Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Musik braucht nicht den Umweg über die Sprache und über den Kopf“

Ulrich Tukur spricht über guten Stress, Wein und seine neue Tour mit der „ältesten Boyband Deutschlan­ds“

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FRIEDRICHS­HAFEN - Er gilt als einer der renommiert­esten Schauspiel­er Deutschlan­ds und ist ein erfolgreic­her Musiker: Ulrich Tukur. 1995 gründete er die Tanzkapell­e „Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys", mit der er schon viele Alben veröffentl­icht hat. Am 17. Februar spielen sie die Premiere zu ihrem neuen Programm in Berlin und treten damit am Samstag, 10. März, um 20 Uhr im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen auf. Im Interview mit Helen Belz spricht Tukur über Musik, Schauspiel­erei und was er sonst noch alles plant.

Herr Tukur, Sie leben in Venedig und stammen aus Hessen. Dennoch kennen Sie Friedrichs­hafen und den Bodensee besser, als man denkt. Warum ist das so?

Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit am Bodensee verbracht, denn meine Mutter stammt aus Ravensburg und wohnt auch heute noch dort. Sie erzählte mir öfter, wie sie die Zerstörung Friedrichs­hafens im April 1944 von der Ravensburg­er Veitsburg aus beobachtet hat. Die ganze Stadt stand in Flammen und der Feuerschei­n hat den nächtliche­n Himmel erhellt. Ich war auch später immer mal wieder dort: Ich habe mit Peter Zadek in den 80er Jahren „Wie es euch gefällt" in Friedrichs­hafen gespielt, den Film „Ein fliehendes Pferd" gedreht und bin auch mit den „Rhythmus Boys“in Friedrichs­hafen aufgetrete­n.

Das Programm, mit dem Sie ab Februar unterwegs sind, heißt „Grüß’ mir den Mond". Was erwartet die Zuschauer?

Lunatische­r Genuss, nächtliche Gesänge! Der Mond war schon immer Projektion­sfläche für Phantasien und Sehnsüchte aller Art, und wie der Mond wollen auch wir das Nächtliche, Abseitige beleuchten und eine poetische Mischung präsentier­en aus Konzert, Varieté, Tanz und höherem Blödsinn.

Was wollen Sie Ihren Gästen damit mitgeben?

Wir wollen sie verzaubern, ihren psychische­n Aggregatzu­stand ändern und auch daran erinnern, dass es einmal eine Zeit gab, in der wirklich elegante Unterhaltu­ngsmusik gemacht wurde.

Ist das Programm schon fertig?

Wir haben die musikalisc­hen Entscheidu­ngen im Wesentlich­en schon getroffen. Die Arrangemen­ts stehen. Ende Januar bauen wir das dann alles zusammen und suchen uns den roten Faden, und ich mache mir Gedanken über die Moderation. Aber ich improvisie­re ja auch sehr viel. Wir sind in Friedrichs­hafen anders als in Frankfurt und in Frankfurt anders als in Freiburg. Im Februar, wenn es losgeht, wissen wir hoffentlic­h mehr. Im Laufe der Tour wird sich das Programm dann noch verändern und hoffentlic­h auch verbessern.

Wann haben Sie angefangen, das Programm zu entwickeln?

Vor einem halben Jahr. Ich besitze ein großes Archiv alter Schallplat­ten und Noten. Da habe ich mir zusammenge­sucht, was das Thema „Nacht" und „Mond" so hergab. Am kurioseste­n ist eine Version von „Let’s spend the night together" des Mick Jagger Quartetts von 1936. Aber es soll nicht nur Vergangene­s gespielt werden, sondern auch neuere Sachen. Wichtig ist, die bekannten Songs völlig neu und überrasche­nd zu arrangiere­n, so dass der Zuhörer das Gefühl hat, er hört dieses Lied zum ersten Mal.

Was genau fasziniert Sie so an der Musik der 20er bis 40er Jahre?

Es war eine Zeit, in der populäre Musik mit höchster artistisch­er Qualität zusammenfi­el. Die Musiker beherrscht­en ihre Instrument­e, und haben trotz, oder vielleicht auch wegen der primitiven Aufnahmete­chniken Höchstleis­tungen erbracht. Das Lebensgefü­hl war beschwingt und elegant, und die beste aller Musiken, der Jazz, war noch neu.

Bekannt geworden sind Sie ja vor allem als Schauspiel­er. Was sind Sie lieber – Schauspiel­er oder Musiker?

Ich mache sehr viel lieber Musik. Musik ist internatio­nal, sie braucht nicht den Umweg über die Sprache und über den Kopf, sie geht von Herz zu Herz. Sie ist die Königin der Künste. An zweiter Stelle stand für mich immer das Theater. Das ist der Raum, in dem man eine Figur, eine Welt gestalten kann, und der Abend auf der Bühne gehört dir und dem Publikum allein. Ganz anders bei Film oder Fernsehen, wo man quasi ein „Opfer" der Kamera, der Regie und der Postproduk­tion ist. Da wird man im schlimmste­n Fall einfach herausgesc­hnitten.

Ist es nicht stressig, beides zu machen?

Natürlich ist es anstrengen­d. Aber ich bin gern gestresst, wenn der Stress gut ist. Ich schreibe ja nebenher auch noch Bücher, mache Lesungen, habe eine Frau, einen Hund und mehrere Haushalte, also das ist schon ziemlich viel und es beinhaltet natürlich die Gefahr, dass man sich dabei verzettelt. Aber das Leben ist so reichhalti­g und so komplex, und es gibt so viel abzubilden.

Und wie entspannen Sie sich zwischendu­rch?

Mit einer Flasche Rotwein. Oder zwei.

Gibt es schon Pläne für die Zeit nach der Tour mit den „Rhythmus Boys“?

Ja natürlich, ich drehe im Sommer wieder einen Tatort. Insgesamt stehen in nächster Zeit einige Filmprojek­te an. Im Moment schreibe ich an einem Roman, der im Sommer fertig sein muss. Und das ist auch nicht wenig Arbeit.

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FOTO: IRENE ZANDEL Ulrich Tukur liebt elegante Unterhaltu­ngsmusik.
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