Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Es entsteht der Eindruck, dass ,die da oben’ in Berlin alles alleine regeln“
BERLIN - Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange hat ihre Kandidatur für den SPD-Bundesvorsitz angekündigt. Sie wolle eine Alternative bieten, sagt sie im Gespräch mit Tobias Schmidt.
Warum haben Sie den Personalstreit durch ihre Kandidatur angeheizt?
Ich biete den SPD-Mitgliedern eine Alternative, das ist etwas anderes als die Personaldebatte zu befeuern. Als Partei, die immer auf eine starke Basis zurückgreift, den Koalitionsvertrag an einen Mitgliederentscheid knüpft, sollten wir die Entscheidung über das höchste Parteiamt auf eine breite Basis stellen.
Dass nach Schulz’ Rückzug Eile geboten ist, sehen Sie nicht?
Nein, wir haben einen starken Bundesvorstand. Außerdem gibt es genügend Stellvertreter, die die Partei übergangsweise führen könnten. Dann könnten wir gemeinsam in Ruhe einen Weg suchen, der die Mitglieder in die Entscheidung über den künftigen Parteivorsitz einbindet. Immerhin geht es jetzt darum, jemanden zu finden, der uns etwas länger erhalten bleibt und den Herausforderungen länger gewachsen ist. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen.
Ist Andrea Nahles nicht die Richtige, um die Führung der SPD zu übernehmen?
Diese Frage stellt sich zumindest. Ich glaube nicht, dass sie als Fraktionsund Parteivorsitzende in einem die Erneuerung vorantreiben kann, die die SPD so dringend braucht. Diese beiden Positionen zu trennen, hätte den Vorteil, dass wir zwei starke Führungspersönlichkeiten haben könnten.
Der Parteitag hat das Thema Urwahl auf die Agenda für einen Reformparteitag im Dezember 2018 gesetzt. Ist Ihnen das zu spät?
Ja, wir müssen die Probleme schließlich jetzt lösen. Jetzt ist die Zeit, die Posten in der Partei strategisch klug zu besetzen. Und im Moment entsteht der Eindruck, dass „die da oben“in Berlin alles alleine regeln, sich völlig von der Basis abkoppeln. Die Mitglieder bei uns in Schleswig-Holstein stöhnen angesichts der Berliner Querelen. Wir müssen jetzt endlich nach vorne schauen und Alternativen anbieten. Dazu gehört auch, nicht nur zu kritisieren, sondern selbst vorzutreten, sich einzubringen und anzubieten. So ist auch meine Kandidatur gemeint.
Die Personaldebatten überlagern den Mitgliederentscheid: Sollten nicht endlich die Inhalte in den Vordergrund rücken?
Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und die Posten für das Spitzenpersonal zeitgleich bekannt zu geben, war der große Fehler der letzten Tage. Wir hätten erst über den Inhalt abstimmen und dann erst in die Personaldebatten einsteigen dürfen. Aber den Streit um die Posten jetzt zu beenden, wo das Gerangel einmal angefangen hat, ist unrealistisch.
Angela Merkel will ihre Namen für das Kabinett vor dem CDUParteitag bekanntgeben. Sollte die SPD nachziehen?
Ja, die Paste ist jetzt aus der Tube. Man kann so eine Debatte nicht einfach bei der Hälfte abbrechen. Jetzt müssen die Namen auf den Tisch.
Werben Sie in Schleswig-Holstein für die Große Koalition?
Ich werbe weder für noch gegen die Große Koalition. Die SPD-Mitglieder sind mündig genug, um sich ihre eigene Meinung zu bilden.