Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Berufsschuldebatte vor der Entscheidung
Langer Ausschuss-Debatte folgt heute die Kreistagssitzung – Inhalte, Verkehrswege und Zeitschienen strittig
RAVENSBURG/WANGEN - Keine Beschlussempfehlung für den am heutigen Donnerstag tagenden Kreistag – aber eine klare inhaltliche Tendenz: Auf diesen Nenner lässt sich die dreistündige Diskussion des Kreiskulturund Schulausschusses zur künftigen Berufsschulstruktur am Dienstag in den Gewerblichen Schulen Ravensburg bringen.
Dabei zeichnete sich – wie bereits in Kurzform berichtet – eine Mehrheit für das von den Oberbürgermeistern Wangens und Leutkirchs als Kompromissvorschlag favorisierte Modell K3 ab. Dieses sieht zwar auch die Bildung von Kompetenzzentren an den fünf Berufsschulstandorten und die Zusammenlegung diverser Bildungsbereiche vor. Aus Wangener Sicht gäbe es dabei allerdings „glimpflichere“Einschnitte als beim zunächst von der Verwaltung vorgeschlagenen Modell K2.
OBs werben für Kompromiss
Michael Lang (Freie Wähler) und Hans-Jörg Henle (CDU) erläuterten in der Debatte ihre Beweggründe für K3. Der Leutkircher OB Henle gab zu, sich „von den ersten Kirchturmüberlegungen nach vorn entwickelt“zu haben. Zwar wäre K2 „für Leutkirch das interessantere Modell“gewesen. Aber: Beim Ausschussbesuch des Beruflichen Schulzentrums Wangen (BSW) „ist mir klar geworden, dass man noch weitere Punkte betrachten muss“, etwa die Notwendigkeit, dort Übergangsklassen zu behalten. Deswegen sei K3 ein „ausgewogener Kompromissvorschlag“.
Wangens Rathauschef Michael Lang bezeichnete die angestrebten Zusammenlegungen als „schweren
Schritt“. Ihn „schmerzt unheimlich“, dass es aus Wangener
Sicht gerade dort Einschnitte geben soll, wo er den Bedarf am größten sieht: im Baubereich und bei den technischen Ausbildungsgängen: „Hier ist eigentlich ein Aufbau nötig.“Dass Lang dennoch K3 befürwortete, begründete er mit einem „schwierigen Lernprozess.“Zumal er bezweifelte, ob die Schüler die Verlagerung von Ausbildungsgängen an andere Standorte mitgehen: „Ob die Schüler dort ankommen, weiß niemand.“
Dass sich für die donnerstägliche Kreistagssitzung eine Mehrheit für die zuletzt auch von Landrat Harald Sievers unterstützte Variante K3 abzeichnet,
„Es ist völlig wurscht, ob KfZ-Schüler oder eine andere Klasse in einem Raum sitzt, wo es von der Decke tropft.“
liegt auch in der Haltung der stärksten Fraktion begründet: der CDU. Sämtliche ihrer Redner sprachen sich im Ausschuss grundsätzlich ebenfalls für dieses Modell aus. Josef Forderer gab sich zum Beispiel zuversichtlich: „Das wird eine gute Lösung werden.“
Der Wangener CDU-Vertreter Christian Natterer sprach ebenfalls von einem Kompromiss, der aus Sicht des hiesigen BSW den Erhalt eines zweizügigen Technischen Gymnasiums und „breite Eingangsklassen“beinhalte. Mit Blick auf den gemeinsamen Vorstoß von Lang und Henle ergänzte er: „Dass es eine Einigkeit der Allgäustädte gibt, freut mich.“
Wangens Oberbürgermeister Michael Lang
SPD will Betroffene hören
Gleichwohl: Im Schulausschuss ging es beileibe nicht allein um die Varianten K2 und K3 und Allgäuer Kompromisse. Denn aus Sicht der SPD sind derlei Einschnitte derzeit gar nicht nötig. Fraktionschef Rudolf Bindig schlug stattdessen „minimalinvasive Lösungen“vor. Zum Einen, weil er an den Beruflichen Schulen in derzeitiger Form „eine hohe Kompetenz“sieht. Zum Anderen sei Vorsicht geboten, da die anstehende Entscheidung „Tausende, wenn nicht Zehntausende“Schüler und Eltern im Landkreis betreffe. Diese seien bis dato noch nicht gehört worden.
