Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Am Ende ging es um Kompromisse
Debatte um Berufsschulen im Kreis ist entschieden – Lang und Henle setzen sich mit ihrem Vorschlag durch
BERGATREUTE/WANGEN - Die Entscheidung ist gefallen: Nach monatelangen Debatten hat der Kreistag mit großer Mehrheit eine Neuordnung der Berufsschulen im Landkreis Ravensburg beschlossen. Verabschiedet wurde am Donnerstagabend mit der Variante „K3“das „sanfteste“von drei Modellen zur Bildung von Kompetenzzentren und der damit verbundenen Zusammenlegung von Ausbildungsgängen. Wie emotional das Thema war und ist, wurde in der Bergatreuter Gemeindehalle deutlich. Weniger bei der zwar intensiven, aber sachlichen Diskussion als vielmehr dokumentiert durch proppevolle Zuhörerreihen.
Zahlreiche Lehrer und Schüler der Kreisberufsschulen waren nach Bergatreute gekommen, um der Debatte zu folgen. Und sie spendeten mehrfach Applaus. Vor allem, wenn sich Gegner der von der Kreisverwaltung auf den Tisch gelegten Modelle äußerten – wie etwa Vertreter der SPD. Am Ende waren die Sozialdemokraten mit ihrem Werben um mehr Verständnis und der stärkeren Beachtung von Schülerbelangen, insbesondere bei den von ihnen scharf kritisierten, langen Schulwegen, aber deutlich in der Minderheit.
Denn dem vor knapp einer Woche veröffentlichten Antrag der Oberbürgermeister Wangens und Leutkirchs für die Variante „K3“hatte sich kurz danach die CDU-Fraktion angeschlossen. Sie brachte das Papier der Rathauschefs mit in das Gremium ein. Schließlich hatte sich auch Landrat Harald Sievers dem Vorschlag angeschlossen und damit das von der Kreisverwaltung favorisierte, weiter gehende Modell „K2“de facto verworfen. Am Ende gab es bei 62 anwesenden Kreisräten lediglich neun Gegenstimmen für „K3“.
„Für keinen schmerzfrei“
In der Debatte kamen zahlreiche, zwei Tage zuvor im Schulausschuss ausgetauschte Argumente zum Tragen. Die beiden „K3“-Antragsteller, Hans-Jörg Henle (CDU) und Michael Lang (FW), sprachen sinngemäß erneut von einem hart erarbeiteten Kompromiss. Und davon, dass auch „K3“aus jeweiliger Sicht auf die „eigenen“Berufsschulstandorte in Leutkirch und Wangen nicht das Wunschergebnis sei.
So erklärte Henle: „Das war für keinen schmerzfrei, aber jeder hat gesehen, dass damit die Schullandschaft gestärkt wird.“Zumal die Variante „auf Besonderheiten“eingehe. Auch Lang sprach abermals von „schmerzhaften Einschnitten“durch den Verlust der Bereiche Metall und Elektrotechnik, betonte aber den Erhalt des zweizügigen Technischen Gymnasiums (TG) und der Übergangssysteme zwischen Schule und Beruf in Wangen. Für ihn ein entscheidender Unterschied zu „K2“, was den Abzug eines TG-Zugs sowie den weitgehenden Wegfall der Übergangsklassen vorsah.
Trotz der sich bereits im Vorfeld abzeichnenden Mehrheit für den Antrag Henles und Langs gab es im Kreistag weiterhin Befürworter des Modells „K2“– und zwar bei den meisten Grünen. Laut Roland Zintl hätte diese Variante eine „gute Balance“aus klarer Struktur, Bündelung und Qualität einerseits und der Einbeziehung von „Gewachsenem und Gewohnten“gebildet.
„K3“hingegen schwäche den ersten Faktor ab. Auch werde damit der Berufsschulstandort Leutkirch „nicht genug gestärkt“. Dort gebe es künftig 1300 Schüler, während es in Wangen 2100 seien, rechnete er vor. Dennoch ging die Mehrheit der Grünen am Ende bei „K3“mit, denn, so Zintl: „Bei dieser Ausgangslage war wohl nicht mehr drin.“
Berechnungen stellte auch die SPD in der Sitzung an – und zwar auf die aus Sicht der Fraktion wachsenden Schulwege. Fraktionschef Rudolf Bindig sprach von 2,5 Millionen „Personenkilometer“pro Jahr zusätzlich. Vor diesem Hintergrund kritisierte er mit Blick auf die Sitzungsunterlagen der Kreisverwaltung: „Die Schulwege und die Erreichbarkeit sind in keinem Papier erwähnt.“
Erneut sprach sich Bindig dafür aus, „nur zu ändern, was unbedingt geändert werden muss“. Damit fand die SPD ebenso keine Mehrheit wie mit dem Ziel, die Entscheidung erst im März zu fällen, um zuvor Schüler und Eltern zu hören. Unterstützung fand sie vor allem bei der ÖDP, für die Max Scharpf erklärte: „Da werden viele Wege unzumutbar.“
Die SPD erntete deutlichen Widerspruch, vor allem von der CDU: „Uns allen liegt das Wohl der Schüler und Eltern am Herzen“, erklärte etwa Josef Forderer, der aber zugab: „Es Rudolf Bindig, Fraktionschef der SPD gibt Leute, die müssen künftig weiter fahren.“In dem Votum vom Donnerstag sah er übrigens nur einen „Einstieg“in später eventuell nötige weitere Veränderungen und prognostizierte bei teils weiter sinkenden Schülerzahlen möglichen Blockunterricht.
Dass es bei der Entscheidung zur künftigen Berufsschulstruktur aus regionalen Gesichtspunkten nicht um Maximallösungen ging, sondern alle Seiten Kompromisse schließen müssen, wurde nicht nur in den Beiträgen von Michael Lang und HansJörg Henle deutlich. FW-Fraktionschef Oliver Spieß sprach von einem Ringen in seiner Fraktion. Siegfried Spangenberg (Grüne) gar von einer „Zerreißprobe“. Spieß spürte zudem ein „Bauchgrummeln“beim bereits für das kommende Schuljahr geplanten Start der Umsetzung. Auch sei ihm nicht klar, wie viel die Strukturveränderungen mit den anstehenden Schulinvestitionen von mehr als 200 Millionen Euro zu tun hätten.
Darüber hinaus deutete der Bürgermeister von Fronreute an, dass sich die Debatte zu sehr auf das Allgäu bezogen habe: „Den westlichen Landkreis gibt es ja auch noch.“Ähnlich äußerte sich Volker Restle, CDU-Fraktionschef und Bürgermeister von Horgenzell. Landrat Harald Sievers lobte am Ende die „Solidarität“und den „Interessenausgleich“der Kreisräte – insbesondere zwischen den Standorten im Allgäu.
„Jeder hat gesehen, dass damit die Schullandschaft gestärkt wird.“Hans-Jörg Henle, Oberbürgermeister von Leutkirch
„Die Schulwege und die Erreichbarkeit sind in keinem Papier erwähnt.“
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