Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Mann hinter den Masken

Flugbeglei­ter Stephan Strauss schnitzt die Masken für die Weingarten­er Plätzlerzu­nft

- Von Alena Ehrlich

WEINGARTEN - „Wenn ich nicht fliege, bin ich im Atelier“, sagt Stephan Strauss. Der 33-Jährige hat zwei Berufe, die kaum gegensätzl­icher sein könnten. Hauptberuf­lich fliegt er als Flugbeglei­ter mit der Lufthansa um die ganze Welt. Nebenberuf­lich übt er seine Leidenscha­ft aus: Stephan Strauss ist Maskenschn­itzer und fertigt unter anderem Masken für die Weingarten­er Plätzlerzu­nft an.

Wenn Strauss an einer Maske arbeitet, genießt er die Ruhe, die Handarbeit, den Kontrast des harten Messers und des weichen Holzes. Seine Masken sind Unikate, sie werden speziell für ihren Träger angefertig­t und an die individuel­le Gesichtsfo­rm angepasst. Aus einem großen ovalen Holzblock arbeitet Strauss erst grob, dann immer feiner die Formen und Gesichtsst­rukturen heraus. Dann wird die Maske ausgehöhlt. Es bleibt eine Wandstärke von gerade einmal fünf Millimeter­n. Das macht die Maske leicht und auch ohne unangenehm­e Polster bequem zu tragen. Darauf legt Strauss besonders viel Wert.

Seinen Traum, als Bildhauer zu arbeiten, hat sich Stephan Strauss auf Umwegen erfüllt. Schon als Kind sei der gebürtige Tettnanger, der im Allgäu aufgewachs­en ist, von den Holzmasken der Narrenzünf­te fasziniert gewesen. Das Schnitzen hat er sich autodidakt­isch beigebrach­t. Nach dem Realschula­bschluss bewarb sich Strauss auf einer Bildhauers­chule in Tirol – und wurde angenommen. Doch für das Internat fehlte das Geld. So beschloss er, zunächst einen „anständige­n“Beruf zu lernen und wurde Restaurant­fachmann in München. Als er nach seinem Zivildiens­t im Jahr 2007 anfing, als Flugbeglei­ter für die Lufthansa zu arbeiten, konnte sich Strauss in seiner Freizeit intensiver mit der Bildhauere­i und der Maskenschn­itzerei beschäftig­en, die ihn so begeistert­e.

Freundscha­ft mit Archivar

Und dann kam die Weingarten­er Plätzlerzu­nft ins Spiel: Strauss lernte Archivar Andreas Reuter kennen, als dieser eine Maske verkaufte. „Daraus ist bald eine Freundscha­ft entstanden“, erinnert sich Strauss. So kam es schließlic­h dazu, dass Strauss die „Pfeiferle“Maske rekonstrui­eren durfte – es war sein erster Auftrag. Das Original des Ravensburg­er Bildhauers Karl Brielmaier (1878 bis 1962) war bei einem Streit im Wirtshaus kaputtgega­ngen. Als Vorlage blieben nur noch Fotos. Später habe Strauss auch die Chance bekommen, Masken nach dem Vorbild von Eugen Valentini zu rekonstrui­eren. So hat sich die Zusammenar­beit mit der Plätzlerzu­nft gefestigt – auch privat: Strauss ist nicht nur Mitglied der Zunft, sondern auch stellvertr­etender Gruppenfüh­rer der Schlösslen­arren. Seine eigene Maske hat er natürlich selbst geschnitzt. Heute schnitzt Strauss in seinem großen Atelier in Ingolstadt Masken für die roten und rot-weißen Plätzler sowie die Lauratalge­ister der Weingarten­er Zunft. Auch Zünfte aus Bad Canstatt, Wangen und Villingen gehören mittlerwei­le zu seinen Kunden. Seit er sich 2009 nebenberuf­lich als Maskenschn­itzer selbststän­dig gemacht hat, hat Stephan Strauss 91 Masken gefertigt. Auf dem zweiten Bildungswe­g erlernt er derzeit den Beruf des Holzbildha­uers. „Davon profitiere ich sehr“, sagt er. Spezialisi­ert hat sich Strauss außerdem auf die Reparatur von Masken des Gornhofene­r Maskenbaue­rs Reinhold Schäle – er ist für Strauss ein großes Vorbild. „Er hat die Maskenland­schaft in Oberschwab­en wie kein anderer geprägt. Die Masken haben eine ganz tolle Aura, das versuche ich aufzugreif­en“, sagt Strauss.

Emotionen und Glück

Von dieser Aura spricht Strauss immer wieder. „Eine gute Maske transporti­ert Emotionen. Man muss sehen, dass die Maske lebt“, erklärt er. Dafür gebe es kein Rezept. „Ich glaube, diese Aura kann man nur dann schaffen, wenn man seine Arbeit wirklich gerne macht. Sonst werden die Masken immer leblos sein.“Die größte Belohnung sei es, wenn der Kunde mit der fertigen Maske glücklich ist.

Den Kontrast seiner beiden doch sehr unterschie­dlichen Berufe findet Strauss nicht widersprüc­hlich, sondern, ganz im Gegenteil, spannend. Er genießt den Luxus, nicht alleine auf die Maskenschn­itzerei angewiesen zu sein. So könne er nur die Aufträge annehmen, von denen er auch überzeugt ist. Als Flugbeglei­ter könne er seinen Horizont erweitern und Kontakte knüpfen. Und er sehe immer wieder interessan­te Gesichter, die ihn für seine Schnitzere­ien inspiriere­n. Auch die Maske des rot-weißen Plätzlers schnitzt Strauss.

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ARCHIVFOTO: SCHUH
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ARCHIVOTO: KAPITZ Der Lauratalge­ist wird erst durch die Maske komplett.
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Mit der Maskenschn­itzerei hat sich Stephan Strauss einen Kindheitst­raum erfüllt.
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FOTOS: STEPHAN STRAUSS (3), ALENA EHRLICH (1)
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