Bindig machte seine Kritik unter anderem an drohenden weiten Wegen für die Schüler fest. Ob diese zumutbar seien, werde in den gesamten Unterlagen der Kreisverwaltung „nirgendwo erwähnt“. Konkret benannte er (einfache) Schulwege von Leutkirch nach Ravensburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von knapp zwei Stunden. „Diese Problematik kann nicht einfach abgetan werden“, erklärte er.
Bindig und sein Wangener Fraktionskollege Gerhard Lang erneuerten überdies ihre Forderung, die generelle Entscheidung zur Berufsschulstruktur auf die Kreistagssitzung im März zu vertagen. „Wir haben keinen großen Druck“, so Lang. Seiner Meinung nach zieht auch das Argument des baulichen Investitionsstaus an mehreren Standorten in diesem Zuge nicht. Dringende Sanierungen müssten unabhängig von Standortverlagerungen angegangen werden. Überspitzt formulierte er: „Es ist völlig wurscht, ob KfZ-Schüler oder eine andere Klasse in einem Raum sitzt, wo es von der Decke tropft.“
Mit dieser Haltung stieß die SPD indes auf wenig Gegenliebe. Mehrere Redner forderten: Die Schulen bräuchten jetzt ein politisches Signal. Hans-Jörg Henle verwies zudem auf die laufenden Anmeldungen für das kommende Schuljahr. Schuldezernent Franz Baur widersprach Gerhard Lang: „Grundlage ist das Raumprogramm. Daraus leitet sich das Investitionsprogramm ab.“
Er schlug vor, gemeinsam Prioriäten zu setzen, was zuerst notwendig ist. Wobei an den Schulen in Ravensburg klarer sei, was zu tun ist.
„Wir sollten die Umsetzung nicht auf die lange Bank schieben.“
Umsetzung ist Knackpunkt
Franz Baur
Weiterer Knackpunkt war die zeitliche Umsetzung zur Bildung von Komptenzzentren. Von der Kreisverwaltung bereits für das kommende Schuljahr vorgesehen, hielt Michael Lang dies für „gar nicht möglich“. Die Schüler bräuchten Klarheit, deshalb sprach er sich für einen Start „frühestens 2019/20 oder später“aus. Gerhard Lang erklärte: „Ich habe Zweifel, dass das technisch und pädagogisch meisterbar ist.“
Franz Baur hielt dagegen: „Wir sollten die Umsetzung nicht auf die lange Bank schieben.“Man sollte schnell einsteigen. Landrat Harald Sievers erläuterte: „Es geht darum, dass man sich zum neuen Schuljahr zu neuen Standorten anmelden kann.“Bestandsschutz genössen hingegen die derzeitigen Schüler an ihren jeweiligen Standorten.
Unwidersprochen blieben hingegen Forderungen, im Zuge der anstehenden neuen Struktur die Anbindungen des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern, wie etwa von Hildegard FiedelHertrampf (Grüne) und Michael Lang formuliert und am Mittwoch sinngemäß auch von der SPD in einen von mehreren Anträgen zur Kreistagssitzung gegossen. Landrat Sievers wollte diesen Punkt um Überlegungen zum Zeitpunkt des Unterrichtsbeginns ergänzt sehen: „Ich verstehe bis heute nicht, warum die Schule um 7.30 Uhr zu einer Unzeit beginnen muss.“