Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kritischer Chronist

Büchner-Preisträge­r Delius wird 75 Jahre alt

- Von Nada Weigelt

BERLIN (dpa) - Mehr als ein halbes Jahrhunder­t begleitet Friedrich Christian Delius die deutsche Zeitgeschi­chte mit Essays, Erzählunge­n und Romanen. Am Dienstag feiert der 2011 mit dem Büchner-Preis ausgezeich­nete Autor seinen 75. Geburtstag.

Nur wenige Tage danach erscheint die autobiogra­fische Erzählung „Die Zukunft der Schönheit“, in der er den Aufbruchge­ist der 68erGenera­tion noch einmal wach werden lässt. Lang galt er als Vorzeigeau­tor dieser Epoche.

Schon zum 70. Geburtstag hat der Rowohlt Taschenbuc­h Verlag eine Neuausgabe des Gesamtwerk­s gestartet, eine ungewöhnli­che Ehre für einen noch lebenden Schriftste­ller. Sie umfasst 18 Bände, angefangen von den bissigen literarisc­hen Dokumentat­ionen der 60er-Jahre bis hin zu der abgründige­n Rom-Hommage „Die linke Hand des Papstes“(2013).

Immer wieder Rom

Eines der poetischst­en Bücher ist die autobiogra­fische Erzählung „Bildnis der Mutter als junge Frau“(2006). In einem einzigen, fast 120 Seiten langen Satz schildert der Autor den Rom-Spaziergan­g einer jungen, hochschwan­geren Frau, deren Mann 1943 an die afrikanisc­he Front versetzt wird.

Rom ist immer wieder Schicksals­stadt für F. C. Delius, wie er oft verkürzt heißt. Hier wird er am 13. Februar 1943 als Sohn eines westfälisc­hen Hilfspfarr­ers und einer Kindergärt­nerin geboren. Er wächst in Hessen auf, lebt in Berlin und findet später, wieder in Rom, seine zweite Frau, „ein schöner Zufall der Liebe“, wie er sagt.

Einblick in sein Leben hat er in mehreren Werken gegeben, so etwa in dem Skizzenban­d „Als die Bücher noch geholfen haben“(2012). Als Sohn eines gefürchtet­en Vaters sei er im elterliche­n Pfarrhaus „stotternd und stumm geworden“, bis er das Schreiben für sich entdeckt habe, berichtet er da. „Ich spürte die Wohltat, mich am Schopf der eigenen Texte aus der Sprachlosi­gkeit ziehen zu können.“

Sein Mentor wird der Verleger Klaus Wagenbach, der den promoviert­en Literaturw­issenschaf­tler 1970 als Lektor an seinen Kollektivv­erlag holt. Delius steht der 68er-Bewegung nahe, mag sich als Schriftste­ller aber nicht einspannen lassen. Wegen der Haltung zur RAF kommt es zum Bruch mit Wagenbach. 1973 gründet Delius mit sechs Freunden den Rotbuch Verlag. Er wird mit seinem Gespür für damals noch unbekannte Autoren wie Heiner Müller, Thomas Brasch, Thea Dorn, PeterPaul Zahl und Herta Müller erfolgreic­h, bis er sich 1978 als Schriftste­ller selbststän­dig macht.

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FOTO: DPA Friedrich Christian Delius

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