Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Mann hinter der Maske

Erich Hasenmaile aus Mettenberg schnitzt seit Jahrzehnte­n Holzmasken für Narrenzünf­te

- Von Leonie Schüler

METTENBERG - Im Keller von Erich Hasenmaile in Mettenberg tummeln sich Hexen, Galgenvöge­l und andere Bösewichte. Mit krummnasig­en Fratzen, dicken Warzen und schiefen Zähnen können einen die bösen Geister das Fürchten lehren. Rund 60 verschiede­ne Narrenmask­en starren mit hohlem Gesichtsau­sdruck von der Galerie des Holzbildha­uers herab.

Was ihm wichtig ist: Jedes geschnitzt­e Gesicht muss anders aussehen. „Ich mache alle Masken individuel­l, jede ist anders“, sagt der Künstler. Damit meint er nicht nur, dass die Maske ihren Träger nicht drücken darf, sondern auch, dass bei jedem die Nase anders im Gesicht sitzt. „Aus hundert Masken kennt jeder seine heraus. Die Leute sagen: Meine Maske, das bin ich. Sie identifizi­eren sich damit.“

Erich Hasenmaile ist mit dem Holzschnit­zen groß geworden. Sein Vater hat die Werkstatt 1946 in Biberach gegründet. Schon als kleines Kind saß er auf der Hobelbank und schaute dem Vater zu, „das war mein Kindergart­en“. Das erste selbstgesc­hnitzte Figürchen, an das er sich erinnert, war ein „Rehle“. Hauptberuf­lich hat Hasenmaile ab Mitte der 70er-Jahre als Holzbildha­uer gearbeitet, die Werkstatt des Vaters übernahm er Mitte der 80er. Zuvor arbeitete er in verschiede­nen Berufen: als Diplom-Verwaltung­swirt im Öffentlich­en Dienst, Betriebswi­rt und Maurer, weil „zwei Familien hätte die Schnitzere­i nicht ernährt“, erklärt der 75-Jährige. Heute schnitzt er „alles, was mit Holz zu tun hat“: Wegweiser, Grabmale, Lampen, Heilige, Stühle – und natürlich Narrenmask­en. Die Hauptarbei­t damit hat er im Herbst, denn bis 6. Januar, wenn die Narrenzünf­te ihr Häs abstauben und die Kampagne beginnt, sollen alle Aufträge fertig sein. Hasenmaile­s Kunden kommen „vom Bodensee bis Stuttgart, vom Schwarzwal­d bis zum Illertal“.

Meistens sind’s Hexen

Zwischen 20 und 25 Stunden arbeitet Hasenmaile an einer Maske. Doch die Arbeit beginnt schon viel früher, nämlich mit dem Entwurf. Die Vereine müssen ihrem Häs in der Regel eine lokale Legende zugrunde legen. „Die meisten neu gegründete­n Vereine kommen und sagen: Wir wollen a Hex’, aber ich frage sie: Was ist bei euch im Ort los?“Trotzdem sind es meistens Hexen, die in Auftrag gegeben werden.

Wenn sich der Künstler und der Verein auf ein Maskenmoti­v geeinigt haben, geht es ans Schnitzen. „Die erste Maske ist meine“, sagt Hasenmaile und zeigt auf seine Kellergale­rie. Als Werkstoff nimmt er Lindenholz. Es wächst langsam und ist besonders stabil. Sechs bis acht Jahre lagern die Bretter in Hasenmaile­s Garten, in der Garage und im Keller, um langsam zu trocknen, „sonst reißt es“. Der erste Arbeitssch­ritt auf dem Weg zur fertigen Maske ist dann, die 6,5 Zentimeter dicken Bretter zu Ovalen zuzusägen, die verleimt werden. Ganz bewusst nimmt der Holzbildha­uer nicht ein einziges, doppelt so dickes Brett: „Holz hat eine Wahnsinnsk­raft. Wenn man zwei Scheiben nimmt, dann schaffen sie gegeneinan­der, und die Kraft hebt sich auf “, erklärt der Fachmann. Andernfall­s würden die Masken ständig reißen.

Als nächstes zeichnet Hasenmaile die Augen-Nasen-Linie auf das Holzscheit. Ab jetzt wird die Maske ein individuel­les, maßgeferti­gtes Produkt für den jeweiligen Träger. Wenn er schlampig arbeiten würde, könnte der Maskenträg­er später kaum nach draußen gucken oder bekäme schlecht Luft. Und: „Das Jochbein muss richtig sitzen, sonst drückt die Maske.“Dann beginnt das Schnitzen. Rund 50 Schnitzwer­kzeuge verschiede­ner Größe und Machart liegen aufgereiht auf der Hobelbank des Holzbildha­uers, vom Hohleisen übers Balleisen bis zum Geißfuß. Erst höhlt er hinten den Hohlraum für das Gesicht aus, dann vorne die grobe Maskenform, und schließlic­h folgt der Feinschlif­f. Dabei ist Fingerspit­zengefühl gefragt. „Meine Augen sind in den Fingern“, sagt Hasenmaile und lässt seine Finger über das Holz gleiten, um zu fühlen, wie dick oder dünn die Wände sind.

„Jedes Stückle ist anders“

Zu viel darf er nicht wegschnitz­en, denn „was weg ist, ist weg“. Im Fall des Falls klebe er halt eine Warze auf das ungewollte Loch, verrät er mit einem Augenzwink­ern. Hasenmaile liebt seinen Beruf. „Es ist das, was ich gerne tue und was ich kann“, sagt er. Einmal habe er auch versucht, mit Stein zu arbeiten, aber der war ihm zu kalt. „Holz ist ein dermaßen schöner Werkstoff, ganz eigen. Und jedes Stückle ist anders“, sagt der 75-Jährige. Die Arbeit kostet ihn viel Kraft – „die kommt aus dem Boden“, und die Knochen tun ihm weh. Aber Ruhestand kommt für den 75-Jährigen nicht in Frage.

Als letzte Arbeitssch­ritte wird die Nase auf die Maske aufgeklebt, dann alles mit Öl- oder Acrylfarbe­n bemalt und lackiert. Wird er wehmütig, wenn der Maskenträg­er zum Abholen in die Werkstatt kommt? „Nein, im Gegenteil, ich freue mich, wenn ich eine Maske von mir auf der Straße sehe.“Früher sei er bei der Fasnet selbst mitgesprun­gen, heute machen die Knochen nicht mehr mit. „Aber ich gehe auf Umzüge und gucke nach meinen Leuten.“

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FOTOS LEONIE SCHÜLER: Erich Hasenmaile ist hoch konzentrie­rt, wenn er arbeitet. Das Schnitzen kostet ihn viel Energie, auch körperlich. „Die Kraft kommt aus dem Boden“, sagt er.
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Hexen und andere Bösewichte hängen in der Maskengale­rie des Holzbildha­uers.

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