Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wir demonstrieren mit den Füßen“
Gleichstellungsbeauftragte Komprecht zur Tanzaktion „One Billion Rising“– Zeichen gegen Gewalt an Frauen
RAVENSBURG - Die Tanz-Demonstration „One Billion Rising“– 2012 von der New Yorker Künstlerin Eve Ensler ins Leben gerufen – geht zum ersten Mal auch in Ravensburg über die Bühne. Termin vor dem Lederhaus auf dem Marienplatz ist am 17. März. Am 14. Februar, dem offiziellen Datum der weltweiten „One Billion Rising“-Aktion, startet vor Ort ein Rahmenprogramm. Ruth Auchter hat Eva-Maria Komprecht, die Ravensburger Gleichstellungsbeauftragte, nach Details gefragt.
Warum kommt „One Billion Rising“erst mit sechs Jahren Verspätung in Ravensburg an?
Die Kolleginnen der Beratungs- und Interventionsstelle Frauen und Kinder in Not beteiligen sich schon lange mit Aktionen am 25. November, dem internationalen Gedenktag gegen Gewalt an Frauen. Nun kamen sie mit der Katholischen Erwachsenenbildung auf mich zu und suchten Partnerinnen, um „One Billion Rising“in Ravensburg auf die Beine zu stellen. Mit ins Team nahmen wir die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Ravensburg, die Ravensburger Volkshochschule und zwei Tanzschulen, um mal anders auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen.
Wie denn?
Wir demonstrieren nicht mit Plakaten, sondern mit den Füßen und wollen mit einem gemeinsamen Tanz ein Zeichen der Solidarität mit allen betroffenen Frauen und Kindern setzen. Tanzen deshalb, weil es Spaß macht, Ausdruck von Lebensfreude ist, Kraft spüren lässt, selbstbewusst macht und Gemeinschaft bedeutet.
Wie läuft der Tanz auf dem Marienplatz ab?
Am 17. März um 11 Uhr erläutern wir zunächst, worum es bei der Initiative geht – nämlich darum, dass laut einer UN-Studie jede dritte Frau entweder geschlagen, vergewaltigt, erniedrigt oder auf andere Weise misshandelt wird. Jede dritte Frau – das sind eine Milliarde Frauen weltweit, auf Englisch bedeutet das one Billion. Insgesamt machen 200 Länder mit, in Deutschland sind rund 150 Städte dabei. Wir wollen rüberbringen: Gewalt gegen Frauen ist keine Privatangelegenheit, sondern, wie Robert Redford sagt, ein globaler Notstand. Die Ravensburger Sängerin Sabine Essich wird den Kampagnen-Song singen, und jede und jeder, der vorbei kommt und Lust hat, ist eingeladen, ein paar Minuten mitzutanzen. Bei schlechtem Wetter findet das Ganze im Gänsbühl-Center statt. Dazu sind die Beratungsstelle Frauen und Kinder in Not, der Weiße Ring, die Polizei sowie die Beratungsstellen von Caritas und Diakonie mit Infoständen präsent.
Können wirklich alle mittanzen?
Ja, natürlich! Es gibt eine einfache Choreografie für alle deutschen Städte – dafür braucht man eigentlich nicht viel Übung. Aber wer möchte, kann an vier Samstagen entweder in der Tanzschule Desweemèr oder dem Tanzcenter Geiger die Schritte einüben – kostenlos. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Leute mittanzen – auch Männer, Jung und Alt, eben jeder, der mag.
Die ganze Welt tanzt am 14. Februar, nur in Ravensburg wird erst am 17. März getanzt – warum?
Das kommt immer mal wieder vor. Der eigentliche „One Billion Rising“Tag ist der 14. Februar. Wir fanden aber, dass der Aschermittwoch in den Fasnetsferien nicht der ideale Tag ist, um die Menschen vor Ort für das Thema zu sensibilisieren. Darum haben wir die Aktion auf den 17. März verschoben.
Wird es den Aktionstag „One Billion Rising“auch künftig in Ravensburg geben?
Ja. Und dann möglichst am 14. Februar. Heuer liest Jutta Klawuhn am Valentinstag um 20 Uhr aus den „Vagina-Monologen“von Eve Ensler, dabei wird sie von Jazzmusikerin Isolde Werner begleitet.
Was ist sonst noch zu dem Thema geplant?
Am Montag, 19. Februar, 19.30 Uhr, spricht Chantal Michaelsen im Wirtschaftsmuseum über Kommunikation in der Partnerschaft; am Sonntag, 4. März, gibt Ursula Greven bei der Katholischen Erwachsenenbildung einen Workshop zur Kraft der Stimme, und am Mittwoch, 7. März, läuft in der Linse in Weingarten der Film „Die Frau des Polizisten“.
Gibt es auch in Ravensburg Gewalt an Frauen?
Ja, das ist auch bei uns ein Thema. Das Frauenhaus hier ist notorisch überfüllt – 2016 wurden dort 1680 Übernachtungen gezählt. So viele Frauen suchen dort Zuflucht, dass sie wegen Überbelegung immer wieder an andere Häuser vermittelt werden müssen. Auch der Verein Frauen und Kinder in Not hat viel zu tun: 245 Frauen haben dort im Jahr 2016 Hilfe gesucht – 70 Prozent wegen häuslicher Gewalt, 16 Prozent wegen sexueller Gewalt.