Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tiefe Einblicke in Unbekanntes
Fotograf Marcus Schwier eröffnet seine Ausstellung „Ravensburg“im Kunstmuseum
RAVENSBURG - Ein Streifzug durch eine Stadt wie Ravensburg kann so oder so ausfallen. Der Fotograf Marcus Schwier aus Düsseldorf hat sich vor einem Jahr aufgemacht, um für das Format „Fremde Blicke“im Kunstmuseum Ravensburg seine am Freitagabend eröffnete Ausstellung zu realisieren. Schlicht „Ravensburg“titeln die Stadtporträts, die auf ungewohntem fotografischem Wege tiefe Einblicke in Bekanntes geben.
Marcus Schwier, 1964 in Düsseldorf geboren, ist ein offener, direkter und überaus versierter Mensch. Die Gastfreundschaft in Ravensburg sei ihm sofort aufgefallen. „Essen und Bilder machen an einem sonnigen Tag – wunderbar!“, erzählt er während eines Rundgangs. So habe die Serie der Stadtporträts ihren Anfang genommen: ein gedeckter Frühstückstisch im Freien, darüber ein weiter Blick auf Ravensburg.
Auffallend in der Schau surreal verfremdeter Ablichtungen ist die Verwendung eines Infrarot-Films namens Kodak Aerochrom, mit dem Schwier seit mehr als 20 Jahren im Schwarz-weiß- und Farbbereich experimentiert. Das Sichtbarmachen von tief unter der Oberfläche liegenden Schichten macht sich Schwier zunutze. Rottöne in den unterschiedlichsten Schattierungen vermitteln einen mystischen, fern ab der Realität liegenden Bildausschnitt. Von malerischer Strahlkraft und magischer Anziehung.
Flappach als Ausgangspunkt
Ausgangspunkt für Schwier war der Flappach. Dem Wasserlauf ist er gefolgt in Richtung Stadt. Ohne vorher angelegten Plan, sondern intuitiv und sensorisch. In Sachen Türme hat er sich auf das Obertor beschränkt. Extreme Dunkelheit herrscht auf der Ablichtung, die er bei Tageslicht gemacht hat. Alles erscheint umgekehrt – Helles ist dunkel, Dunkles ist hell. Bedingt durch den Einsatz von schwarz-weißem Infrarotlicht.
Schwiers Fotografien wollen irritieren, was den Umgang mit Farbe und Raum angeht. Das zeigen weitere Arbeiten wie die vier architektonischen Einblicke in das Kunstmuseum. Schwier spricht von Formfindungen in ungemein fein aufeinander abgestimmten, hellen Kontrastabstufungen dieser Dunkelkammerarbeiten. „Da ist nichts arrangiert. Die sind so, wie sie sind“, sagt er. Ein Aspekt, der bildhauerische, kommt hier wie in weiteren Aufnahmen zum Tragen. So sind dem „Flaneur“extraordinäre Einblicke in Produktionshallen von ortsansässigen Industrien wie Vetter Pharma, Andritz Hydro, der Brauerei Leibinger und der Mönchmühle gelungen. „Man sieht nichts genau, man ahnt nur etwas“, ließe sich ein Empfinden beschreiben. Wenn sich Rohre ineinander verzweigen und alte aufgestapelte Bierfässer ihren industriellen Charme entwickeln. Dagegen hochmoderne, in Edelstahl glänzende Fertigungseinrichtungen stehen. Menschenleer lichtet Schwier die Lagerhallen ab. Den Fokus richtet er auf die Verschränkung von Vertikalen und Horizontalen und auf die Farbigkeit.
Schwiers Kameratechnik offenbart eine ungeahnte Fülle an perspektivischen und strukturellen Details. Er sei schon vorher in Ravensburg gewesen. „Jede Stadt hat ihre Besonderheiten. Ich mache keine Wertung, sondern habe einen dokumentarischen Ansatz. Der soll möglichst neutral sein“, sagt er. Das Zusammenspiel haptisch-sinnlicher Farbigkeit und glasklarem Blick auf Unbekanntes macht den Reiz aus.
Die Ausstellung „Ravensburg“im Kunstmuseum Ravensburg dauert bis 8. April. Sie ist von dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, donnerstags 11 bis 19 Uhr geöffnet.