Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Seltsame Veranstaltungen
Was wir Oberschwaben gar nicht wissen: Die Fasnet ist in den Augen mancher Auswärtiger und Reingschmeckter eine seltsame Veranstaltung. Gefeiert wird die sogenannte fünfte Jahreszeit hierzulande nicht in langweiligen Prunksitzungen in langweiligen Stadthallen mit langweiligen Funkenmariechen, sondern auf der Straße, gerne und oft auch bei Eiseskälte. Dort tummelt sich nicht nur Publikum, das die Grenzen der eigenen Leber ausreizt, sondern dort sind auch Massen von Menschen mit Furcht einflößenden Kostümen unterwegs, die seltsamerweise Häs heißen. Dazuhin gibt es merkwürdige Bräuche: Musiker, die mit Absicht so laut wie falsch spielen, Mäschkerle, die Menschen die Kopfbedeckung mopsen, hinter Masken versteckte Männer, die junge Damen rauben und ihnen in heißen Wasserbottichen die Beine verbrühen.
Und all das soll Spaß machen? Ja, tut es. Oder auch nicht. Es ist wie beim Fernsehprogramm: Warum darüber aufregen, was die immer für einen Stuss senden? Man kann doch auch abschalten! Und zur Fasnet nach Wetzis gehen. Oder daheimbleiben und fernsehen und sich über das Programm ärgern.
Jetzt sind wir also mittendrin, ob wir wollen oder nicht. Hochfasnet! Fast so schön wie’s Rutenfest, lediglich mit anderen Hüten.
Die Spaßbremsen, heimische oder reingschmeckte, werden nun natürlich einwerfen, dass die Fasnet nur deshalb auszuhalten ist, weil sich die Leute dabei gehörig den Hals nass machen. Und das nicht unbedingt allein nur mit Kräutertee. Diese Ansicht ist allerdings völlig daneben. Denn Fakt ist: Man kann auch mit Alkohol lustig sein. Wissenschaftlich erwiesen ist zudem: Alkohol ist die beste Medizin. Zumindest, wenn man einen kleinen, hicks, Unfall erleidet. Belegt wird diese gewagte These durch eine Studie der University of California in Los Angeles. Sie wertete die Daten von 8000 Patienten auf Intensivstationen aus. Ergebnis: Bei gleich schweren Verletzungen starben sieben Prozent der nüchternen, aber nur ein Prozent der betrunkenen Unfallopfer gleichen Alters. Eine medizinische Erklärung dafür gibt es nicht.
Interessante Erkenntnisse! Aber wo ist der Haken? Der hängt am moralischen Zeigefinger des Autors dieses Beitrags. Denn: Alkohol ist ein böses Teufelchen, und daher sollte man auch an der Fasnet nicht riskieren, mit ihm über Gebühr in den Nahkampf einzutreten. Man könnte verlieren. Oder verunfallen. Und das wollen wir bei allem Spaß doch nicht.
Vielleicht machen wir es besser so wie die Italiener. Dort gibt es neben den bekannten in Venedig auch unbekanntere Fasnetsbräuche. Zum Beispiel in Ivrea im Piemont. Anstatt sich die Hucke vollzusaufen, bewerfen sich die Italiener dort an Fasnet in der ganzen Stadt mit Tausenden Orangen, bis die Straßen nur noch eine einzige Matschlandschaft sind. Eine seltsame Veranstaltung, meinen Sie? Das denken manche Italiener von der schwäbisch-alemanischen Fasnet sicher auch.
Ihnen ein schönes Wochenende!