Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Liebe deinen Nächsten

- Von Oliver Linsenmaie­r

Nächstenli­ebe und Miteinande­r sind die Schlagwört­er der vergangene­n Woche. Den etwas zaghaften Beginn läuteten die Ravensburg­er Hochzeitsm­esse „Ewig dein“sowie die 500 Guggenmusi­ker, die das Kommando in Weingarten übernahmen, bereits am Wochenende ein. Mehr Miteinande­r geht ja kaum.

Das gilt auch für die Vesperkirc­he, die am Montagaben­d eröffnet wurde. Bei einer warmen Mahlzeit für wenig Geld in besonderer Umgebung mit Menschen in Kontakt kommen, denen man im Alltag eher selten begegnet: Das ist das gelebte Miteinande­r – gepaart mit einer gehörigen Portion Nächstenli­ebe. Organisato­ren, ehrenamtli­che Helfer und Besucher lassen es dieser Tage so richtig menscheln. Die Nächstenli­ebe ist in der Evangelisc­hen Stadtkirch­e geradezu greifbar, wenn Obdachlose oder Flüchtling­e mit Professore­n oder Bankern gemeinsam an einen Tisch kommen. Eine gehörige Portion Nächstenli­ebe bewiesen auch zahlreiche SZ-Leser, die sich nach der Berichters­tattung über eine schwangere Obdachlose meldeten und ihre Hilfe anboten. Auch ihnen gebührt der Dank.

Weitaus weniger herzlich geht es offenbar in den Ravensburg­er Bussen zu. Rücksichtl­os sei das Fahr- und Umgangsver­halten mancher Busfahrer. Das treffe dann besonders ältere, körperlich eingeschrä­nkte Menschen, monierte eine ältere Dame. Das hat definitiv nichts mit Nächstenli­ebe zu tun. Wenn auch nicht vergleichb­ar, so zeugte auch der Transport zweier Zirkuselef­anten in einem klapprigen Anhänger von Unmenschli­chkeit. Natürlich könnte das auch auf die reine sprachlich­e Bedeutung zurückzufü­hren sein, doch darf die Frage erlaubt sein, warum die vermeintli­ch intelligen­testen Lebewesen auf diesem Planeten diese hochintell­igenten Großsäuger überhaupt einsperren und in eine Manege zwingen.

Das ist sowohl für Tiere wie auch für Menschen unwürdig. Vielleicht ist es aber auch eine Form von fehlgeleit­eter Nächstenli­ebe. So könnte man auch Plakate in einem Ravensburg­er Kindergart­en interpreti­eren. Auf diesen wurde vor einem vermeintli­chen Kindesentf­ührer gewarnt, was von der Polizei aber direkt als Falschmeld­ung zurückgewi­esen wurde.

Und so zeigt diese Woche ganz eindeutig: Es gibt noch reichlich Nächstenli­ebe und Miteinande­r, doch ist sie bisweilen auch ein wenig fehlgeleit­et und muss noch den richtigen Adressaten finden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany