Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Seinen Eichenriesen benannte er nach einem Schiller-Gedicht
Warum der Holzbildhauer Klaus Prior sogar die Pilze an seiner Skulptur „Ibykus II“mag
In unserer Serie stellen wir in loser Folge „Skulpturen in Ravensburg“vor. In Teil 9 lesen Sie heute über Klaus Priors Kunstwerk „Ibykus II“.
RAVENSBURG - Zigarettenkippen liegen an seinen Füßen. Mitunter steht er inmitten einer Versammlung von Mülltonnen. Und aus dem Kopf heraus wachsen ihm Pilze. „Ibykus II“heißt die 5,20 Meter hohe Holzskulptur, die seit 2010 an der Marktstraße ihren Platz hat und somit zu den jüngsten Kunstwerken im öffentlichen Raum der Stadt Ravensburg zählt. Geschaffen hat sie der Holzbildhauer Klaus Prior. Dass sich sein Ravensburger „Ibykus“derzeit in einem eher traurigen Zustand befindet, stört den Künstler jedoch keineswegs. „Mein Anliegen ist nicht, Werke für die Ewigkeit zu schaffen“, sagt er. Und Pilze an einer Holzskulptur zählen nun einmal zu deren üblichen altersbedingten Gebrechen. Ebenso wie die von der Witterung abgewaschene Farbe, denn „Ibykus II“war einst schwarz und weiß und rot bemalt. „Ich schätze es, wenn die Natur das Holz auswäscht“, sagt Prior, der seine Arbeiten ohnehin nicht immer als hundertprozentig abgeschlossen ansieht.
Über mehrere Monate hinweg hat er mit einigen Unterbrechungen in Ravensburg an den ursprünglich drei „Ibykus“-Skulpturen gearbeitet. Geschaffen sind sie aus alten Eichenstämmen, die der Künstler aus Deutschland, der Schweiz und Norditalien bezieht. Vor Ort in Ravensburg hat er die Figuren nahe der Ulmer Straße gesägt. „Ich arbeite fast ausschließlich mit allen möglichen Größen von Kettensägen“, sagt Prior, der „völlig unvorbereitet“ans Werk geht. Ohne Skizzen. Ohne Pläne. „Die Stämme bearbeite ich relativ spontan“, sagt er.
Anspielung auf Schillers Ballade
Der 5,20 Meter hohe „Ibykus“soll jedoch nicht etwa eine Abbildung des gleichnamigen griechischen Lyrikers sein. Sondern eine Anspielung auf Friedrich Schillers Ballade „Die Kraniche des Ibykus“. Weshalb? „Irgendwie kam mir immer wieder diese eine Zeile des Gedichts in den Sinn, das ich in der Schule gelernt hatte“, sagt Prior. „Wer zählt die Völker, nennt die Namen…“heißt es da. Und Prior, der sich als ständiger Zeitungsleser mit dem Tagesgeschehen beschäftigt und in Zeitungen immer wieder „über sich gegenseitig bekriegende Völker“gestolpert sei, habe die drei Skulpturen daher nach Ibykus benannt – völlig frei.
„Ich arbeite ja nicht illustrativ“, sagt er. Und tatsächlich mutet seine Holzskulptur an der Marktstraße zwar an wie eine männliche Figur, mit Kopf und Gesichtszügen, doch verliert sie sich in der Andeutung. Die zwei weiteren Skulpturen „Ibykus I“und „Ibykus III“, die Prior vor gut sieben Jahren in Oberschwaben aus den Stämmen schälte, sind übrigens anderweitig untergekommen: Die eine steht in Gutenstein im Landkreis Sigmaringen, die andere befindet sich noch immer im Besitz des Bildhauers.
Die Entstehung der drei Skulpturen ist der Initiative des Waldseer Kunstvereins Keck zu verdanken: In Ravensburg finanzierte eine ganze Reihe von Sponsoren die monumentale Holzskulptur, die Anwohner der Marktstraße und Sponsoren der Stadt Ravensburg schenkten. Kunst im öffentlichen Raum zu schaffen, bedeutet für Klaus Prior, wie er sagt, „eine Herausforderung“, denn: „Ich gestalte nicht unbedingt etwas, das einen Bezug zum Ort oder der Architektur hat.“Und doch passt sein „Ibykus II“bestens an seinen Platz, wie er findet: „Ans Obertor musste etwas Klotziges. Und die alte Eiche passt zu den historischen Häusern mit ihren riesigen Balken.“
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