Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In der Alten wie in der Neuen Musik zu Hause
Rolf Lislevand mit dem Concerto Stella Matutina aus Vorarlberg
WEINGARTEN - Der norwegische Lautenspieler Rolf Lislevand, der vor einigen Jahren einen beeindruckenden Soloabend im Schlössle gegeben hatte, kam nun mit dem elfköpfigen Vorarlberger Barock-Orchester Concerto Stella Matutina auf die große Bühne des Kultur- und Kongresszentrums (Kuko). Der 56-jährige freundliche Riese aus Oslo spielte neben einer kleineren Barocklaute auch seine langhalsige Theorbe, die über 14 Saiten und einen zweiten Wirbelkasten verfügt. Ihm zur Seite der kongeniale Thor-Harald Johnsen mit der Barocklaute, der bei Lislevand in Deutschland studiert hat.
Ein Ensemble unter dem Namen des Morgensterns mit nur zwei Musikerinnen – der Violinistin Susanne Mattle und der Kontrabassistin Barbara Fischer – und in einer erweiterten Besetzung: Zum Basso Continuo, der Truhenorgel, gesellten sich die erste Violine von Andreas Pilger und die Viola von Lucas Schurig-Breuß sowie das Cello von Thomas Platzgummer auf der linken Seite sowie der Bläserchor aus zwei Trompeten (Herbert Walser-Breuß und Bernhard Lampert) und der Posaune (Stefan Konzett) auf der rechten Seite. Die Besonderheit bestand in der Besetzung mit dem zweiten Kontrabass von Florian King und der Percussion (Georg Tausch) mit einem modernen Schlagzeug, dessen kleine Trommel, zwischendurch mit einem Tuch abgedeckt, unter den Schlägeln die Perkussion der Renaissance genauso wachzurufen vermochte wie in den freien Improvisationen unter weitgehendem Verzicht auf Becken und Besen eine sehr farbenreiche zeitgenössische Transformation des Melodieoder Rhythmusmotivs der alten Werke.
Vorliebe für Tanzweisen
Ein höchst anregender und musikalisch erfrischender Abend, der das stattliche Publikum im Kuko so nachhaltig begeisterte, das es sich noch zwei Zugaben erklatschte. Der Musik aus dem 16. bis zum 18. Jahrhundert mit Werken von weniger bekannten Komponisten wie dem aus Mähren stammenden Pavel Josef Vejvanovský, dem Italiener Giovanni Paolo Foscarini, dem Spanier Diego Ortiz und dem Tschechen Philipp Jakob Rittler standen große Namen wie Händel, Frescobaldi oder Purcell gegenüber wie auch Werke von anonymen Musikern. Ihnen allen gemeinsam jedoch ist – und das war das Verdienst dieser erkenntnisreichen „Musikstunden“– die Vorliebe für Tanzweisen, eingängige Melodien und Rhythmen und die Variabilität ihrer Variationen, Verzierungen und Improvisationsmöglichkeiten. Gerade im intimen Kammerensemble, wie man es sich damals an den Höfen vorstellen musste, kamen seinerzeit die charakteristischen Farben der Instrumente und ihre perkussiven Qualitäten zum Tragen.
Dies alles transponierten Lislevand und Johnsen und das Ensemble aus großartigen Solisten in jedem der 13 Stücke in fließendem Wechsel in die Jetztzeit. Dass manche Passagen der Lautenmusik dann an spanische Flamencogitarre oder gleich an Paco de Lucía erinnerten, oder andere Stücke in ihrem perkussiv untermalten Klopfen fast ein wenig an Westernfilmmusik, dass die tolle Posaune, aber auch die Trompeten mit Dämpfer in butterweichen Jazz hinüberführten, so zart, dass der ja eher robuste Händel ganz weichgespült wirkte all das war so gekonnt, durchdacht und floss doch so natürlich ineinander, dass man mal wieder seinen eigenen Assoziationen und Gedanken nachhängen konnte. Und das ist nun mal die Gewähr für richtig gute Musik. So auch, als es querbeet durch alle Stile in Tomasz Stankos „Suspended Variations“(2002) ging oder sehr orientalisch in einem anonymen Werk, das Lislevand bearbeitet hatte. Und die Zugaben? Zuerst „Greensleeves“, auch ein Lautenstück, um 1600 in England entstanden, und noch einmal die „Intrada“vom Beginn. Großer einhelliger Jubel.