Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Traum von der Zeitreise

- Von Frank Hautumm

Der Traum von der Zeitreise wird seine Faszinatio­n nie verlieren.

Die Milka nimmt sich dieses Themas in ihrer Kampagne aus der Narrensich­t an. Man kann sich schon lebhaft vorstellen, wie die

Gags im Konzerthau­s sprudeln, wenn es in Ravensburg ein paar Hundert Jahre zurückgeht und die Themen und Protagonis­ten doch in einer direkten Evolutions­linie im Hier und Heute enden.

Doch auch abseits der Fasnet hätte die Zeitreise ihren Reiz: Ihren 40. Geburtstag feiert derzeit die Duale Hochschule in Ravensburg. 3600 Studenten vermeldet die DHBW im Jubiläumsj­ahr. Da ist es für viele Jüngere eine interessan­te Vorstellun­g, dass 1978 die damalige Außenstell­e der Berufsakad­emie Stuttgart in Schulklass­engröße mit 43 einsamen Industrieu­nd Maschinenb­austudente­n an den Start gegangen war. Heute ist viel von dem jungen Stadtbild die Rede, das maßgeblich von den Studenten geprägt werde. Sah Ravensburg dann 1978 wirklich so alt aus, wie es der Umkehrschl­uss nahelegt? Übrigens: Wenn in zehn Jahren die „50“an der DHBW begangen wird, möge sich bitte jemand an die Jubiläumsf­eier 2018 im Ravensburg­er Kino erinnern. Selten ist ein großer Anlass so leicht, kurzweilig und sympathisc­h in Szene gesetzt worden.

Auch bei der Oberbürger­meisterwah­l 1987 wäre der ein oder andere jüngere Mensch sicher gerne dabei gewesen. Ein jugendlich­er Hermann Vogler im Wettstreit mit neun weiteren Kandidaten, darunter der unverwüstl­iche Kaminfeger­meister Siegfried Scharpf, der damalige Ravensburg­er Polizeiche­f Reinhard Hölzer, vor allem aber „Remstalreb­ell“Helmut Palmer. Der machte aus seinem Wahlkampfa­uftritt eine Unterhaltu­ngsshow. Mit fünf D-Mark Eintritt waren die Wähler damals in der Ringgenbur­ghalle dabei. Einzelne Paradiesvö­gel sollen ja auch 2010 zur Wahl gestanden haben, als Daniel Rapp den Kampf ums Rathaus gewann. Eintritt hätte für die aber wohl niemand bezahlt.

Bald Vergangenh­eit ist auch das Bettenhaus West am Elisabethe­nkrankenha­us. Der Bau aus den 1960er-Jahren wird im Zuge des 266 Millionen Euro teuren Umbaus am EK abgerissen. Leere Gänge, verlassene Zimmer, staubige Fenster zeugen davon, dass die Zeit bald wieder ein neues Kapitel aufschlägt. Und doch ist es noch nicht lange her, dass sich in diesen Räumen unzählige Geschichte­n abgespielt haben, dramatisch­e, traurige, fröhliche.

Und dann soll es eine Zeit gegeben haben, als das Parken in der Innenstadt noch gar kein großes Thema war, weil unter anderem der Marienplat­z eine große Parkfläche gewesen ist. Eine Zeitreise könnte für all diejenigen, die jetzt fluchen, dass sie künftig auch in der Oberstadt nachts nicht mehr ihr Auto abstellen dürfen, heilsam sein: Kein Thema, bei dem man die Uhr zurückdreh­en wollte, sagen diejenigen, die es aus der Rückschau beurteilen können.

Ihnen ein schönes Wochenende. Genießen Sie die Gegenwart.

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