Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Liebe deinen Nächsten
Nächstenliebe und Miteinander sind die Schlagwörter der vergangenen Woche. Den etwas zaghaften Beginn läuteten die Ravensburger Hochzeitsmesse „Ewig dein“sowie die 500 Guggenmusiker, die das Kommando in Weingarten übernahmen, bereits am Wochenende ein. Mehr Miteinander geht ja kaum.
Das gilt auch für die Vesperkirche, die am Montagabend eröffnet wurde. Bei einer warmen Mahlzeit für wenig Geld in besonderer Umgebung mit Menschen in Kontakt kommen, denen man im Alltag eher selten begegnet: Das ist das gelebte Miteinander – gepaart mit einer gehörigen Portion Nächstenliebe. Organisatoren, ehrenamtliche Helfer und Besucher lassen es dieser Tage so richtig menscheln. Die Nächstenliebe ist in der Evangelischen Stadtkirche geradezu greifbar, wenn Obdachlose oder Flüchtlinge mit Professoren oder Bankern gemeinsam an einen Tisch kommen. Eine gehörige Portion Nächstenliebe bewiesen auch zahlreiche SZ-Leser, die sich nach der Berichterstattung über eine schwangere Obdachlose meldeten und ihre Hilfe anboten. Auch ihnen gebührt der Dank.
Weitaus weniger herzlich geht es offenbar in den Ravensburger Bussen zu. Rücksichtlos sei das Fahr- und Umgangsverhalten mancher Busfahrer. Das treffe dann besonders ältere, körperlich eingeschränkte Menschen, monierte eine ältere Dame. Das hat definitiv nichts mit Nächstenliebe zu tun. Wenn auch nicht vergleichbar, so zeugte auch der Transport zweier Zirkuselefanten in einem klapprigen Anhänger von Unmenschlichkeit. Natürlich könnte das auch auf die reine sprachliche Bedeutung zurückzuführen sein, doch darf die Frage erlaubt sein, warum die vermeintlich intelligentesten Lebewesen auf diesem Planeten diese hochintelligenten Großsäuger überhaupt einsperren und in eine Manege zwingen.
Das ist sowohl für Tiere wie auch für Menschen unwürdig. Vielleicht ist es aber auch eine Form von fehlgeleiteter Nächstenliebe. So könnte man auch Plakate in einem Ravensburger Kindergarten interpretieren. Auf diesen wurde vor einem vermeintlichen Kindesentführer gewarnt, was von der Polizei aber direkt als Falschmeldung zurückgewiesen wurde.
Und so zeigt diese Woche ganz eindeutig: Es gibt noch reichlich Nächstenliebe und Miteinander, doch ist sie bisweilen auch ein wenig fehlgeleitet und muss noch den richtigen Adressaten finden.