Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Geld kann man nicht trinken“
Kiesabbau und Achtalschule im Mittelpunkt der Baienfurter Gemeinderatssitzung
BAIENFURT - Zwei große Themen dominierten die Haushaltsreden der Baienfurter Fraktionssprecher des Gemeinderats am Dienstagabend: die Achtalschule, deren Um- und Neubau zur Gemeinschaftsschule mit allein mehr als 14 Millionen Euro die Rücklagen der Gemeinde bis zum Jahre 2022 auf ein Minimum schrumpfen lassen wird, und der geplante Kiesabbau im Altdorfer Wald bei Grund, der die Qualität des Trinkwassers der Gemeinden Baienfurt und Baindt möglicherweise gefährdet.
Alle vier Fraktionschefs sind sich einig im Kampf gegen dieses Projekt. „Geld kann man nicht trinken“, brachte der Sprecher der Grünen und Unabhängigen, Uwe Hertrampf, den Konflikt zwischen Kies (Geld) und Wasser auf den Punkt. Einstimmig billigte der Gemeinderat den Haushalt 2018, dessen Gesamtvolumen mit 27,1 Millionen Euro zu Buche steht – es ist der größte Etat seit zehn Jahren.
Lange Redebeiträge sorgen für Unmut
Die Fraktionsreden zogen sich wie üblich schier endlos in die Länge und strotzten vor Wiederholungen. Die SPD-Sprecherin Brigitta Wölk stellte daher zu Recht fest, dass Bürgermeister Günter A. Binder in seiner (ebenfalls ellenlangen) Neujahrsrede schon fast alles und jedes in Sachen Baienfurter Kommunalpolitik gesagt hat. Einzig der Sprecher der Freien Wähler, Richard Birnbaum, übte sich in Zurückhaltung; seine Rede war gerade mal drei DIN-A-4-Seiten lang. Und als die Uhr nach der 16 Punkte umfassenden Sitzung dann schon bei 23.15 Uhr stand, begehrte die G+U-Gemeinderätin Marga Fischer einen Grundsatzbeschluss über die Sitzungsdauer, weil die Konzentration nach mehr als fünf Stunden (ohne Pause) dann doch nachlasse. Doch der Bürgermeister wiegelte ab. Die Dienstagssitzung sei eine Ausnahme gewesen, man werde sich bessern.
Die finanzielle Lage der Gemeinde Baienfurt im Jahre 2018 ist geprägt von einem tiefen Griff in die Rücklage. Knapp 6,6 Millionen Euro sollen dem Sparbuch der Gemeinde entnommen werden, sodass die Rücklage dann rein rechnerisch auf rund 13,4 Millionen Euro schrumpft, wie CDU-Sprecher Artur Kopka hervorhob. Der Bürgermeister äußerte jedoch Zweifel, ob die Rücklagen-Entnahme in dieser Höhe notwendig ist: „Wir können nicht so schnell bauen.“
Zusammengenommen mehr als 17 Millionen Euro investiert Baienfurt in die Achtalschule, davon rund drei Millionen Euro in den Ausbau der Grundschule (Einweihung in diesem Frühjahr), mindestens 14 Millionen in den Neubau der Gemeinschaftsschule. Vermutlich, so Kopka, werde es bei 14 Millionen aber nicht bleiben. Ausdrücklich begrüßte es der CDU-Sprecher, dass der Zweckverband Wasserversorgung mehr als 100 000 Euro für Gutachten und Rechtsberatung bereitstelle, um die Quelle Weißenbronnen zu schützen. Weil die Flächen auf dem Stora-Enso-Gelände weitgehend vergeben sind, sei ein interkommunales Gewerbegebiet vonnöten. Kopka setzte sich auch dafür ein, die Stelle eines Flüchtlingsbeauftragten rasch zu besetzen. 2018 soll es für Baienfurt auch ein neues Verkehrskonzept geben. Die Konsequenz, so Kopka, seien dann aber auch Kontrollen.
Richard Birnbaum (FWV) betonte, der Druck, neue Baugebiete privater und gewerblicher Art zu schaffen, werde immer größer. Das geplante Baugebiet Baienfurter Ösch (rechts der von Weingarten kommenden Landesstraße) sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zum Thema Kindergartenplätze sagte Birnbaum, aus finanziellen Gründen komme zurzeit kein Neubau infrage, vielmehr solle ein bestehender Kindergarten erweitert werden. Richard Birnbaum wünscht sich auch eine baldige Wohnbebauung auf dem Beton-Wolf-Areal. Was den Schutz des Trinkwassers aus der Quelle im Altdorfer Wald betrifft, so vermisse er die Unterstützung der hier gewählten Vertreter in Land und Bund.
Uwe Hertrampf (G+U) setzte starke Akzente in Sachen Ökologie. betonte Richard Birnbaum (FWV). Entnahme aus der Rücklage: Millionen Euro
Rücklage Ende 2018: Euro
Schulden: 1,14 Millionen Euro (190 Euro je Einwohner)
Im Jahr 2018 gibt es keine Kreditaufnahme. (ka) 6,47 13,49 Millionen Er lobte den Einstieg der Gemeinde in die E-Mobilität, was durch eine Schnell-E-Ladesäule bei der Gemeindehalle und eine Ladeinfrastruktur für Pedelecs am Rathaus sowie den Kauf eines E-Fahrzeugs für den Bauhof geschieht. Trinkwasser in erstklassiger Qualität und Riesenmenge durch den Abbau des Waldbodens und mächtiger Kiesschichten mit ihrer Filterwirkung zu gefährden, erscheine als äußerst fahrlässige Dummheit, fuhr Hertrampf fort. Eine Erhöhung des Wasserzinses zum Schutze dieses erstklassigen Wassers nannte er gerechtfertigt.
Der Druck, neue Baugebiete privater und gewerblicher Art zu schaffen, werde immer größer,
Steuererhöhungen könnten nötig werden
Im Blick auf die Zukunft mahnte Uwe Hertrampf zur Sparsamkeit. Für den Vermögenshaushalt des Jahres 2022 stünden grade mal 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Der G+U-Sprecher: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht einen finanziellen Aschermittwoch im Büßergewand erleben.“Angesichts der hohen Investitionen in die Achtalschule müssten manche Wünsche verschoben werden. Die Verschuldung werde deutlich steigen, Steuererhöhungen könnten nötig werden.
Auch Brigitta Wölk (SPD) sprach sich vehement gegen einen Kiesabbau in unmittelbarer Nähe der Weißenbronnenquelle aus. Den Abbau müsse man „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“verhindern. Außerdem müsse das Wasserschutzgebiet erweitert werden. Die Gemeinderätin skizzierte die Geschichte der Achtalschule von 2003 bis heute. Als der Gemeinderat im Jahr 2012 den Antrag stellte, die Schule zur Gemeinschaftsschule zu erweitern, sei mit Kosten von etwa 5,7 Millionen Euro gerechnet worden. „Davon“, so Wölk, „können wir heute nur noch träumen.“Doch seien diese Investitionen in die Zukunft unserer Kinder eine gute Investition.