Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine eigene Palliativversorgung
Bodenseekreis wird von Ravensburg mitversorgt – Noch fehlen tragende Organisationsstrukturen
FRIEDRICHSHAFEN - Der Bodenseekreis ist in der palliativen Versorgung nicht gut genug aufgestellt. „Derzeit existiert im Bodenseekreis in keinem der drei Krankenhäuser eine Palliativstation“, heißt es im Bericht zur Kommunalen Gesundheitskonferenz 2017. Nach Zahlen des Jahres 2016 haben im Bodenseekreis 51 Hausärzte und 15 Fachärzte eine palliativmedizinische Zulassung, aber eine zentral organisierte, ambulante, palliative Versorgungsstruktur gibt es nicht. Stattdessen wird der Kreis vom Dienst Clinic Home Interface (CHI) mitversorgt, der von der Oberschwabenklinik in Ravensburg getragen wird. Doch der stößt an seine Grenzen. 101 Patienten hat CHI 2017 im Bodenseekreis versorgt, sowohl zu Hause als auch in Pflegeeinrichtungen – und der Bedarf wächst.
Beschwerden lindern ist das Ziel
Die Palliativmedizin kümmert sich um Menschen, die unter einer unheilbaren Erkrankung leiden; einer Erkrankung, die zum Tod führen wird. In ihrem Zentrum steht nicht mehr die Behandlung der Krankheit, sondern die Linderung von Schmerzen und Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit oder Angst- und Unruhezuständen. Sehr wichtig ist die persönliche Zuwendung.
Das Landratsamt Bodenseekreis ist in Gesprächen mit dem Klinikum Friedrichshafen. Das Klinikum meldet „grundsätzliches Interesse“am Aufbau eigener Strukturen zur palliativen Versorgung des Bodenseekreises an – und auch an einer eigenen Palliativstation. Über Organisationsformen und Kosten wird derzeit noch nicht öffentlich gesprochen; erste Antworten will das Klinikum aber demnächst geben. Ein Blick ins Ravensburger Elisabethenkrankenhaus zeigt, was der Betrieb einer Palliativstation bedeutet: Die Station in Ravensburg bietet Raum für zehn Patienten, die in Einzelzimmern untergebracht sind, mit Übernachtungsmöglichkeiten für die Angehörigen. Der Aufenthaltsbereich für Treffen mit Patienten ist größer ausgelegt als auf anderen Stationen. Die eingesetzten Ärzte sind speziell für die Palliativmedizin ausgebildet, ebenso wie die Pflegekräfte. Für die Patienten gibt es zusätzliche Angebote wie Entspannungstherapie, Physiotherapie und Musiktherapie.
Sammlung für Palliativzimmer
Zehn Palliativzimmer – davon ist man in Friedrichshafen noch weit entfernt. Derzeit sammelt der Verein der Freunde und Förderer des Klinikums Friedrichshafen Spenden für die Einrichtung eines ersten Palliativzimmers im Klinikum. Benötigt werden 40 000 Euro. „Die Idee wurde von Dr. Detlev Jäger an uns herangetragen, dem Vorsitzenden des Ethikkomitees des Klinikums“, sagt HansJoachim Simmendinger, der dem Freundeskreis vorsteht. Das Palliativzimmer wird ein Einzelzimmer sein. „Hier soll der Patient zu sich selbst finden und sich in Ruhe von seinen Angehörigen verabschieden können – abseits des übrigen unruhigen Klinikbetriebs.“Wie auf der Palliativstation in Ravensburg werden Angehörige beim Patienten übernachten können.
Das Palliativzimmer in Friedrichshafen solle für Menschen in der Sterbephase da sein, so Simmendinger. Palliativstationen nehmen dagegen unheilbare Patienten mit einer längerfristigen Diagnose auf. „Sie werden auf der Palliativstation wieder zu Kräften gebracht, eventuell wird die Schmerzbehandlung neu eingestellt und die Patienten werden dann zu Hause weiterversorgt“, fasst Simmendinger zusammen.
Brigitte Tauscher-Bährle vom Hospiz in Friedrichshafen freut sich über den Plan zum Palliativzimmer im Klinikum. „Bei uns im Hospiz sterben im Jahr zwischen 90 und 100 Menschen“, sagt sie. „Im Krankenhaus sind es viel mehr.“Zwischen drei- und vierhundert, präzisiert Simmendinger und macht so die Dringlichkeit deutlich. „Oft ist im Hospiz kein Platz mehr frei“, stellt er fest, „oder es geht bei den Patienten nur noch um die letzten Stunden oder Tage“. Sie in dieser Phase vom Klinikum ins Hospiz zu verlegen, könne mehr Belastung als Hilfe sein.
Der „Arbeitskreis Palliativversorgung im Bodenseekreis“sieht noch viel Handlungsbedarf, bis im Kreis eine eigene Palliativversorgung aufgestellt ist. Bislang seien selbst Fachkräfte in der gesundheitlichen Versorgung über die bestehenden Angebote der Palliativversorgung nicht ausreichend informiert. Zudem müssten Pflegedienste und niedergelassene Ärzte ihre palliativen Angebote und auch ihre Kenntnisse ausbauen. Außerdem sieht der Arbeitskreis die Notwendigkeit eines engeren Austauschs zwischen Krankenhäusern, Sozialdiensten, Pflegediensten sowie der stationären Hospiz- und Palliativeinrichtungen; Hausaufgaben, die der Arbeitskreis anpacken will, denn in ihm sind die wichtigsten regionalen Akteure des Themenfeldes vertreten.
Der Verein der Freunde und Förderer des Klinikums Friedrichshafen freut sich über Spenden für das geplante Palliativzimmer. Überweisungen bitte an die Sparkasse Bodensee (IBAN
DE07 6905 0001 0024 2432 14) und an die Volksbank Friedrichshafen (IBAN
DE31 6519 0110 0033 1560 00).