Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Plauderstunde am Klavier
„OK Sweetheart“mit einem etwas anderen Konzert in der Linse
WEINGARTEN - Seattle ist ein sehr gutes Pflaster für Musik und insbesondere für Singer-Songwriter, deswegen gastieren in der Linse in unregelmäßigen Abständen auch Musiker von der amerikanischen Westküste. „OK Sweetheart“ist eine der Bands, die sich dort einen Namen gemacht haben – allerdings kommt nicht die ganze Band, sondern nur die Frontfrau Erin Austin auf eine ausgedehnte Europatournee, die sie auch ins eher beschauliche Weingarten führt.
Statt der Band also nur die Sängerin und ein Wurlitzer. Erin Austin singt und begleitet sich mit nackten, spartanisch gespielten Akkorden: Ohne Schnörkel liegen die Klänge des E-Pianos TRAUERANZEIGEN unter ihrer Stimme. Zunächst wirkt ihre Art, ein Konzert zu gestalten, recht spannend, sie erzählt viel von sich und ihrem Leben: Mit 19 hat sie geheiratet, nach zehn Jahren geschieden und froh, einer ultrareligiösen Familie entflohen zu sein. Sie hat klassischen Gesang studiert: Daher ihre klare und präsente Stimme, zum Glück verzichtet sie auf opernhaftes Vibrato und übertriebenes Pathos. An wen erinnert ihre Stimme, an Tori Amos, Fiona Apple, Edie Brickell? Mehrere Namen werden in der Pause diskutiert und wieder verworfen – Erin Austin ist „OK Sweetheart“und ziemlich eigen. Charme hat sie auch, sie wirkt natürlich und offen.
Erin Austin ist alles Mögliche, aber eines ist sie nicht: eine gute Pianistin. Was sich anfangs noch nach Methode anhört, gerät bald zur Offenbarung: Mehr als ein paar schüttere Akkorde hat sie nicht drauf, schon ein kleiner Lauf („Das spielt normalerweise die Gitarre!“) ist eine Herausforderung. Doch das ist diese Tour durch Europa ohnehin: Zu Hause hat sie eine vierköpfige Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug – wenn Erin Austin das erzählt, wird man neugierig, was sie mit instrumentalem Background bringt. An Ausstrahlung mangelt es ihr jedenfalls nicht.
Allerdings an Konzentration aufs Wesentliche. Den zweiten Set eröffnet sie mit einer Wahl für das Publikum: Soll sie ihre normale Setlist spielen oder Songs aus den dicken Büchern mit ihren gesammelten Liedern, die sie aber schon lange nicht mehr gespielt hat? Das Publikum entscheidet sich für letztere Alternative, was sie nicht wundert: „You’re germans!“– Ihr seid Deutsche. Manchen Song fängt sie zweimal an – der richtige Akkord? Von nun an driftet ihr Auftritt immer zur selbst reflektierenden Seelenschau. Minutenlang erzählt sie von Beziehungen und wie sie sich nach deren Ende fühlte, und wie lange sie brauchte, um dies und jenes zu verarbeiten. Die Songs sind kurz und einfach und werden sich immer ähnlicher.
Dann wieder Selbsttherapie mit dem Publikum: Auch ihre Familie war sehr christlich, und folgerichtig nicht sehr begeistert, als sie ihre Bisexualität bekannt gab. Das mag ja alles recht interessant sein, die Songs werden dadurch allerdings nicht besser.