Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Plauderstu­nde am Klavier

„OK Sweetheart“mit einem etwas anderen Konzert in der Linse

- Von Tim Jonathan Kleinecke

WEINGARTEN - Seattle ist ein sehr gutes Pflaster für Musik und insbesonde­re für Singer-Songwriter, deswegen gastieren in der Linse in unregelmäß­igen Abständen auch Musiker von der amerikanis­chen Westküste. „OK Sweetheart“ist eine der Bands, die sich dort einen Namen gemacht haben – allerdings kommt nicht die ganze Band, sondern nur die Frontfrau Erin Austin auf eine ausgedehnt­e Europatour­nee, die sie auch ins eher beschaulic­he Weingarten führt.

Statt der Band also nur die Sängerin und ein Wurlitzer. Erin Austin singt und begleitet sich mit nackten, spartanisc­h gespielten Akkorden: Ohne Schnörkel liegen die Klänge des E-Pianos TRAUERANZE­IGEN unter ihrer Stimme. Zunächst wirkt ihre Art, ein Konzert zu gestalten, recht spannend, sie erzählt viel von sich und ihrem Leben: Mit 19 hat sie geheiratet, nach zehn Jahren geschieden und froh, einer ultrarelig­iösen Familie entflohen zu sein. Sie hat klassische­n Gesang studiert: Daher ihre klare und präsente Stimme, zum Glück verzichtet sie auf opernhafte­s Vibrato und übertriebe­nes Pathos. An wen erinnert ihre Stimme, an Tori Amos, Fiona Apple, Edie Brickell? Mehrere Namen werden in der Pause diskutiert und wieder verworfen – Erin Austin ist „OK Sweetheart“und ziemlich eigen. Charme hat sie auch, sie wirkt natürlich und offen.

Erin Austin ist alles Mögliche, aber eines ist sie nicht: eine gute Pianistin. Was sich anfangs noch nach Methode anhört, gerät bald zur Offenbarun­g: Mehr als ein paar schüttere Akkorde hat sie nicht drauf, schon ein kleiner Lauf („Das spielt normalerwe­ise die Gitarre!“) ist eine Herausford­erung. Doch das ist diese Tour durch Europa ohnehin: Zu Hause hat sie eine vierköpfig­e Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug – wenn Erin Austin das erzählt, wird man neugierig, was sie mit instrument­alem Background bringt. An Ausstrahlu­ng mangelt es ihr jedenfalls nicht.

Allerdings an Konzentrat­ion aufs Wesentlich­e. Den zweiten Set eröffnet sie mit einer Wahl für das Publikum: Soll sie ihre normale Setlist spielen oder Songs aus den dicken Büchern mit ihren gesammelte­n Liedern, die sie aber schon lange nicht mehr gespielt hat? Das Publikum entscheide­t sich für letztere Alternativ­e, was sie nicht wundert: „You’re germans!“– Ihr seid Deutsche. Manchen Song fängt sie zweimal an – der richtige Akkord? Von nun an driftet ihr Auftritt immer zur selbst reflektier­enden Seelenscha­u. Minutenlan­g erzählt sie von Beziehunge­n und wie sie sich nach deren Ende fühlte, und wie lange sie brauchte, um dies und jenes zu verarbeite­n. Die Songs sind kurz und einfach und werden sich immer ähnlicher.

Dann wieder Selbstther­apie mit dem Publikum: Auch ihre Familie war sehr christlich, und folgericht­ig nicht sehr begeistert, als sie ihre Bisexualit­ät bekannt gab. Das mag ja alles recht interessan­t sein, die Songs werden dadurch allerdings nicht besser.

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FOTO: KLEINECKE An Ausstrahlu­ng mangelt es Erin Austin, Frontfrau von „OK Sweetheart“, nicht.
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