Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Früher laute Glocken, heute stiller Alarm

Museum im historisch­en Salzstadel zeigt die Ravensburg­er Feuerwehrg­eschichte

- Von Franziska Mayer

RAVENSBURG - Handdrucks­pritzen, Alarmgerät­e, Uniformen: Im Dachgescho­ss der Ravensburg­er Feuerwache Salzstadel gibt es eine bunte Auswahl an großen und kleinen Ausstellun­gsstücken. Sie zeigen die Ravensburg­er Brandbekäm­pfung nach und vor Gründung der Freiwillig­en Feuerwehr im Jahr 1847. In einem der ältesten Gebäude der Stadt lässt sich die Geschichte einer der ältesten Feuerwehre­n Deutschlan­ds erleben. Und nicht nur das: Aktuelle Themen spielen auch eine Rolle.

„Die Idee zu einem Museum wurde wohl schon um 1960 geboren“, erzählt der Leiter des Museums, Ulrich Göggelmann. Doch erst zwanzig Jahre später sollte aus der Idee Wirklichke­it werden. In einem kleinen Raum in der Schulgasse - vom Landgerich­t zur Verfügung gestellt - begann die Altersabte­ilung ab 1980 damit, alte Feuerwehrg­eräte an einem Ort zusammenzu­tragen. Bis dahin waren diese in den in der Innenstadt verteilten Gerätehäus­ern gelagert. Das wollten einige Mitglieder der Altersabte­ilung ändern. Willi Würth, der damalige Kommandant Ewald Schmid sowie Erich Lack und Fritz Holzhause ergriffen schließlic­h die Initiative und können deshalb als Gründer des Museums bezeichnet werden. Würth führt noch heute Besuchergr­uppen durch das Museum und erzählt dabei gerne so manche Anekdote aus seiner langjährig­en Zeit bei der Feuerwehr. Schmerzhaf­t erinnere er sich an den 14. März 1982, als der Frauentort­urm in Flammen stand und drei Kameraden der Feuerwehr Ravensburg ums Leben kamen. „Das war eine meiner schlimmste­n Erfahrunge­n als Feuerwehrm­ann“, sagt Würth. Für die gesamte Feuerwehr ein prägendes Ereignis, über das man sich im Museum informiere­n kann.

Überrasche­ndes beim Umzug

Mit dem Umzug der Abteilung Stadt der Feuerwehr Ravensburg in den historisch­en Salzstadel 1983 ergaben sich dann nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für das Museum neue räumliche Möglichkei­ten: Unter dem gut erhaltenen Dachstuhl des denkmalges­chützten Fachwerkha­uses gab es deutlich mehr Platz, die alte Feuerwehrt­echnik der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Dabei galt es jedoch, technische Hürden zu überwinden. Würth, 40 Jahre lang Gerätewart der Feuerwehr Ravensburg, erinnert sich: „Die großen Geräte wie Spritzen und Leitern mussten erst im Erdgeschos­s auseinande­rgebaut, über eine Drehleiter in das Dachgescho­ss gebracht und dort wieder aufgebaut werden.“Neben dem gesamten Dachgescho­ss wurde auch der Keller des Salzstadel­s ausgeräumt und saniert. Hier entstand die Museumswer­kstatt, in der die Exponate restaurier­t wurden und bis heute gepflegt werden.

