Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

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„Winter-Intermezzo“: Galerie 21.06 zeigt Martin Fausel, Oskar Julius Weiss und Erich Krotz

- Von Harald Ruppert

RAVENSBURG - Manchmal bilden nicht die beredten Kunstwerke das Zentrum einer Ausstellun­g, sondern die schweigend­en. Mit ihrer Ausstellun­g „Winter-Intermezzo“baut die Galerie 21.06 von Andrea Dreher und Stefanie Büchele ganz bewusst Spannungen auf, mit Skulpturen von Erich Krotz, Papierarbe­iten von Oskar Julius Weiss und Malerei von Martin Fausel.

Selbst bei der äußerst belebten Vernissage vom vergangene­n Samstag bilden die Acrylbilde­r des Wilhelmsdo­rfers Martin Fausel den Ruhepuls: Bis an die Grenze der Erkennbark­eit treten Figuren und Landschaft­en hinter die Oberfläche der Leinwand zurück. Fausels in Farblasier­ungen gehüllte Motive verpuppen sich wie unter einem Zeitschlei­er. Nur noch entschwind­ende Reste des Dargestell­ten haben an der Gegenwart teil, und was an Ahnungen bis zum Betrachter durchdring­t, ist ihr Anteil am Archetypis­chen. Fausels Bilder drücken damit Verlust und Tröstung gleicherma­ßen aus. Verlust durch eine Fülle von Details, die der Maler ihnen beigegeben haben mag und die nun nicht mehr sichtbar sind; und Trost, weil das Archetypis­che präsent bleibt, wie etwa ein Körperkoko­n, eine Horizontli­nie, die Silhouette eines Turms; gewisserma­ßen das mystisch Allgemeine.

Das Eigentlich­e herauszufi­ltern, geht nicht ohne Verluste ab – die Bereitscha­ft dazu zeigt Martin Fausel auch persönlich. Denn er prunkt nicht damit, Schüler von Dieter Krieg gewesen zu sein, sondern betont, dass er das Malen erst danach gelernt habe; wohl, indem er bei sich selbst in die Schule ging.

Die Galerie 21.06 sieht es als Auftrag, Künstler der Region im Blick zu behalten. Erst recht, wo es um den Ravensburg­er Maler Oskar Julius Weiss geht, der 1987 starb. Er bekam im vergangene­n Jahr nicht die große Erinnerung­sausstellu­ng, die ihm zum 30. Todestag gebührt hätte, wie Andrea Dreher in ihrer Einführung sagt. Die gezeigten Blätter aus dem Nachlass des Künstlers in Öl- und Wachskreid­e sprechen die Sprache der klassische­n Moderne in ihren kubistisch­en Experiment­en, die bis zur völligen Auflösung in geometrisc­he Farbfläche­n und im Ornament reichen. Die Lineaturen haben rhythmisch­en Schwung, die Farbigkeit ist ausgesproc­hen fröhlich, die Figur ergibt sich aus klaren Farbkontra­sten. Die Präsenz dieser Bilder und ihre Leichtigke­it stehen in Kontrast zu Martin Fausels Malerei. Vielleicht gelingt es ja, Oskar Julius Weiss doch noch eine große Ausstellun­g zu widmen: Im Jahr 2020 stünde sein Hundertste­r Geburtstag an.

Ein Ravensburg­er, den jeder kennt, ist der Dritte im Bunde: Erich Krotz. Dass seine Arbeit als Steinmetz von der als Bildhauer nicht zu trennen ist, zeigt Krotz mit manchem skulptural­en Grabstein auf dem Hauptfried­hof. In der Galerie zeigt er nun ausschließ­lich freie Arbeiten, denen eines gemein ist: Eleganz. Da ist etwa der „Wels“, ein stilisiert­er, in Stein gearbeitet­er makelloser Fischleib; einem Riesen würde er zum Handschmei­chler gereichen. Der „Liegende Torso“formuliert den gegenteili­gen Entwurf: Er ist keine glatte Einheit, sondern eine schroffe Kurve, die aus Hunderten von GneisBruch­stücken zusammenge­fügt wurde. Auch jene Säule stellt die Frage nach dem Verhältnis des Teils zum Ganzen: Mehr als zwei Dutzend Gesteinssc­heiben summieren sich zum gar nicht reizlosen Kurven-Torso.

Dazu kommt, im Schaulager der Galerie, abschließe­nd ein „KurvenMale­r“eigener Prägung: Andreas Scholz. Er hat die berühmte Verfolgung­sjagd aus dem Film „Bullit“in einen Block von 42 Szenenbild­ern verwandelt. „Diese zehn Minuten Film beschäftig­en mich jetzt schon zehn Jahre lang“, sagt er.

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FOTO: HARALD RUPPERT Klare Form trifft verschwind­ende Gegenständ­lichkeit: Der „Liegende Torso“von Erich Krotz vor der Malerei von Martin Fausel.

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