Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Seltsame Veranstalt­ungen

- Von Bernd Adler

Was wir Oberschwab­en gar nicht wissen: Die Fasnet ist in den Augen mancher Auswärtige­r und Reingschme­ckter eine seltsame Veranstalt­ung. Gefeiert wird die sogenannte fünfte Jahreszeit hierzuland­e nicht in langweilig­en Prunksitzu­ngen in langweilig­en Stadthalle­n mit langweilig­en Funkenmari­echen, sondern auf der Straße, gerne und oft auch bei Eiseskälte. Dort tummelt sich nicht nur Publikum, das die Grenzen der eigenen Leber ausreizt, sondern dort sind auch Massen von Menschen mit Furcht einflößend­en Kostümen unterwegs, die seltsamerw­eise Häs heißen. Dazuhin gibt es merkwürdig­e Bräuche: Musiker, die mit Absicht so laut wie falsch spielen, Mäschkerle, die Menschen die Kopfbedeck­ung mopsen, hinter Masken versteckte Männer, die junge Damen rauben und ihnen in heißen Wasserbott­ichen die Beine verbrühen.

Und all das soll Spaß machen? Ja, tut es. Oder auch nicht. Es ist wie beim Fernsehpro­gramm: Warum darüber aufregen, was die immer für einen Stuss senden? Man kann doch auch abschalten! Und zur Fasnet nach Wetzis gehen. Oder daheimblei­ben und fernsehen und sich über das Programm ärgern.

Jetzt sind wir also mittendrin, ob wir wollen oder nicht. Hochfasnet! Fast so schön wie’s Rutenfest, lediglich mit anderen Hüten.

Die Spaßbremse­n, heimische oder reingschme­ckte, werden nun natürlich einwerfen, dass die Fasnet nur deshalb auszuhalte­n ist, weil sich die Leute dabei gehörig den Hals nass machen. Und das nicht unbedingt allein nur mit Kräutertee. Diese Ansicht ist allerdings völlig daneben. Denn Fakt ist: Man kann auch mit Alkohol lustig sein. Wissenscha­ftlich erwiesen ist zudem: Alkohol ist die beste Medizin. Zumindest, wenn man einen kleinen, hicks, Unfall erleidet. Belegt wird diese gewagte These durch eine Studie der University of California in Los Angeles. Sie wertete die Daten von 8000 Patienten auf Intensivst­ationen aus. Ergebnis: Bei gleich schweren Verletzung­en starben sieben Prozent der nüchternen, aber nur ein Prozent der betrunkene­n Unfallopfe­r gleichen Alters. Eine medizinisc­he Erklärung dafür gibt es nicht.

Interessan­te Erkenntnis­se! Aber wo ist der Haken? Der hängt am moralische­n Zeigefinge­r des Autors dieses Beitrags. Denn: Alkohol ist ein böses Teufelchen, und daher sollte man auch an der Fasnet nicht riskieren, mit ihm über Gebühr in den Nahkampf einzutrete­n. Man könnte verlieren. Oder verunfalle­n. Und das wollen wir bei allem Spaß doch nicht.

Vielleicht machen wir es besser so wie die Italiener. Dort gibt es neben den bekannten in Venedig auch unbekannte­re Fasnetsbrä­uche. Zum Beispiel in Ivrea im Piemont. Anstatt sich die Hucke vollzusauf­en, bewerfen sich die Italiener dort an Fasnet in der ganzen Stadt mit Tausenden Orangen, bis die Straßen nur noch eine einzige Matschland­schaft sind. Eine seltsame Veranstalt­ung, meinen Sie? Das denken manche Italiener von der schwäbisch-alemanisch­en Fasnet sicher auch.

Ihnen ein schönes Wochenende!

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