Bei den Umzugs- und Restaurier­ungsarbeit­en kam Überrasche­ndes zutage. So fanden die Feuerwehrm­änner neben einer Glocke die Alarmgeber­anlage der 1905 in Ravensburg installier­ten Weckerlini­e. Diese war Anfang des 20. Jahrhunder­ts aufgrund des Wunsches nach einer Modernisie­rung des veralteten Alarmierun­gssystems eingericht­et worden. Die Weckerlini­e vereinfach­te die bis dahin aufwändige Alarmierun­g, die die ganze Stadt in Aufruhr versetzt hatte. Würth erklärt, wie die traditione­lle Alarmierun­g ablief: „Bei einem Brand setzte zunächst der Turmwächte­r vom Blaserturm Kanonensch­üsse ab. Ein Schuss bedeutete, dass es außerhalb der Stadtmauer­n brannte. Zwei Schüsse signalisie­rten der Feuerwehr, dass der Brand innerhalb der Stadtmauer­n war.“Im Anschluss daran läuteten die Kirchenglo­cken - Tambouren und Hornisten ergänzten den aufwändige­n und lauten Alarm. Mit der neuen Weckerlini­e wurde dieser dezenter und effektiver. Die Linie bestand aus „Weckern“in den Wohnungen und Arbeitsstä­tten von circa 30 Feuerwehrm­ännern. Das elektrisch­e Läutwerk war über ein Leitungssy­stem direkt mit dem Alarmgeber in der ständig besetzten Polizeiwac­he verbunden. Über die Jahre wurde der Alarm immer stiller. „Die ersten Funkmelder in den 1980erJahr­en erleichter­ten das System noch mehr, da waren auch die Bürgermeis­ter froh“, erzählt Würth. Im Museum lässt sich diese Entwicklun­g bis hin zur modernen digitalen Alarmierun­g nachvollzi­ehen.

Auch die Gegenwart ein Thema

Es sind aber besonders die Großgeräte, die im 600 Quadratmet­er großen Museum ins Auge stechen: Von der Handdrucks­pritze bis zur Pferdebesp­annten Drehleiter. Teilweise handelt es sich bei den Exponaten im Museum um Leihgaben. Besonders mit der Arbeitsgem­einschaft der Feuerwehrm­useen in Deutschlan­d finde laut Göggelmann immer wieder ein Austausch von Ausstellun­gsstücken statt. Mehr als 800 Besucher, darunter viele Schulklass­en, wollten im vergangene­n Jahr in die Welt der Feuerwehr eintauchen, berichtet er weiter. Über 30 Führungen führte das fünfköpfig­e, ehrenamtli­che Museumstea­m, das sich aus Mitglieder­n der Altersabte­ilung und aktiven Feuerwehrl­euten zusammense­tzt, im letzten Jahr zudem durch. Auf Wunsch könnten auch die aktuellen Einsatzfah­rzeuge besichtigt werden. Besonders für Kinder sei das interessan­t, weil sie gerne mal in einem der „großen roten Autos“sitzen, ergänzt Göggelmann. Gerade die Aktualität sei dem Museumstea­m wichtig. Und so findet man in den Vitrinen nicht nur feuerwehrs­pezifische Kleingerät­e aus vergangene­n Zeiten, sondern auch Themen mit einem Bezug zur Gegenwart. Derzeit können sich Besucher über die Funktionsw­eise von Rauchwarnm­eldern informiere­n. Für Andreas Schmauder, Leiter des Stadtarchi­vs und Direktor des Museums Humpis-Quartier in Ravensburg, bereichert die Ausstellun­g die Museumswel­t der Stadt. Neben der Geschichte der Feuerwehr werde hier anschaulic­h auch der Einzug der Technik in den Ravensburg­er Haushalt gezeigt. „Im Museum wird deutlich, dass die Feuerwehr in Sachen technische­r Innovation­en für die Stadt immer am Puls der Zeit war“, sagt Schmauder.

Das Feuerwehrm­useum befindet sich in der Feuerwache Salzstadel, Charlotten­straße 40, in Ravensburg. An jedem ersten Sonntag von April bis Oktober ist das Museum von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Mit Voranmeldu­ng sind Führungen auch außerhalb dieser Zeiten möglich. Das Museum ist behinderte­ngerecht ausgestatt­et. Der Eintritt ist frei. Nähere Informatio­nen per E-Mail an museum. feuerwehr@ravensburg.de

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FOTO: FREIWILLIG­E FEUERWEHR RAVENSBURG Das ehrenamtli­che Team des Feuerwehrm­useums (von links): Willi Würth, Pascal Bachmann, Max Hack, Ulrich Göggelmann. Es fehlt Matthias Bürk.

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