Schulklassengröße mit 43 einsamen Industrieund Maschinenbaustudenten an den Start gegangen war. Heute ist viel von dem jungen Stadtbild die Rede, das maßgeblich von den Studenten geprägt werde. Sah Ravensburg dann 1978 wirklich so alt aus, wie es der Umkehrschluss nahelegt? Übrigens: Wenn in zehn Jahren die „50“an der DHBW begangen wird, möge sich bitte jemand an die Jubiläumsfeier 2018 im Ravensburger Kino erinnern. Selten ist ein großer Anlass so leicht, kurzweilig und sympathisch in Szene gesetzt worden.
Auch bei der Oberbürgermeisterwahl 1987 wäre der ein oder andere jüngere Mensch sicher gerne dabei gewesen. Ein jugendlicher Hermann Vogler im Wettstreit mit neun weiteren Kandidaten, darunter der unverwüstliche Kaminfegermeister Siegfried Scharpf, der damalige Ravensburger Polizeichef Reinhard Hölzer, vor allem aber „Remstalrebell“Helmut Palmer. Der machte aus seinem Wahlkampfauftritt eine Unterhaltungsshow. Mit fünf D-Mark Eintritt waren die Wähler damals in der Ringgenburghalle dabei. Einzelne Paradiesvögel sollen ja auch 2010 zur Wahl gestanden haben, als Daniel Rapp den Kampf ums Rathaus gewann. Eintritt hätte für die aber wohl niemand bezahlt.
Bald Vergangenheit ist auch das Bettenhaus West am Elisabethenkrankenhaus. Der Bau aus den 1960er-Jahren wird im Zuge des 266 Millionen Euro teuren Umbaus am EK abgerissen. Leere Gänge, verlassene Zimmer, staubige Fenster zeugen davon, dass die Zeit bald wieder ein neues Kapitel aufschlägt. Und doch ist es noch nicht lange her, dass sich in diesen Räumen unzählige Geschichten abgespielt haben, dramatische, traurige, fröhliche.
Und dann soll es eine Zeit gegeben haben, als das Parken in der Innenstadt noch gar kein großes Thema war, weil unter anderem der Marienplatz eine große Parkfläche gewesen ist. Eine Zeitreise könnte für all diejenigen, die jetzt fluchen, dass sie künftig auch in der Oberstadt nachts nicht mehr ihr Auto abstellen dürfen, heilsam sein: Kein Thema, bei dem man die Uhr zurückdrehen wollte, sagen diejenigen, die es aus der Rückschau beurteilen können.
Ihnen ein schönes Wochenende. Genießen Sie die Gegenwart.